Irland: Bus­se von EUR 345 Mio. gegen Tik­Tok – Ver­let­zun­gen der Infor­ma­ti­ons­pflicht und unzu­rei­chen­de TOMs betr. Kinder

Die Iri­sche Daten­schutz­be­hör­de, die Data Pro­tec­tion Com­mis­si­on (DPC), hat am 1. Sep­tem­ber 2023 eine 125-sei­ti­ge Ent­schei­dung betr. Tik Tok gefällt, die meh­re­re Ver­stö­sse fest­stell­te und ent­spre­chend eine Bus­se von EUR 345 Mio. ver­häng­te (Medi­en­mit­tei­lung). Die DPC stellt die Unter­su­chung wie folgt dar:

Infographic: TikTok Decision Key Takeaways

Die DPC als Leit­be­hör­de hat­te am 14. Sep­tem­ber 2021 eine Unter­su­chung von Tik­Toks Daten­be­ar­bei­tun­gen ein­ge­lei­tet. In der Fol­ge wur­den die wei­te­ren Auf­sichts­be­hör­den nach Art. 60 Abs. 3 DSGVO kon­sul­tiert. Ein­wän­de der ita­lie­ni­schen und der Ber­li­ner Behör­de konn­ten nicht ein­ver­nehm­lich gere­gelt wer­den, wes­halb der EDSA nach Arti­kel 65 Abs. 1 lit. a DSGVO ein­ge­schal­tet wur­de. Am 2. August 2023 hat­te der EDSA ver­bind­lich ent­schie­den. Die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung der DPC basiert in Tei­len auf die­ser Ent­schei­dung des EDSA.

Gegen­stand der Unter­su­chung war die Bear­bei­tung von Per­so­nen­da­ten von als Nut­zer regi­strier­ter Per­so­nen zwi­schen 13 und 17 Jah­ren in der Zeit zwi­schen dem 31. Juli und dem 31. Dezem­ber 2020 (Tik­Tok steht Per­so­nen über 13 Jah­ren offen, und “Kind” bedeu­tet nach dem Data Pro­tec­tion Act 2018 (i.V.m. Art. 8 Abs. 1 DSGVO) eine Per­son unter 18 Jahren).

Die DPC erkann­te meh­re­re Ver­stö­sse von Tik­Tok gegen die DSGVO:

  • Inhal­te waren auch für Kin­der stan­dard­mä­ssig auf “öffent­lich” gesetzt. Alle Per­so­nen, auch nicht bei Tik­Tok regi­striert, konn­ten ent­spre­chen­de Inhal­te sehen. Hier fehl­ten ange­mes­se­ne tech­ni­schen und orga­ni­sa­to­ri­sche Mass­nah­men, um sicher­zu­stel­len, dass stan­dard­mä­ssig nur not­wen­din­gen Daten bear­bei­tet wur­den. Dies ver­stiess gegen Pri­va­cy by Design und das Prin­zip der Daten­mi­ni­mie­rung und führ­te zu erheb­li­chen Risi­ken für die betrof­fe­nen Kin­der. Tik­Tok hat­te zudem ver­säumt, die ent­spre­chen­den Risi­ken einzuschätzen.
  • Mit einer sog. “Fami­li­en­ver­knüp­fung” konn­ten Drit­te – bspw. Eltern – ihr Kon­to mit jenem des Kin­des ver­bin­den. Danach konn­te der Drit­te aber auch eine Direkt­nach­rich­ten-Funk­ti­on für Kin­der über 16 akti­vie­ren. Dies stellt eben­falls eine Ver­let­zung ange­mes­se­ner tech­ni­scher und orga­ni­sa­to­ri­scher Mass­nah­men dar, weil kein Grund ersicht­lich war, wes­halb der Drit­te nicht nur stren­ge­re, son­dern auch weni­ger stren­ge Daten­schutz­ein­stel­lun­gen vor­neh­men konnte.
  • Tik­Tok hat­te zwar Mass­nah­men getrof­fen, um eine Regi­strie­rung von Kin­dern unter 13 zu ver­hin­dern. Das Risi­ko, dass Kin­der unter 13 den­noch Zugang zur Platt­form erhiel­ten, war aber nie struk­tu­riert ein­ge­schätzt wor­den. Eine Daten­schutz-Fol­gen­ab­schät­zung lag zwar vor, aber die­ses Risi­ko war ausser Acht gelas­sen worden.
  • Tik­Tok hat­te die Infor­ma­ti­ons­pflicht ver­letzt. Zwar infor­mier­te Tik­Tok, dass bei einer öffent­li­chen Kon­to­ein­stel­lung Drit­te Zugang zu den Inhal­ten erhiel­ten (“public”, “ever­yo­ne”, “anyo­ne”). Dass dies aber nicht nur für ande­re regi­strier­te Nut­zer galt, son­dern auch jeder Inter­net­nut­zer ausser­halb von Tik­Tok Inhal­te ein­se­hen konn­te, wur­de nicht mit­ge­teilt (und es wur­den zu vage Begrif­fe wie “may” ver­wen­det). Dar­in erkann­te die DPC sowohl eine Ver­let­zung von Art. 13 f. DSGVO. Dem­ge­gen­über war der all­ge­mei­ne Trans­pa­renz­grund­satz nicht ver­letzt. Im Anschluss an den EDSA ver­steht die DPC den Trans­pa­renz­grund­satz einschränkender:

