2C_653/2018: Amts­hil­fe an Frank­reich zur Fest­stel­lung der Iden­ti­tät von UBS-Kunden

In einem viel­be­ach­te­ten Urteil hat das Bun­des­ge­richt am 26. Juli 2019 die (2C_653/2018) die Bekannt­ga­be der Iden­ti­tät von mut­mass­li­chen in Frank­reich steu­er­pflich­ti­gen UBS-Kun­­­den durch die Schweiz an Frank­reich im Rah­men eines Amts­hil­fe­ver­fah­rens als recht­mä­ssig eingestuft.

Im Mai 2016 hat­te die fran­zö­si­sche Direc­tion Géné­ra­le des Finan­ces Publi­qus (DGFP) ein Amts­hil­fe­er­su­chen an die Eid­ge­nös­si­sche Steu­er­ver­wal­tung (ESTV) gerich­tet. Sie ver­lang­te gestützt auf Listen mit rund 40‘000 Kon­ten- und ande­ren Bank­num­mern die Iden­ti­tät und Kon­ten­stän­de der dazu­ge­hö­ri­gen Bank­kun­den der UBS. Die Kon­ten- und Bank­num­mern stamm­ten von mut­mass­lich in Frank­reich steu­er­pflich­ti­gen Per­so­nen. Die Listen wur­den in den Jah­ren 2012 und 2013 bei deut­schen Zweig­nie­der­las­sun­gen im Rah­men einer Straf­un­ter­su­chung in Deutsch­land beschlag­nahmt und spä­ter an Frank­reich übermittelt.

Nach­dem die ESTV dem Amts­hil­fe­er­su­chen im Jahr 2018 statt­ge­ge­ben hat­te, erhob die UBS dage­gen Beschwer­de an das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (BVGer). Die Beschwer­de der UBS wur­de mit Urteil des BVGer vom 30. Juli 2018 gut­ge­hei­ssen. Der Wei­ter­zug die­ses Urteils durch die ESTV hat nun zur höchst­rich­ter­li­chen Klä­rung der Fra­ge geführt, ob dem „Listen­er­su­chen“ Frank­reichs statt­zu­ge­ben ist.

Das Bun­des­ge­richt hat den Fall öffent­lich bera­ten. Die schrift­li­che Begrün­dung des Urteils steht noch aus. Das Urteil fiel mit drei befür­wor­ten­den Stim­men und zwei Gegen­stim­men knapp aus. Umstrit­ten war ins­be­son­de­re die Fra­ge, ob es sich beim Amts­hil­fe­ge­such um eine unzu­läs­si­ge Beweis­aus­for­schung bzw. „fishing expe­di­ti­on“ han­delt. Als „fishing expe­di­ti­ons“ gel­ten gemäss der gel­ten­den Pra­xis rein spe­ku­la­ti­ve Anfra­gen, wel­che kei­nen ersicht­li­chen Zusam­men­hang mit den lau­fen­den Nach­for­schun­gen oder Ermitt­lun­gen auf­wei­sen. Eine „fishing expe­di­ti­on“ ist mit den Wor­ten des Bun­des­ge­richts aus einem frü­he­ren Urteil ein Ver­lan­gen von „Infor­ma­tio­nen aufs Gera­te­wohl“ (BGE 141 II 436 S. 445 E. 4.4.3 m.w.H.; s. ESTV, Amts- und Rechts­hil­fe in Steu­er­sa­chen, Dezem­ber 2017, S. 8). Die Mehr­heit der Bun­des­rich­ter ver­nein­te im kon­kre­ten Fall das Vor­lie­gen einer „fishing expe­di­ti­on“. Ihrer Ansicht nach genüg­ten die von Frank­reich gemach­ten Anga­ben, um auf einen Ver­dacht ille­ga­len Ver­hal­tens zu schlie­ssen. Der Ver­dacht ille­ga­len Ver­hal­tens bezog sich dar­auf, dass „die Betrof­fe­nen zum Teil in Frank­reich steu­er­pflich­ti­ge Per­so­nen sei­en, die ihre fis­ka­li­schen Ver­pflich­tun­gen nicht erfüllt hät­ten“ (s. Medi­en­mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts). Das Bun­des­ge­richt kommt somit zum Schluss, dass es bei Listen- bzw. Grup­pen­er­su­chen aus­reicht, wenn ledig­lich ein Teil der Grup­pe – und nicht die gesam­te Grup­pe – ihren steu­er­recht­li­chen Pflich­ten nicht nach­ge­kom­men ist. Über die genaue Argu­men­ta­ti­on und den erfor­der­li­chen Nach­weis, dass der Ver­dacht besteht, bei einem Teil der Grup­pe hand­le es sich um Steu­er­sün­der in Frank­reich, wird hof­fent­lich die schrift­li­che Urteils­be­grün­dung wei­te­re Auf­schlüs­se bringen.

Wei­ter kommt die Mehr­heit der Bun­des­rich­ter zum Schluss, dass auch das Spe­zia­li­täts­prin­zip (wonach eine zweck­wid­ri­ge Ver­wen­dung der Daten unzu­läs­sig ist) eine Ver­wei­ge­rung nicht recht­fer­ti­ge. Einig waren sich die Bun­des­rich­ter dar­in, dass das Spe­zia­li­täts­prin­zip ein­zu­hal­ten ist. Die UBS hat­te in die­sem Zusam­men­hang befürch­tet, die Infor­ma­tio­nen könn­ten gegen sie ver­wen­det wer­den im lau­fen­den Straf­ver­fah­ren, wel­ches in Frank­reich wegen Geld­wä­sche­rei­vor­wür­fen gegen die UBS geführt wird. Um eine sol­che Ver­wen­dung und damit ein Ver­stoss gegen das Spe­zia­li­täts­prin­zip zu ver­hin­dern, hat das Bun­des­ge­richt expli­zi­te Zusi­che­run­gen der fran­zö­si­schen Behör­den ver­langt. Die von den fran­zö­si­schen Behör­den dazu gegen­über der Bun­des­ver­wal­tung abge­ge­ben Garan­ti­en erach­tet die Mehr­heit der Bun­des­rich­ter als ausreichend.

Das Urteil wird in ersten Reak­tio­nen mehr­heit­lich kri­tisch auf­ge­nom­men. In der Tat ist schwie­rig ein­zu­ord­nen, wo die Gren­ze zur unzu­läs­si­gen „fishing expe­di­ti­on“ noch ver­lau­fen soll, wenn der Ver­dacht einer fis­ka­li­schen Ver­feh­lung hin­sicht­lich eines Teils einer Grup­pe für ein Listen­ge­such genügt. Eine abschlie­ssen­de Ein­ord­nung und Wür­di­gung wird aller­dings erst nach Publi­ka­ti­on der schrift­li­chen Urteils­be­grün­dung mög­lich sein. Gro­sse Zwei­fel wer­den zudem zur Fra­ge erho­ben, ob sich Frank­reich auch tat­säch­lich an das Spe­zia­li­täts­prin­zip hal­ten wer­de oder ob die Daten nicht letzt­lich doch zweck­wid­rig wei­ter­ver­wen­det wer­den (oder zumin­dest fak­tisch zur Mei­nungs­bil­dung im fran­zö­si­schen Straf­ver­fah­ren gegen die UBS bei­tra­gen werden).

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