Die spa­ni­sche Daten­schutz­be­hör­de AEPD hat gegen ein Medi­en­un­ter­neh­men mit Ent­scheid vom 15. Mai 2025 eine Bus­se von EUR 30’000 ver­hängt, weil die Stim­men von min­de­stens drei min­der­jäh­ri­gen Per­so­nen – dar­un­ter Opfer und Täter einer Gewalt­tat – in einem online ver­öf­fent­lich­ten Nach­rich­ten­bei­trag nicht aus­rei­chend anony­mi­siert waren. Die Gesich­ter waren zwar ver­pi­xelt, aber die Stim­men nicht verfremdet.

Mass­ge­bend für die AEPD war, dass die Stim­me ein Per­so­nen­da­ten dar­stel­le. Auf­grund ihrer Ein­zig­ar­tig­keit und Wie­der­erkenn­bar­keit kön­ne eine Stim­me eine Per­son iden­ti­fi­zie­ren oder zumin­dest iden­ti­fi­zier­bar machen (Ori­gi­nal auf Spanisch):

Die Stim­me einer Per­son ist gemäß Arti­kel 4 Abs. 1 der Daten­schutz-Grund­ver­ord­nung (DSGVO) ein per­so­nen­be­zo­ge­nes Datum, da sie die Iden­ti­fi­zie­rung ermög­licht, und fällt somit in den Anwen­dungs­be­reich der DSGVO: […] 

Die Stim­me ist ein per­sön­li­ches, indi­vi­du­el­les Merk­mal jeder natür­li­chen Per­son und wird durch Ton­hö­he, Laut­stär­ke und Klang­far­be defi­niert. Sie besitzt ein­zig­ar­ti­ge und unver­wech­sel­ba­re Cha­rak­te­ri­sti­ka, die eine direk­te Zuord­nung zu einer bestimm­ten Per­son ermög­li­chen. Durch die Stim­me las­sen sich zudem Alter, Geschlecht, Gesund­heits­zu­stand, Per­sön­lich­keit, kul­tu­rel­ler Hin­ter­grund sowie hor­mo­nel­ler, emo­tio­na­ler und psy­chi­scher Zustand eines Indi­vi­du­ums erken­nen. Ele­men­te wie Aus­drucks­wei­se, Idio­lekt oder Into­na­ti­on sind eben­falls per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten, wenn sie im Zusam­men­hang mit der Stim­me betrach­tet werden.

Daher stellt der Bericht 139/2017 des Juri­sti­schen Dien­stes die­ser Behör­de fest, dass „das Bild sowie die Stim­me einer Per­son per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten sind, eben­so jede Infor­ma­ti­on, die eine direk­te oder indi­rek­te Fest­stel­lung ihrer Iden­ti­tät ermöglicht (…)“.

Eine nähe­re Ana­ly­se der Iden­ti­fi­ka­ti­ons­wahr­schein­lich­keit fin­det sich nicht. Aber die Iden­ti­fi­ka­ti­on wer­de durch KI erleich­tert:

Die heu­ti­ge Tech­no­lo­gie, ins­be­son­de­re die auf künst­li­cher Intel­li­genz basie­ren­den Tools, ermög­li­chen es, eine Per­son anhand ihrer Stim­me zu identifizieren.

Die Über­mitt­lung der unver­än­der­ten Stim­men sei für die Infor­ma­ti­on der Öffent­lich­keit auch nicht erfor­der­lich gewe­sen, und eine Ver­frem­dung der Stim­men ana­log zur Ver­pi­xelung wäre zumut­bar gewe­sen. – Neben der Bus­se wur­de das Unter­neh­men ver­pflich­tet, TOMs zur Ver­mei­dung ver­gleich­ba­rer Ver­let­zun­gen zu ergreifen.

Fol­gen­de Schluss­fol­ge­run­gen lie­gen nahe:

  • In prak­ti­scher Hin­sicht über­rascht der Ent­scheid nicht. Die Begrif­fe des Per­so­nen­da­tums (und der beson­ders schüt­zens­wer­ten Per­so­nen­da­ten) wer­den gene­rell weit ausgelegt.
  • Der Begriffs des Per­so­nen­da­tums wird hier risi­ko­ori­en­tiert aus­ge­legt. Bei Min­der­jäh­ri­gen wird der Per­so­nen­be­zug offen­bar wei­ter ver­stan­den, und die Ver­wen­dungs­ri­si­ken bei Stimm­auf­nah­men schei­nen eben­falls zurück­zu­wir­ken. Kon­zep­tio­nell ist das eigent­lich falsch. Die Iden­ti­fi­ka­ti­ons­wahr­schein­lich­keit steigt nicht per se, weil sich Daten auf Min­der­jäh­ri­ge bezie­hen oder beson­ders schüt­zens­wert sind. Das wäre viel­mehr im Ein­zel­fall zu prüfen.
  • Dass KI breit zur Ver­fü­gung steht, dürf­te in der Pra­xis aber eben­falls dazu füh­ren, die Iden­ti­fi­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten grund­sätz­lich höher ein­zu­schät­zen und damit den Anwen­dungs­be­reich des Daten­schutz­rechts aus­zu­wei­ten. Das ist nicht unbe­dingt falsch, ersetzt aber wie­der­um kei­ne Prü­fung im Einzelfall.
  • In Daten­schutz-Fol­gen­ab­schät­zun­gen soll­ten die­se Fak­to­ren ein­ge­zo­gen wer­den, insb. die Iden­ti­fi­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten durch Drit­te unter Berück­sich­ti­gung der heu­ti­gen oder für die nahe Zukunft zu erwar­ten­den Tech­no­lo­gie. Dabei kann auch geprüft wer­den, wel­che tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten zur Anony­mi­sie­rung (z.B. Voice Dis­tor­ti­on) ein­ge­setzt wer­den kön­nen. Für eine sol­che Prü­fung eig­nen sich DSFA, die oft auch auf frei­wil­li­ger Basis durch­ge­führt wer­den (Vor­la­ge). Sie kön­nen auch zum Ergeb­nis füh­ren, dass nicht von einer aus­rei­chen­den Iden­ti­fi­ka­ti­ons­mög­lich­keit aus­zu­ge­hen ist.