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BGer 1C_500/2020: kein Ver­trau­lich­keits­vor­be­halt beim Swisscom-Datenleck

Der Zugang zu amt­li­chen Doku­men­ten kann ver­wei­gert wer­den, wenn eine Pri­vat­per­son die­se frei­wil­lig über­mit­telt und die Behör­de deren Geheim­hal­tung zuge­si­chert hat (Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ). Den­noch schützt nicht jede Ver­trau­lich­keits­ab­re­de vor einer Ein­sicht­nah­me nach dem Öffent­lich­keits­ge­setz. Instruk­tiv dafür ist das Bun­des­ge­richts­ur­teil 1C_500/2020 vom 11. März 2021.

In die­sem Fall hat­te die Swis­s­com die Her­aus­ga­be von Doku­men­ten an das West­schwei­zer Fern­se­hen abwen­den wol­len. Betrof­fen war die Kor­re­spon­denz mit dem EDÖB, der die Swis­s­com im Rah­men von Art. 28 DSG bera­ten hat­te, als die­se sich 2017 mit einem grö­sse­ren Daten­leck kon­fron­tiert sah.

Unstrit­tig war, dass der EDÖB im Tele­fo­nat vom 22. Dezem­ber 2017 der Swis­s­com zuge­si­chert hat­te, die ihm anver­trau­ten Infor­ma­tio­nen ver­trau­lich zu behan­deln (E. 3.3.1). Streit­punkt des fol­gen­den Ver­fah­rens war die Fra­ge nach dem Umfang die­ser «garan­tie».

Der EDÖB woll­te die gege­be­ne Zusi­che­rung äusserst eng ver­stan­den wis­sen, indem er bloss dar­auf ver­zich­tet habe, von sich aus an die Öffent­lich­keit zu gehen. Nach sei­nem Dafür­hal­ten erschöpf­te sich die ver­ein­bar­te Ver­trau­lich­keit dar­in, der Swis­s­com Gele­gen­heit gege­ben zu haben, die Betrof­fe­nen selbst zu infor­mie­ren – was mit dem Pres­se­com­mu­ni­qué vom 7. Febru­ar 2018 auch gesche­hen sei. Im Ergeb­nis wür­de das Öffent­lich­keits­prin­zip sei­nes Gehalts ent­leert, wenn die Ver­wal­tung in syste­ma­ti­scher Wei­se Frei­sch­ei­ne in Form sol­cher Zusi­che­run­gen aus­stel­len könn­te (E. 3.3.2).

Eben­falls nach Sinn und Zweck argu­men­tier­ten die Beschwer­de­füh­re­rin­nen, indem sie umge­kehrt die ver­ein­bar­te Geheim­hal­tung ihres Zwecks beraubt sahen. Ihrer Ansicht nach hat­ten sie in guten Treu­en davon aus­ge­hen dür­fen, dass die Geheim­hal­tung auch all­fäl­li­ge BGÖ-Gesu­che umfas­se. Die gegen­tei­li­ge Annah­me sei denn auch «absurd», weil die Swis­s­com sich kei­nes­falls auf eine sol­che Ver­ein­ba­rung ein­ge­las­sen hät­te im Wis­sen, dass die­se über das BGÖ mühe­los umgan­gen wer­den könn­te (E. 3.3.2).

Das Bun­des­ge­richt schloss sich der Ansicht des EDÖB an und befand, dass die Ver­trau­lich­keits­ab­re­de den Anfor­de­run­gen von Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ nicht genü­ge. Eine sol­che kön­ne nur «très rest­ric­ti­ve et au cas par cas» ange­nom­men wer­den (E. 3.2). Gestützt auf die bun­des­rät­li­che Bot­schaft, die Pra­xis des EDÖB und die hier­in ein­hel­li­ge Leh­re for­mu­lier­te es dafür drei kumu­la­ti­ve Voraussetzungen:

  • Die Infor­ma­ti­on muss durch eine Pri­vat­per­son mit­ge­teilt wer­den (und nicht durch eine ande­re, dem Trans­pa­renz­grund­satz eben­so ver­pflich­te­te Behörde);
  • Die Mit­tei­lung muss frei­wil­lig und in Abwe­sen­heit einer recht­li­chen oder son­sti­gen Pflicht erfol­gen («libre­ment, c’est-à-dire […] sans con­train­te»);
  • Die Zusi­che­rung muss unmiss­ver­ständ­lich erteilt und aus­drück­lich ver­langt wer­den («expres­sé­ment accor­dé […] à la deman­de expli­ci­te»).

Dass der Geset­zes­text kei­ne Form­vor­schrift ent­hält, räum­te das Bun­des­ge­richt ein, beton­te aber im sel­ben Atem­zug, dass die Schrift­form sich nur schon aus Beweis­grün­den auf­drän­ge. Auch dem Hilfs­ar­gu­ment, dass der EDÖB die Swis­s­com nach Treu und Glau­ben über sein offen­bar abwei­chen­des Ver­ständ­nis hät­te auf­klä­ren müs­sen, erteil­te das Bun­des­ge­richt eine deut­li­che Absage:

«L’administration publi­que n’est en effet pas tenue, de sa pro­pre initia­ti­ve, d’attirer l’attention des pri­vés sur la con­fi­den­tia­li­té […].» (E. 3.3.2 a.E.)

Dass die Swis­s­com ihre Anga­ben noch im Janu­ar 2018 als «geheim» ver­merkt und als «natür­lich wei­ter­hin ver­trau­lich» bezeich­net hat­te, erwies sich damit als unbe­hel­f­lich. Dies umso mehr, als die invol­vier­ten Kader «suf­fi­sam­ment qua­li­fi­és en matiè­re de pro­tec­tion des don­nées» waren und sich ent­spre­chend nicht mit münd­li­chen Zusa­gen hät­ten begnü­gen dür­fen (E. 3.3.2).

Schliess­lich ver­fing auch die Beru­fung auf eine feh­ler­haft vor­ge­nom­me­ne Inter­es­sen­ab­wä­gung nach Art. 7 Abs. 2 BGÖ nicht: Die Vor­in­stanz habe den Per­sön­lich­keits­in­ter­es­sen aus­rei­chend Rech­nung getra­gen, indem sie die Anga­ben der betei­lig­ten Ange­stell­ten anony­mi­siert und zusätz­lich eine Zahl geschwärzt habe (E. 4.2). Die Beschwer­de wur­de voll­um­fäng­lich abgewiesen.

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