Bez­Ger ZH (1.6.2018, CG160047): Pas­siv­le­gi­ti­ma­ti­on der Such­ma­schi­ne für Deep Links bejaht

Das Bezirks­ge­richt hat die Kla­ge eines stell­ver­tre­ten­den Kli­nik­di­rek­tors gegen einen Such­ma­schi­nen­be­trei­ber – mut­mass­lich Goog­le – abge­wie­sen, mit der Goog­le zur Löschung von Links auf nega­ti­ve Bei­trä­ge gezwun­gen wer­den soll­te. Strit­tig war dabei zunächst die Pas­siv­le­gi­ti­ma­ti­on des Such­ma­schi­nen­be­trei­bers, d.h. ob die Anzei­ge eines direk­ten Links auf ver­let­zen­de Inhal­te in einer Such­ma­schi­ne bereits eine “Mit­wir­kung” i.S.v. Art. 28 Abs. 1 ZGB dar­stellt (Link: Swiss­lex). Das Urteil ist nach einer Aus­kunft des Bezirks­ge­richts rechtskräftig.

Das BGer hat die­se Fra­ge im Urteil 5A_658/2014 i.S. Hirsch­mann ange­schnit­ten, aber nicht beant­wor­tet, weil es dort nur um all­ge­mei­ne Links ging, nicht um direk­te Links (Deep Links) auf ver­let­zen­de Inhal­te (E. 4.2):

Dem Han­dels­ge­richt ist dar­in bei­zu­pflich­ten, dass es für eine Mit­wir­kung im beschrie­be­nen Sinn nicht genügt, wenn die Inter­net­sei­te eines von der Beschwer­de­geg­ne­rin 1 betrie­be­nen Medi­ums oder die Inter­net­sei­te der Beschwer­de­geg­ne­rin 1 selbst einen all­ge­mei­nen Link auf die Inter­net­sei­te einer Zei­tung oder einer Radio­sta­ti­on ent­hält, die (gesell­schafts­recht­lich und öko­no­misch) von der Beschwer­de­geg­ne­rin 1 beherrscht wird. Eine der­ar­ti­ge “Ver­lin­kung” ist zu unspe­zi­fisch, um die Ver­let­zung durch einen kon­kre­ten Medi­en­be­richt ver­ur­sa­chen, ermög­li­chen oder begün­sti­gen zu kön­nen. Ob die Rechts­la­ge anders zu beur­tei­len wäre, wenn die Beschwer­de­geg­ne­rin 1 auf ihrer eige­nen Inter­net­sei­te oder auf der Inter­net­sei­te eines von ihr her­aus­ge­ge­be­nen Pres­se­er­zeug­nis­ses spe­zi­el­le Links zu den ein­ge­klag­ten Medi­en­be­rich­ten von Radio 24 und/oder der Thur­gau­er Zei­tung auf­ge­schal­tet hät­te, kann dahin­ge­stellt bleiben.

Das Bez­Ger bejaht die Pas­siv­le­gi­ti­ma­ti­on des Betrei­bers für einen direk­ten Link auf per­sön­lich­keits­ver­let­zen­de Inhal­te, im wesent­li­chen auf­grund der Bedeu­tung der Such­ma­schi­nen bei der Infor­ma­ti­ons­ver­mitt­lung und weil die Pas­siv­le­gi­ti­ma­ti­on ange­sichts der kom­mer­zi­el­len Inter­es­sen der Betrei­be­rung als zumut­bar ein­ge­stuft wird:

6.2.8 Die bun­des­ge­richt­li­che Recht­spre­chung hin­sicht­lich des Begriffs ‹Mit­wir­ken› kann als weit­ge­hend umschrie­ben wer­den, es genügt ins­be­son­de­re die ‹Begün­sti­gung› einer Per­sön­lich­keits­ver­let­zung. So kann ins­be­son­de­re der­je­ni­ge ver­ant­wort­lich gemacht wer­den, der zur Über­mitt­lung strei­ti­ger Äusse­run­gen bei­trägt, ohne selbst direk­ter Urhe­ber zu sein oder deren Inhalt oder Urhe­ber zu kennen […].

6.2.9 Such­ma­schi­nen­be­trei­ber tra­gen wesent­lich dazu bei, Infor­ma­tio­nen im Netz einer brei­ten Mas­se von Nut­zern zugäng­lich zu machen. Vie­le Infor­ma­tio­nen könn­ten ohne Such­ma­schi­nen von einem Gross­teil des Publi­kums nur schwer­lich auf­ge­fun­den wer­den. Sie beein­flus­sen die Auf­find­bar­keit von (auch per­sön­lich­keits­ver­let­zen­den) Arti­keln mass­geb­lich. In Anbe­tracht der Bedeu­tung, wel­che Such­ma­schi­nen bei der Ver­brei­tung von Infor­ma­tio­nen zukommt, kann nicht gefol­gert wer­den, sie wür­den durch spe­zi­fi­sche Links auf Bei­trä­ge von Web­sei­ten, die per­sön­lich­keits­ver­let­zend sind, deren Ver­brei­tung nicht begün­sti­gen. Die Pas­siv­le­gi­ti­ma­ti­on ist folg­lich zu bejahen […].