    In the par­ti­cu­lar cir­cum­stances, I do not con­sider that TTL’s infor­ma­tio­nal defi­ci­ts con­sti­tu­te an inf­rin­ge­ment of Artic­le 5(l)(a). This is becau­se, while the inf­rin­ge­ments of Artic­les 12(1) and 13(l)(e) GDPR are serious in natu­re, they are not of such a natu­re that they extend bey­ond the con­fi­nes of tho­se spe­ci­fie artic­les and are not suf­fi­ci­ent­ly exten­si­ve to amount to an over­ar­ching inf­rin­ge­ment of the trans­pa­ren­cy prin­ci­ple. Spe­ci­fi­cal­ly, and having regard to EDPB Bin­ding Decis­i­on 01/2021, I do not con­sider that TTL’s infor­ma­tio­nal défi­ci­ts are of the natu­re or ext­ent descri­bed in EDPB Bin­ding Decis­i­on 1/2021 such that it might be said that the­re has been an inf­rin­ge­ment of the Artic­le 5(l)(a) GDPR trans­pa­ren­cy prin­ci­ple itself.

  • Ver­letzt war aber auch der Fair­ness-Grund­satz. Grund war “Nud­ging”: Bei den Kon­to­ein­stel­lun­gen konn­te der Nut­zer zwar die Opti­on “pri­vat” wäh­len; bei den ent­spre­chen­den Ein­stel­lun­gen wur­de er aber ein­ge­la­den, die Ein­stel­lung zu über­sprin­gen (“skip”):

Die DPC wies Tik­Tok des­halb an, die ent­spre­chen­den Ver­let­zun­gen in Ord­nung zu brin­gen, soweit Tik­Tok das nicht bereits getan hat­te. Die DPC ver­häng­te fer­ner eine Bus­se von ins­ge­samt EUR 345 Mio. Dabei hielt die DPC unter ande­rem fest,

  • dass für die mei­sten Ver­stö­sse kein Vor­satz nach­weis­bar war, mit Aus­nah­me der Tat­sa­che, dass Kon­ten by default öffent­lich waren;
  • dass im Anschluss an Erwä­gungs­grund 150 der kar­tell­recht­li­che Unter­neh­mens­be­griff mass­ge­bend ist für die Bestim­mung der Bus­sen­ober­gren­ze (basie­rend auf dem welt­wei­ten Jah­res­um­satz). Aus­zu­ge­hen ist von der wider­leg­ba­ren Ver­mu­tung, dass Kon­zern­un­ter­neh­men unter ein­heit­li­cher Lei­tung ste­hen, soweit eine Kon­zern­o­ber­ge­sell­schaft direkt oder indi­rekt einen bestim­men­den Ein­fluss hat. Nicht erfor­der­lich ist dabei ins­be­son­de­re, dass die Ober­ge­sell­schaft eine Ver­ant­wort­li­che ist, d.h. die kon­kre­te Daten­be­ar­bei­tung bestimmt. Wider­legt wür­de die Ver­mu­tung durch den Nach­weiss, dass die Gesell­schaft, deren Ver­stoss zur Dis­kus­si­on steht, mit “real auto­no­my” handelt;
  • die Höhe der Gesamt­bus­se ergibt sich aus Bus­sen für die ein­zel­nen Ver­stö­sse. Es ist also nicht nur der schwer­ste Ver­stoss zu bestim­men und des­sen Bus­se ange­mes­sen zu erhö­hen, son­dern die Bus­sen für die Ver­stö­sse sind zu addie­ren.

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