Moti­on Bôn­ho­te (06.3793): Gesetz­li­che Grund­la­gen für die Videoüberwachung

Moti­on Bôn­ho­te (06.3793): Gesetz­li­che Grund­la­gen für die Videoüberwachung
Abge­lehnt (21.06.2007)

Ein­ge­reich­ter Text

Der Bun­des­rat wird beauf­tragt, für die Video­über­wa­chung eine gesetz­li­che Grund­la­ge auszuarbeiten.

Die Gesetz­ge­bung soll nament­lich Fol­gen­des regeln: die nach dem Ver­hält­nis­mä­ssig­keits­prin­zip zuläs­si­gen Hand­lun­gen, die Infor­ma­ti­on der Öffent­lich­keit, die Dau­er der Auf­be­wah­rung der Auf­zeich­nun­gen, deren Kon­sul­ta­ti­on, Bear­bei­tung und Über­mitt­lung. Dabei gewährt sie den Kan­to­nen den not­wen­di­gen Handlungsspielraum.

Begrün­dung

Die Video­über­wa­chung brei­tet sich rasch aus. Zwar hat die Schweiz noch nicht eine so hohe Kon­troll­dich­te wie in Gross­bri­tan­ni­en erreicht, wo ein Fuss­gän­ger z. B. in Lon­don min­de­stens 300-mal pro Tag gefilmt wird. Aber die syste­ma­ti­sche Über­wa­chung des öffent­li­chen Rau­mes nimmt zu, und sie schafft recht­li­che Pro­ble­me, die durch die tech­ni­sche Ent­wick­lung noch ver­schärft wer­den. Kame­ras, die nur schlech­te Schwarz-Weiss-Bil­der auf­ge­zeich­net haben, gehö­ren der Ver­gan­gen­heit an. Heu­te sind hoch­auf­lö­sen­de Auf­nah­men durch Minia­tur­ka­me­ras mög­lich. Die Digi­tal­tech­nik ermög­licht es, gro­sse Infor­ma­ti­ons­men­gen auto­ma­tisch zu bear­bei­ten, zu ana­ly­sie­ren, zu ver­glei­chen, zu spei­chern und zu über­mit­teln. Die Gefahr, dass Frei­heits­rech­te tan­giert wer­den, ist dadurch stark gewach­sen. Der Ver­fas­sungs­grund­satz der Lega­li­tät ver­langt, dass so star­ke Ein­grif­fe sich auf eine gesetz­li­che Grund­la­ge stüt­zen. In sei­nem Urteil vom 14. Dezem­ber 2006 über die Anfech­tung eines Gemein­de­re­gle­ments durch einen St. Gal­ler Bür­ger hat das Bun­des­ge­richt das Feh­len einer sol­chen gesetz­li­chen Grund­la­ge bemängelt.

Die Anwen­dung des Ver­hält­nis­mä­ssig­keits­prin­zips ver­langt, dass die prä­ven­ti­ve Wir­kung der Video­über­wa­chung über­prüft wird und dass Kri­te­ri­en fest­ge­legt wer­den, nach denen sich ihr Ein­satz recht­fer­tigt. Zu regeln ist auch der Umgang mit den auf­ge­zeich­ne­ten Bil­dern. Die Dau­er ihrer Auf­be­wah­rung ist in den gel­ten­den und geplan­ten kan­to­na­len Gesetz­ge­bun­gen und Gemein­de­ord­nun­gen sehr unter­schied­lich fest­ge­legt: Die Span­ne reicht von 100 Tagen im Poli­zei­re­gle­ment der Stadt St. Gal­len bis zu 24 Stun­den im Gesetz­ent­wurf des Waadt­län­der Staats­ra­tes. Gere­gelt wer­den muss wei­ter das Recht, Bil­der zu über­mit­teln oder digi­tal aus­wer­ten zu las­sen, was es z. B. ermög­licht, Wege von Per­so­nen zu rekon­stru­ie­ren. Gere­gelt wer­den muss aber auch das Recht, über die Über­wa­chung infor­miert zu wer­den oder Auf­nah­men von sich selbst ein­zu­se­hen. Schliess­lich soll­te die Fra­ge der Über­wa­chung einer im öffent­li­chen Raum sicht­ba­ren beruf­li­chen Tätig­keit eben­falls geprüft werden.

Ange­sichts der Mobi­li­tät der Bevöl­ke­rung erscheint es nicht rat­sam, kan­to­na­le und kom­mu­na­le Rege­lun­gen ins Kraut schie­ssen zu las­sen, die einer bun­des­recht­li­chen Grund­la­ge entbehren.

Stel­lung­nah­me des Bundesrats

Behörd­li­che Video­über­wa­chun­gen erfol­gen heu­te auf­grund der all­ge­mei­nen ver­fas­sungs­recht­li­chen Ver­ant­wor­tung der Kan­to­ne für die öffent­li­che Ord­nung und Sicher­heit in der Mehr­zahl gestützt auf kan­to­na­les und kom­mu­na­les (Polizei-)Recht. Nur in weni­gen Fäl­len basie­ren Video­über­wa­chun­gen heu­te auf Bun­des­recht (an Bahn­hö­fen und in Zügen der SBB gestützt auf die Video­über­wa­chungs­ver­ord­nung, an der Lan­des­gren­ze gestützt auf die Ver­ord­nung über die Gelän­de­über­wa­chung mit Video­ge­rä­ten und das neue Zoll­ge­setz sowie an Flug­hä­fen gestützt auf das Bun­des­ge­setz über die Wah­rung der inne­ren Sicher­heit). Für Über­wa­chun­gen durch Pri­va­te gilt das Bun­des­ge­setz über den Datenschutz.

Die Situa­ti­on für Video­über­wa­chun­gen im öffent­lich zugäng­li­chen Raum erweist sich damit als recht­lich kom­plex, da sich nicht nur pri­va­te und öffent­li­che Zustän­dig­kei­ten über­schnei­den, son­dern auch kom­mu­na­le, kan­to­na­le und bun­des­recht­li­che Kompetenzen.

Auf­grund der oben dar­ge­stell­ten kom­ple­xen recht­li­chen Situa­ti­on beschloss der Bun­des­rat am 31. Janu­ar 2007, dass zunächst eine genaue Abklä­rung der ver­fas­sungs­recht­li­chen Zustän­dig­kei­ten des Bun­des nötig ist. Die­se Abklä­run­gen sol­len innert Jah­res­frist vom EJPD, dem UVEK, den Kan­to­nen und wei­te­ren zustän­di­gen Stel­len gemein­sam vor­ge­nom­men werden.

Für die all­fäl­li­ge Schaf­fung einer umfas­sen­den bun­des­recht­li­chen Grund­la­ge sind die Ergeb­nis­se die­ser Abklä­run­gen abzuwarten.

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