Die Europäische Kommission hat am 8. April 2025 den 24-seitigen “AI Continent Action Plan” vorgelegt. Der Plan soll der EU eine Führungsrolle im Bereich der KI sichern und die “Entwicklung und Einführung von KI-Lösungen zum Nutzen von Gesellschaft und Wirtschaft fördern”. Er beruht auf fünf Säulen:
1. KI-Infrastruktur und Rechenleistung:
- KI-Fabriken: 13 spezialisierte Datenzentren werden mit einem Budget von EUR 2 Mia. in 17 Mitgliedstaaten aufgebaut;
- KI-Gigafabriken: Grosse Rechenzentren sollen komplexe KI-Modelle trainieren können. Bis fünf dieser Gigafabriken werden mit einem Fonds von EUR 20 Mia. finanziert.
- Um Investitionsanreize zu schaffen, will die Kommission auch ein Gesetz zur Entwicklung von Cloud und KI vorschlagen (den “Cloud and AI Development Act”), mit dem Ziel, die Rechenzentrumskapazität der EU in den nächsten fünf bis sieben Jahren mindestens zu verdreifachen. Dabei sollen u.a. Genehmigungen beschleunigt und Ressourcen (Energie und Wasser) sichergestellt werden.
2. Zugang zu hochwertigen Daten
- Strategie für die Datenunion: Eine neue Strategie (“Data Union Strategy”) soll “einen echten Binnenmarkt für Daten schaffen, mit dem KI-Lösungen ausgebaut werden können” (ein Spannungsfeld mit der DSGVO ist absehbar);
- Data Labs: Datenzentren sollen helfen, Trainingsdaten für Entwickler bereitzustellen.
3. Algorithmen und Einführung von KI
- Die Kommission stellt fest, dass “trotz des Potenzials von KI” erst 13,5 % der Unternehmen in der EU “KI eingeführt” haben. Die Kommission will daher eine Strategie “KI anwenden” (“Apply AI Strategy”) auf den Weg bringen.
4. KI-Kompetenzen und ‑Talente: Die Kommission will die internationale Rekrutierung von KI-Experten und ‑Forschern erleichtern und die entsprechende Ausbildung verbessern.
5. Vereinfachung der Regulierung
- AI Act Service Desk: Unterstützung kleiner Unternehmen bei der Einhaltung der EU-KI-Regeln;
- Konsultationen: Einholen von Feedback zur Regulierung.
Der Plan wird durch das von Kommissionspräsidentin von der Leyen ins Leben gerufene InvestAI-Programm unterstützt, das insgesamt EUR 200 Mia. mobilisieren soll.
Die Kommission eröffnet zum Plan öffentliche bis Mitte Jahr dauernde Konsultationen.
Diese Initiative ist zu verstehen im Zusammenhang
- mit der Trump-Administration (auch wenn er Plan dies nicht aussspricht), u.a. den Drohungen von Vizepräsident Vance und der Entlassung mehrerer Mitglieder des Privacy and Civil Liberties Oversight Board (PCLOB) und der Federal Trade Commission (FTC) durch Trump, was nicht nur das (CH- und) EU-US Data Privacy Framework (DPF) gefährdet (das im hängigen Latombe-Fall (Rs. T‑553/23) ohnehin kritisch geprüft wird)
- und dem intensiven Wettbewerb um die Führungsrolle im Bereich der KI, in dem Europa bisher abgeschlagen ist (nicht unbedingt auf Ebene von KI-Anwendungen, aber auf Ebene der Infrastruktur).
Der Plan sagt dazu u.a.:
The EU currently lags behind the US and China in terms of available data centre capacity, relying heavily on infrastructure installed in and controlled by other regions of the world, that EU users access via the cloud. While access to innovative and affordable cloud services is vital for EU competitiveness, an excessive dependence on non-EU infrastructure may bring economic security risks and is a concern for European industry, key economic sectors and public administrations.
In der Schweiz manifestieren sich ähnliche Bedenken. Bspw. hat NR De Ventura eine Interpellation eingereicht (25.3383 – Risikobeurteilung der Cloud Version von Microsoft), die auf die Abhängigkeit von Microsoft zielt und dem Bundesrat einige entsprechende Fragen vorlegt (u.a. “Wäre der Bund bei einer sofortigen Einstellung von Microsoft Services nach wie vor handlungsfähig? Welche Einschränkungen wären zu erwarten?”).
Im selben Kontext steht auch das Bedauern der Datenschutzbeauftragten des Kantons Basel-Stadt, dass sich der Regierungsrat entschieden hat, in der kantonalen Verwaltung Microsoft 365 einzuführen:
Sie sieht darin eine erhebliche Schwächung der digitalen Souveränität und eine Gefährdung für die Grundrechte der Menschen im Kanton Basel-Stadt. […]
Die Datenschutzbeauftragte ist besonders überrascht darüber, dass der Regierungsrat ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt kritische Daten des Kantons in die Hände eines US-amerikanischen Tech-Konzerns gibt. So macht er sich weitgehend von den erratischen und besorgniserregenden politischen Entwicklungen in den USA abhängig. Dort intensivieren die Tech-Konzerne ihre Zusammenarbeit mit der US-Regierung. Derselben Regierung, die gegenwärtig grundlegende rechtstaatliche Garantien in Frage stellt, den Datenschutz aushöhlt und die Schweiz mit willkürlichen Zöllen belegt hat. Während in Europa die Bewegung zur Stärkung der digitalen Souveränität und Unabhängigkeit an Fahrt gewinnt, scheint sich der Kanton Basel-Stadt genau in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen. Auch innerhalb der Schweiz haben der Bund und viele andere Kantone die erheblichen Risiken von M365 erkannt und den Einsatz stark eingeschränkt. Der Bund beispielsweise hat die Nutzung von M365 für E‑Mail-Kommunikation und sensible Daten ausdrücklich ausgeschlossen. Dass Alternativen zu M365 bestehen, hat bereits eine vom Bund in Auftrag gegebene Studie vergangenes Jahr bestätigt. Die Datenschutzbeauftragte hatte den Regierungsrat auch darauf hingewiesen.