Interpellation Stöckli (12.4202): Swisscom. Umgang mit urheberrechtlich geschützten Inhalten
Erledigt (19.03.2013)
Eingereichter Text
Der Bundesrat wird beauftragt, auch vor dem Hintergrund seiner Rolle als zuständige Behörde für die Festlegung der Eigentümerstrategie des Bundes als Mehrheitsaktionär der Swisscom, zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
1. Wie beurteilt er die Tatsache, dass die Swisscom als Internet Service Provider toleriert, dass ihren Abonnenten von diversen illegal operierenden Plattformen urheberrechtlich geschützte Inhalte ohne Autorisierung der Rechteinhaber zum Download oder Streaming angeboten werden? Wie können die Swisscom und andere Access Provider diesbezüglich in die Pflicht genommen werden?
2. Wie beurteilt er – im Hinblick auf die Bekämpfung solcher Plattformen – die inzwischen mehrjährigen Erfahrungen des Bundesamtes für Polizei und der Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik), welche für verschiedene Tatbestände (u. a. Rassismus, Kinderpornografie) ein offenbar wirksames Instrumentarium entwickelt haben?
3. Wie beurteilt er die Tatsache, dass die Swisscom (oder von ihr beauftragte Organisationen) auf solchen Plattformen Werbung für Swisscom-Produkte und ‑Dienstleistungen schaltet?
Begründung
Der Bund ist Mehrheitsaktionär der Swisscom und hat im Rahmen seiner “Strategischen Ziele des Bundes für seine Beteiligung an der Swisscom AG 2010 – 2013” eine Eigentümerstrategie definiert, die u. a. verlangt, dass die Swisscom “den Unternehmenswert nachhaltig sichert und steigert”, “über ein angemessenes Risikomanagement verfügt” sowie “eine nachhaltige und ethischen Grundsätzen verpflichtete Unternehmensstrategie verfolgt”. Dies impliziert, dass die Swisscom abwendbare Risiken für die Unternehmensreputation proaktiv identifiziert und bekämpft, um die Aktionärsinteressen zu schützen.
Offenkundig haben auch Swisscom-Abonnenten heute Zugriff auf Internet-Plattformen, welche typischerweise für die Inhalte, auf welche sie Zugang geben, die Urheber- und Leistungsschutzrechte nicht regeln, aber z. B. durch Werbung oder Abonnementseinnahmen (auch von der Swisscom oder von ihr beauftragten Organisationen geschaltet) Gewinne erwirtschaften. Indirekt entstehen den Rechteinhabern (Künstlern, Produzenten, Distributoren usw.) aus diesen Geschäftspraktiken sehr grosse Umsatzeinbussen – auch der Swisscom selbst als Content-Anbieterin.
Bereits heute werden durch die Kobik für verschiedene Straftatbestände Verdachtsdossiers erstellt und an die kantonalen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet sowie oftmals auch direkt den Internet Service Providern und Betreibern von Internetseiten zur Löschung gemeldet (gemäss Jahresbericht 2011 der Kobik), die dann auch erfolgte. Offenkundig bestehen die technischen und rechtlichen Möglichkeiten, entsprechende Angebote zu blockieren.
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, dass die Swisscom alles unternimmt, um sich klar und nachvollziehbar von solchen illegalen Machenschaften abzugrenzen und ihre Abonnenten und ihr eigenes Angebot davor zu schützen.
Stellungnahme des Bundesrats
1. Die von der Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes eingesetzte Arbeitsgruppe zur Optimierung der kollektiven Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (“Agur 12”; https://www.ige.ch/de/urheberrecht/agur12.html) befasst sich u. a. mit der Frage, inwieweit eine Verpflichtung von Internet Access Providern wie Swisscom, aktive Massnahmen zum Schutz von Urheberrechten zu ergreifen, mit dem verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Wahrung der Privatsphäre (Art. 13 der Bundesverfassung), dem Fernmeldegeheimnis (Art. 43 FMG, Art. 321ter StGB), dem Datenschutz sowie dem Recht auf freie Meinungsäusserung vereinbar wäre. Ergebnisse sind auf Ende 2013 zu erwarten. Fraglich ist, ob Access Provider angesichts der Fülle von Websites überhaupt in der Lage wären, eine inhaltliche Triage vorzunehmen. Aus diesem Grund wurde anlässlich der Teilrevision des Urheberrechtsgesetzes ein neuer Artikel 24a eingefügt, der die Verantwortlichkeit der Access Provider gegenüber den Inhabern von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten im Interesse einer effizienten Anwendung der modernen Kommunikationssysteme beschränkt.
Was die Verbreitung illegaler, insbesondere pornografischer, rassistischer, diskriminierender, verletzender oder übermässig gewalttätiger Inhalte im Internet anbelangt, hat der Bundesrat wiederholt – zuletzt in seiner Stellungnahme auf die Motion Riklin 09.4222 – dargelegt, dass für deren Bekämpfung das geltende Straf- und Zivilrecht eine ausreichende Grundlage darstellt und dass eine Verschärfung der Haftung der Access Provider nicht im Interesse des Wirtschaftsstandorts Schweiz läge.
Swisscom toleriert keine illegalen Praktiken im Internet und ergreift auf richterliche oder behördliche Anordnung hin alle Massnahmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten, um die Verbreitung strafrechtlich relevanter Inhalte zu unterbinden.
2. Die nationale Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik) recherchiert aktiv im Internet nach strafrechtlich relevanten Inhalten und nimmt Verdachtsmeldungen aus dem In- und Ausland entgegen. Sie prüft deren strafrechtliche Relevanz und leitet einschlägige Fälle an die Strafverfolgungsbehörden im In- und Ausland weiter. Die grosse Mehrheit der Meldungen im Jahr 2011 betraf harte Pornografie gemäss Artikel 197 StGB. Urheberrechtsverletzungen wurden ebenfalls gemeldet, machten jedoch nur 0,75 Prozent aller Hinweise aus. Aufgrund ihrer begrenzten Ressourcen ist die Kobik gezwungen, inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. Diese liegen insbesondere bei der Bekämpfung von harter Pornografie und Pädokriminalität im Internet, von Wirtschaftsdelikten und von Internetkriminalität im engeren Sinne. Das Modell Kobik hat sich in diesen Bereichen weitgehend bewährt. Für eine Beurteilung, ob das Modell Kobik als mögliches Vorbild für die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen geeignet wäre, sind die Ergebnisse der Abklärungen der Arbeitsgruppe “Agur 12” abzuwarten.
3. Swisscom ist sich der Sensibilität des Themas bewusst. Gemäss ihren Richtlinien, die auch von ihr beauftragten Agenturen überbunden werden, verzichtet Swisscom auf Werbung in fragwürdigen oder umstrittenen Websites. Angesichts der Angebotsfülle im Internet kann allerdings nie ganz ausgeschlossen werden, dass – ausnahmsweise und unbeabsichtigt – eine Werbung auf einer solchen Website platziert wird. Wird ein solcher Fall festgestellt bzw. gemeldet, veranlasst Swisscom umgehend die Löschung der Werbung. Der Bundesrat sieht keine Notwendigkeit, im Rahmen seiner strategischen Ziele für Swisscom spezifische Vorgaben zur Werbepraxis zu machen.