Das Bundesgericht hat sich im Urteil 6B_1188/2018 vom 26. September 2019 zur umstrittenen Frage geäussert, unter welchen Umständen private Aufnahmen aus Dashcam-Kameras im Strafverfahren verwertbar sind. Das Bezirksgericht Bülach hatte die Verwertbarkeit vorliegend bejaht, ebenso das Obergericht Zürich.
Das BGer geht von der etablierten Praxis aus,
dass von Privaten rechtswidrig erlangte Beweismittel nur verwertbar sind, wenn sie von den Strafverfolgungsbehörden rechtmässig hätten erlangt werden können und kumulativ dazu eine Interessenabwägung für deren Verwertung spricht […].
Bei der Interessenabwägung sei ferner von der gesetzlichen Interessenabwägung in Art. 141 Abs. 2 StPO auszugehen:
2 Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, dürfen nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich.
Zwar bezieht sich diese Bestimmung nur auf Beweise, die Strafbehörden erhoben haben, doch gelte dies auch für Private, denn:
Aus der Sicht der beschuldigten Person ist es unerheblich, durch wen die Beweise erhoben worden sind, mit welchen sie in einem gegen sie gerichteten Strafverfahren konfrontiert wird. Es erscheint deshalb angemessen, bei der Interessenabwägung im Sinne der oben erwähnten Rechtsprechung denselben Massstab wie bei staatlich erhobenen Beweisen anzuwenden.
Sodann seien Dashcam-Aufnahmen nicht erkennbar und folglich datenschutzwidrig (Art. 12 Abs. 2 lit. a DSG), was wohl richtig ist, aber zur spannenden Frage führt, ob ein Rechtfertigungsgrund i.S.v. Art. 13 Abs. 1 DSG dazu führt, dass das gerechtfertigt datenschutzwidrig erhobene Beweismittel verwertbar wird. Das Bundesgericht verneint diese Frage, weil im Strafprozess andere Kriterien gelten als im privaten Datenschutzrecht:
Bei der Frage, ob ein Rechtfertigungsgrund gemäss Art. 13 Abs. 1 DSG vorliegt, ist eine Abwägung zwischen den Interessen des Datenbearbeiters und denjenigen der verletzten Person vorzunehmen […]. Bei der Frage der strafprozessualen Verwertbarkeit eines Beweismittels sind hingegen der Strafanspruch des Staates und der Anspruch der beschuldigten Person auf ein faires Verfahren in erster Linie entscheidend; die Interessen des privaten Datenbearbeiters treten dabei zurück.
Da die Beweiserhebung also rechtswidrig war und nicht zur Aufklärung einer schweren Straftat diente, waren die Dashcam-Aufnahmen nicht verwertbar.
Das Urteil ist streng und lässt Fragen offen bzw bietet Ansatzpunkte für Kritik:
- Wenn die Datenerhebung datenschutzrechtlich gerechtfertigt war (was hier nicht zu prüfen war, aber vertretbar ist), inwiefern wäre denn dann der Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt? Denn bei der Rechtfertigung der intransparenten Aufnahme wäre ja auch der Umstand zu berücksichtigen, dass die Dashcam-Aufnahmen zur Beweissicherung dienen, auch im Hinblick auf ein Strafverfahren; die Interessenabwägung im Datenschutzrecht ist umfassend. Mit anderen Worten: Hätten die Bedenken des Bundesgerichts nicht in die datenschutzrechtliche Interessenabwägung einfliessen müssen, statt diese Abwägung hier gerade auszuschliessen? Das Vorgehen des BGer führt im Ergebnis jedenfalls lediglich dazu, das Interesse an Dashcam-Aufnahmen vollständig auszublenden.
- Macht es für den Betroffenen wirklich keinen Unterschied, ob Strafverfolgungsbehörden Beweismittel in rechtswidriger Weise erheben oder ob Private Beweismittel unter Verletzung von Transparenzvorschriften erheben? Die Interessenlage auch des Betroffenen ist hier doch jeweils eine ganz andere. Und dies gilt erst recht, wenn die private Aufnahme materiell gerechtfertigt wäre. Umso wichtiger wäre es gewesen, diese Frage zu prüfen.
- Das Verbot der Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel wird auch mit der Einheit der Rechtsordnung begründet. Aber verlangt nicht die Einheit der Rechtsordnung, dass die datenschutzrechtliche Rechtfertigung die Verwertung auch im Strafprozess zulässt?
Jedenfalls lässt sich aus dem Urteil nicht ableiten, dass datenschutzwidrig beschaffte Beweismittel auch im Zivilverfahren nur in seltenen Ausnahmen verwertbar sind. Hier gilt nach Art. 152 Abs. 2 ZPO eine freie Interessenabwägung; eine gesetzliche Konkretisierung bzw Abwägung fehlt. Das kann z.B. im Arbeitskontext eine Rolle spielen, wenn ein Arbeitgeber Hinweise auf Verstösse auf eine Weise erhoben hat, die den – hier besonders schwammigen – datenschutzrechtlichen Anforderungen vielleicht nicht im allen Punkten genügen.