Das Bezirksgericht hat die Klage eines stellvertretenden Klinikdirektors gegen einen Suchmaschinenbetreiber – mutmasslich Google – abgewiesen, mit der Google zur Löschung von Links auf negative Beiträge gezwungen werden sollte. Strittig war dabei zunächst die Passivlegitimation des Suchmaschinenbetreibers, d.h. ob die Anzeige eines direkten Links auf verletzende Inhalte in einer Suchmaschine bereits eine “Mitwirkung” i.S.v. Art. 28 Abs. 1 ZGB darstellt (Link: Swisslex). Das Urteil ist nach einer Auskunft des Bezirksgerichts rechtskräftig.
Das BGer hat diese Frage im Urteil 5A_658/2014 i.S. Hirschmann angeschnitten, aber nicht beantwortet, weil es dort nur um allgemeine Links ging, nicht um direkte Links (Deep Links) auf verletzende Inhalte (E. 4.2):
Dem Handelsgericht ist darin beizupflichten, dass es für eine Mitwirkung im beschriebenen Sinn nicht genügt, wenn die Internetseite eines von der Beschwerdegegnerin 1 betriebenen Mediums oder die Internetseite der Beschwerdegegnerin 1 selbst einen allgemeinen Link auf die Internetseite einer Zeitung oder einer Radiostation enthält, die (gesellschaftsrechtlich und ökonomisch) von der Beschwerdegegnerin 1 beherrscht wird. Eine derartige “Verlinkung” ist zu unspezifisch, um die Verletzung durch einen konkreten Medienbericht verursachen, ermöglichen oder begünstigen zu können. Ob die Rechtslage anders zu beurteilen wäre, wenn die Beschwerdegegnerin 1 auf ihrer eigenen Internetseite oder auf der Internetseite eines von ihr herausgegebenen Presseerzeugnisses spezielle Links zu den eingeklagten Medienberichten von Radio 24 und/oder der Thurgauer Zeitung aufgeschaltet hätte, kann dahingestellt bleiben.
Das BezGer bejaht die Passivlegitimation des Betreibers für einen direkten Link auf persönlichkeitsverletzende Inhalte, im wesentlichen aufgrund der Bedeutung der Suchmaschinen bei der Informationsvermittlung und weil die Passivlegitimation angesichts der kommerziellen Interessen der Betreiberung als zumutbar eingestuft wird:
6.2.8 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hinsichtlich des Begriffs ‹Mitwirken› kann als weitgehend umschrieben werden, es genügt insbesondere die ‹Begünstigung› einer Persönlichkeitsverletzung. So kann insbesondere derjenige verantwortlich gemacht werden, der zur Übermittlung streitiger Äusserungen beiträgt, ohne selbst direkter Urheber zu sein oder deren Inhalt oder Urheber zu kennen […].
6.2.9 Suchmaschinenbetreiber tragen wesentlich dazu bei, Informationen im Netz einer breiten Masse von Nutzern zugänglich zu machen. Viele Informationen könnten ohne Suchmaschinen von einem Grossteil des Publikums nur schwerlich aufgefunden werden. Sie beeinflussen die Auffindbarkeit von (auch persönlichkeitsverletzenden) Artikeln massgeblich. In Anbetracht der Bedeutung, welche Suchmaschinen bei der Verbreitung von Informationen zukommt, kann nicht gefolgert werden, sie würden durch spezifische Links auf Beiträge von Webseiten, die persönlichkeitsverletzend sind, deren Verbreitung nicht begünstigen. Die Passivlegitimation ist folglich zu bejahen […].
6.2.10 Dazu kommt, dass die Beklagte durch das Betreiben einer Suchmaschine kommerzielle Interessen durch Werbeanzeigen verfolgt, was von ihr nicht in Abrede gestellt wird. Es ist mithin kein Grund ersichtlich, weshalb Suchmaschinen von ihrer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit in grundsätzlicher Weise entbunden sein sollten, zumal die Beklagte ja auch selbst die Möglichkeit zur Verfügung stellt, Löschanträge einzureichen bzw. Informationen aus der Suchmaschine entfernen zu lassen, womit sie eine gewisse Inhaltsprüfung gar selbst vornimmt. Zu beachten gilt es auch, dass eine Rechtsverfolgung von persönlichkeitsverletzenden Inhalten auf ausländischen Providern mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein kann. In diesen Fällen verbliebe zur Verhinderung einer Persönlichkeitsverletzung oftmals als einzig effektive Rechtsschutzmöglichkeit, die Suchmaschinen ins Recht zu fassen.
In der Sache weist das BezGer die Klage aber ab, weil sich die Betreiberin die streitbetroffenen Medienberichte nicht zu eigen macht und weil das Informationsintereresse überwiegt:
6.3.8 Es geht vorliegend um die Interpretation von Untersuchungsergebnissen. Dass sich die monierten Passagen in den drei Berichten als persönlichkeitsverletzend erweisen, liegt mithin nicht ohne Weiteres auf der Hand. In Anbetracht dessen und in Würdigung der dargelegten Interessen fällt die Abwägung im vorliegenden Fall zuungunsten des Klägers aus. Das heisst, selbst wenn die drei streitgegenständlichen Artikel als persönlichkeitsverletzend zu qualifizieren wären – was offengelassen werden kann –, wäre die Verletzung nicht widerrechtlich im Sinne von Art. 28 Abs. 2 ZGB, wie den nachfolgenden Erwägungen zu entnehmen ist.
6.3.9 Zwar ist die Verbreitung von unwahren persönlichkeitsverletzenden Tatsachen dem Grundsatz nach immer widerrechtlich (BGE 138 III 641 Erw. 4.1.2; BGE 129 III 49 Erw. 2.2). So hielt das Bundesgericht im Zusammenhang mit widerrechtlichen Äusserungen von Dritten durch Medienschaffende bereits fest, dass die Verbreitung von widerrechtlichen Äusserungen durch ein Medium unter gewissen Umständen rechtmässig sein könne. Davon sei insbesondere dann auszugehen, wenn die fremde Äusserung vollständig und wahrheitsgetreu dargestellt werde (objektiv richtige Wiedergabe), als solche gekennzeichnet sei und nicht als Originalmeinung des Verbreiters gewissermassen die eigene Sicht aufzeigend erscheine (erkennbare Distanzierung) und die Kenntnis davon für den Leser von Wert (Informationsinteresse) sei. Prazeller will diese Rechtsprechung auch auf Betreiber von Newswebseiten angewandt wissen, wenn Social-Media Inhalte einbezogen würden […].
6.3.10 […]. Eine objektiv richtige Wiedergabe der Berichte ist gewährleistet, da beim Klick auf den Link eine Weiterleitung auf die Webseite des ‹C.› erfolgt, von welcher die Inhalte abgerufen werden. Dadurch erfolgt auch eine erkennbare Distanzierung des Suchmaschinenbetreibers zu den Inhalten auf der Webseite des ‹C.›. Sodann kann ein Informationsinteresse aus den bereits ausgeführten Gründen bejaht werden. Selbst wenn die Berichterstattung unwahre Elemente enthielte, wäre dies – bei der beschriebenen Mitwirkung der Beklagten mit ihrer Suchmaschine – in Anbetracht der vorliegend vorgenommenen Interessenabwägung als Ausnahme im Sinne der angeführten Rechtsprechung hinzunehmen, insbesondere wenn effektive Rechtsschutzmöglichkeiten gegen das fragliche Medienunternehmen bzw. gegen die Autorenschaft zur Verfügung stehen.