6.2.10 Dazu kommt, dass die Beklag­te durch das Betrei­ben einer Such­ma­schi­ne kom­mer­zi­el­le Inter­es­sen durch Wer­be­an­zei­gen ver­folgt, was von ihr nicht in Abre­de gestellt wird. Es ist mit­hin kein Grund ersicht­lich, wes­halb Such­ma­schi­nen von ihrer zivil­recht­li­chen Ver­ant­wort­lich­keit in grund­sätz­li­cher Wei­se ent­bun­den sein soll­ten, zumal die Beklag­te ja auch selbst die Mög­lich­keit zur Ver­fü­gung stellt, Lösch­an­trä­ge ein­zu­rei­chen bzw. Infor­ma­tio­nen aus der Such­ma­schi­ne ent­fer­nen zu las­sen, womit sie eine gewis­se Inhalts­prü­fung gar selbst vor­nimmt. Zu beach­ten gilt es auch, dass eine Rechts­ver­fol­gung von per­sön­lich­keits­ver­let­zen­den Inhal­ten auf aus­län­di­schen Pro­vi­dern mit erheb­li­chen Schwie­rig­kei­ten ver­bun­den sein kann. In die­sen Fäl­len ver­blie­be zur Ver­hin­de­rung einer Per­sön­lich­keits­ver­let­zung oft­mals als ein­zig effek­ti­ve Rechts­schutz­mög­lich­keit, die Such­ma­schi­nen ins Recht zu fassen.

In der Sache weist das Bez­Ger die Kla­ge aber ab, weil sich die Betrei­be­rin die streit­be­trof­fe­nen Medi­en­be­rich­te nicht zu eigen macht und weil das Infor­ma­ti­ons­in­te­rer­es­se über­wiegt:

6.3.8 Es geht vor­lie­gend um die Inter­pre­ta­ti­on von Unter­su­chungs­er­geb­nis­sen. Dass sich die monier­ten Pas­sa­gen in den drei Berich­ten als per­sön­lich­keits­ver­let­zend erwei­sen, liegt mit­hin nicht ohne Wei­te­res auf der Hand. In Anbe­tracht des­sen und in Wür­di­gung der dar­ge­leg­ten Inter­es­sen fällt die Abwä­gung im vor­lie­gen­den Fall zuun­gun­sten des Klä­gers aus. Das heisst, selbst wenn die drei streit­ge­gen­ständ­li­chen Arti­kel als per­sön­lich­keits­ver­let­zend zu qua­li­fi­zie­ren wären – was offen­ge­las­sen wer­den kann –, wäre die Ver­let­zung nicht wider­recht­lich im Sin­ne von Art. 28 Abs. 2 ZGB, wie den nach­fol­gen­den Erwä­gun­gen zu ent­neh­men ist.

6.3.9 Zwar ist die Ver­brei­tung von unwah­ren per­sön­lich­keits­ver­let­zen­den Tat­sa­chen dem Grund­satz nach immer wider­recht­lich (BGE 138 III 641 Erw. 4.1.2; BGE 129 III 49 Erw. 2.2). So hielt das Bun­des­ge­richt im Zusam­men­hang mit wider­recht­li­chen Äusse­run­gen von Drit­ten durch Medi­en­schaf­fen­de bereits fest, dass die Ver­brei­tung von wider­recht­li­chen Äusse­run­gen durch ein Medi­um unter gewis­sen Umstän­den recht­mä­ssig sein kön­ne. Davon sei ins­be­son­de­re dann aus­zu­ge­hen, wenn die frem­de Äusse­rung voll­stän­dig und wahr­heits­ge­treu dar­ge­stellt wer­de (objek­tiv rich­ti­ge Wie­der­ga­be), als sol­che gekenn­zeich­net sei und nicht als Ori­gi­nal­mei­nung des Ver­brei­ters gewis­ser­ma­ssen die eige­ne Sicht auf­zei­gend erschei­ne (erkenn­ba­re Distan­zie­rung) und die Kennt­nis davon für den Leser von Wert (Infor­ma­ti­ons­in­ter­es­se) sei. Pra­zel­ler will die­se Recht­spre­chung auch auf Betrei­ber von News­web­sei­ten ange­wandt wis­sen, wenn Soci­al-Media Inhal­te ein­be­zo­gen würden […].

6.3.10 […]. Eine objek­tiv rich­ti­ge Wie­der­ga­be der Berich­te ist gewähr­lei­stet, da beim Klick auf den Link eine Wei­ter­lei­tung auf die Web­sei­te des ‹C.› erfolgt, von wel­cher die Inhal­te abge­ru­fen wer­den. Dadurch erfolgt auch eine erkenn­ba­re Distan­zie­rung des Such­ma­schi­nen­be­trei­bers zu den Inhal­ten auf der Web­sei­te des ‹C.›. Sodann kann ein Infor­ma­ti­ons­in­ter­es­se aus den bereits aus­ge­führ­ten Grün­den bejaht wer­den. Selbst wenn die Bericht­erstat­tung unwah­re Ele­men­te ent­hiel­te, wäre dies – bei der beschrie­be­nen Mit­wir­kung der Beklag­ten mit ihrer Such­ma­schi­ne – in Anbe­tracht der vor­lie­gend vor­ge­nom­me­nen Inter­es­sen­ab­wä­gung als Aus­nah­me im Sin­ne der ange­führ­ten Recht­spre­chung hin­zu­neh­men, ins­be­son­de­re wenn effek­ti­ve Rechts­schutz­mög­lich­kei­ten gegen das frag­li­che Medi­en­un­ter­neh­men bzw. gegen die Autoren­schaft zur Ver­fü­gung stehen.

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