Das Bundesgericht hat sich im französischsprachigen Urteil 1C_367/2020 (zur amtl. Publ. vorgesehen) zum sachlichen Anwendungsbereich des BGÖ geäussert: Der Ausschlussgrund für Prozessakten nach Art. 3 Abs. 1 Bst. a BGÖ ist restriktiv zu verstehen. Ein loser Zusammenhang zu einem Verfahren genügt demnach nicht. Vielmehr müssen die Dokumente «précisément la procédure au sens strict» betreffen.
Streitgegenstand dieses Urteils vom 12. Januar 2021 war ein Prüfbericht über zwei subventionierte Unternehmen im Bereich Schifffahrt und Gastronomie. Ein Journalist hatte um Zugang zum Dokument ersucht, während gegen die Geschäftsführer noch Straf- und Zivilverfahren hängig waren. Aus Rücksicht auf diese laufenden Verfahren hatte das Neuenburger Kantonsgericht die Zuständigkeit des kantonalen Datenschutzbeauftragten verneint.
Grundlage dieses Entscheids war die Interkantonale Vereinbarung zwischen den Kantonen Jura und Neuenburg vom 8. und 9. Mai 2012 über den Datenschutz und das Öffentlichkeitsprinzip (CPDT-JUNE, vgl. BBl 2013 619). Diese stellt in Art. 69 Abs. 1 zunächst den Grundsatz auf, dass jede Person das Recht hat, amtliche Dokumente einzusehen (vgl. Art. 6 Abs. 1 BGÖ). Davon ausgenommen sind, wie nach Art. 3 Abs. 1 Bst. a BGÖ, Dokumente im Zusammenhang mit laufenden Verfahren:
«L’accès aux documents officiels ayant trait aux procédures et arbitrages pendants est régi par les dispositions de procédure.» (Art. 69 Abs. 2 CPDT-JUNE)
Das Bundesgericht konzentrierte sich auf die Frage, was mit «ayant trait aux» (bzw. «concernant» in Art. 3 Abs. 1 Bst. a BGÖ) gemeint ist. Dabei stützte es sich im Wesentlichen auf die bundesrätliche Botschaft zum BGÖ, in der es heisst:
«Der Zugang zu Dokumenten, die die in Artikel 3 [Absatz 1] Buchstabe a aufgezählten Verwaltungsrechtspflege- und Justizverfahren betreffen, richtet sich nach den anwendbaren Verfahrensgesetzen. Dokumente, die zwar in einem weiteren Zusammenhang mit einem solchen Verfahren stehen, aber keinen Eingang in die Verfahrensakten im engeren Sinn finden, sind dagegen grundsätzlich nach dem Öffentlichkeitsgesetz zugänglich. Der Schutz der freien Meinungs- und Willensbildung einer Behörde kommt in einem solchen Fall dann zur Anwendung, wenn die Bekanntmachung eines amtlichen Dokuments geeignet ist, den Verlauf eines hängigen Verfahrens oder vorbereitende Handlungen zu beeinflussen.» (BBl 2003 1963; s. FF 2003 1850)
Um den zugrunde liegenden Konflikt zwischen Öffentlichkeitsprinzip und geordnetem Verfahrenslauf zu entschärfen, nahm das Bundesgericht eine Triage vor:
«d’une part, entre les documents élaborés en dehors d’une procédure judiciaire (et pas non plus explicitement en vue d’une telle procédure) et, d’autre part, les documents qui ont été ordonnés expressément dans le cadre d’une procédure judiciaire (par exemple un échange d’écritures ou une expertise mise en œuvre par les autorités judiciaires). C’est seulement pour ces derniers que le principe de la transparence ne s’applique pas; les autres documents demeurent accessibles en vertu du principe de la transparence […]. Les termes ‹ayant trait […] et ‹concernant› […] se comprennent ainsi comme visant des documents qui concernent précisément la procédure au sens strict (actes qui émanent des autorités judiciaires ou de poursuite ou qui ont été ordonnés par elles) et non ceux qui peuvent se trouver dans le dossier de procédure au sens large.» (E. 3.4)
Namentlich bei blossen Beweismitteln ohne engen Zusammenhang zum angefochtenen Entscheid oder zum Streitgegenstand greift mithin kein Ausschlussgrund. Andernfalls könnte ein nur lose zusammenhängendes Verfahren sozusagen als Blackbox vorgeschützt werden, um ein Dokument dem Anwendungsbereich der Vereinbarung bzw. des BGÖ zu entziehen.
Im vorliegenden Fall verneinte das Bundesgericht einen inneren Zusammenhang zwischen dem angeforderten Dokument und den laufenden Verfahren («aucun lien intrinsèque», E. 3.5). Es hiess die Beschwerde gut und wies die Sache zur Neubeurteilung an den Neuenburger Staatsrat zurück.