Das Bun­des­ge­richt hat sich im zur amt­li­chen Publi­ka­ti­on vor­ge­se­he­nen und mit einer Medi­en­mit­tei­lung (31.10.2023) ange­kün­dig­ten Ent­scheid 6B_821/2021 zur Fra­ge geäu­ssert, unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen rechts­wid­rig erlang­te Beweis­mit­tel im Straf­ver­fah­ren ver­wert­bar sind.

Aus­gangs­punkt war ein Urteil des Kri­mi­nal­ge­richts des Kan­tons Luzern (im Schuld­punkt bestä­tigt durch das Kan­tons­ge­richt Luzern), das den Beschwer­de­füh­rer wegen diver­ser Ver­stö­sse u.a. gegen das SVG ver­ur­teilt hat­te. Die Ver­ur­tei­lung stütz­te sich auf Video­auf­nah­men, die bei einer Haus­durch­su­chung gegen den Vater des Beschwer­de­füh­rers gefun­den wor­den waren, auf einer Spei­cher­kar­te in einer GoPro-Kamera.

Das BGer hält die Ver­wer­tung die­ser Bewei­se für zuläs­sig. Zwar war die Haus­durch­su­chung gegen den Vater rechts­wid­rig, weil weder geeig­net noch erfor­der­lich, um Bewei­se für die frag­li­che Tat (die Geschwin­dig­keits­über­schrei­tung) zu fin­den. Nach Art. 141 Abs. 2 StPO dür­fen Bewei­se, die in straf­ba­rer Wei­se oder unter Ver­let­zung von Gül­tig­keits­vor­schrif­ten erho­ben wur­den, aber ver­wer­tet wer­den, sofern ihre Ver­wer­tung zur Auf­klä­rung schwe­rer Straf­ta­ten uner­läss­lich ist.

Es ist eine Inter­es­sen­ab­wä­gung durch­zu­füh­ren: Je schwe­rer die zu beur­tei­len­de Straf­tat, desto eher über­wiegt das Inter­es­se an der Wahrheitsfindung.

Ob eine Straf­tat “schwer” ist, hängt von der Schwe­re der kon­kre­ten Tat ab und nicht einer abstrak­ten Bewer­tung bestimm­ter Tat­be­stän­de oder Straf­an­dro­hun­gen. Vor­lie­gend bejaht das BGer, dass eine schwe­re Straf­tat vor­liegt, und das öffent­li­che Inter­es­se an der Auf­klä­rung der Delik­te über­wie­ge das pri­va­te Inter­es­se an der Unver­wert­bar­keit der Videoaufzeichnungen:

  • Der Beschwer­de­füh­rer hat­te den Tat­be­stand von Art. 90 Abs. 3 und Abs. 4 lit. b bzw. c SVG (vor­sätz­li­che Ver­let­zung ele­men­ta­rer Ver­kehrs­re­geln mit einem hohen Risi­ko eines Unfalls mit Schwer­ver­letz­ten oder Todes­op­fern) mehr­fach und wis­sent­lich erfüllt und wil­lent­lich nicht nur das Rechts­gut der Ver­kehrs­si­cher­heit, son­dern auch jenes des Lebens gefährdet.
  • Dies (schwe­re Straf­tat) gel­te vor­lie­gend auch für Ver­let­zun­gen von Art. 90 Abs. 2 (gro­be Ver­let­zung der Ver­kehrs­re­geln mit ernst­li­cher Gefahr für die Sicher­heit ande­rer), auf­grund fol­gen­der Umstän­de: Über­ho­len mit offen­sicht­lich krass über­setz­ter Geschwin­dig­keit, mas­si­ve Gefähr­dung eines aus der Gegen­rich­tung her­an­na­hen­den Motor­rad­fah­rers, Fah­ren in einer unüber­sicht­li­chen Rechts­kur­ve auf der lin­ken Fahr­bahn. Auch hier über­wie­ge das Aufklärungsinteresse.

Das Urteil des BGer ist inso­fern nicht ver­all­ge­mei­ner­bar, als es eben auf die Umstän­de des Ein­zel­falls ankommt. Es sind ent­spre­chend nicht alle Ver­let­zun­gen von Art. 90 Abs. 2 und 3 (4) SVG unbe­se­hen als schwe­re Straf­ta­ten einzustufen.