- Das Bundesgericht entschied, dass der Kanton Aargau Einsicht in WEKO-Untersuchungen erhält.
- Einsichtsgesuche erfordern keine rechtskräftige Feststellung eines Kartellrechtsverstosses.
- Eine Verjährungsgefahr könnte den Kanton Aargau stark benachteiligen.
- Das Bundesgericht hob den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts mit scharfer Kritik auf.
Der Kanton Aargau erhält Einsicht in WEKO-Untersuchungen gegen zwei Baufirmen. Dies entschied das Bundesgericht am 18. März 2021 (BGer 2C_1039/2018, 2C_1052/2018; in den tragenden Erwägungen gleich: BGer 2C_1040/2018, 2C_1051/2018). In Fünferbesetzung und mit ungewöhnlich scharfen Worten hob es damit den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts auf. Dieses hatte die Einsichtnahme an die Bedingung geknüpft, dass das Sanktionsverfahren abgeschlossen und ein Kartellrechtsverstoss festgestellt sei.
Im Ausgangspunkt hatte die Weko 18 Unternehmen für die Teilnahme an Wettbewerbsabreden im Strassen- und Tiefbau gebüsst. In der Folge beantragte der Kanton Aargau Einsicht in die Verfahrensakten, um Schadenersatzsprüche abzuklären und gegebenenfalls Firmen von Submissionen auszuschliessen. Die Weko hiess das Gesuch teilweise gut. Dagegen erhoben zwei Unternehmen erfolgreich Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht.
Kern der Auseinandersetzung war Art. 19 Abs. 1 Bst. a DSG. Demzufolge dürfen Bundesorgane Personendaten bekannt geben, wenn diese «für den Empfänger im Einzelfall zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgabe unentbehrlich sind». Davon ausgehend hatte das Bundesverwaltungsgericht die Daten aus zwei Überlegungen heraus für entbehrlich befunden:
«Zusammengefasst erscheint die Rechtskraft der Sanktionsverfügung (oder eines an deren Stelle tretenden Urteils) als notwendige Bedingung, um überhaupt das Kriterium der Unentbehrlichkeit prüfen zu können. Sodann ist erforderlich, dass zumindest ein Kartellrechtsverstoss festgestellt wurde, anderenfalls die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs als derart unwahrscheinlich erscheint, dass bereits im Amtshilfeverfahren eine zweckmässige Verwendung der Daten mit hinreichender Gewissheit ausgeschlossen werden kann.»
(BVGer A‑604/2018, E. 8.5; gleichlautend BVGer A‑592/2018, E. 9.5)
Das Bundesgericht zerlegte minutiös Art. 19 Abs. 1 Bst. a DSG in seine Bestandteile und erklärte, was in dieser Hinsicht unter «Daten» (E. 4.2), «Empfängern» (E. 5.2), der «Erfüllung gesetzlicher Aufgaben» (E. 5.3) und deren «Unentbehrlichkeit» (E. 5.4) zu verstehen ist. Im letzten Punkt wurde es sehr deutlich: Die Vorinstanz habe «einen unzulässigen Standpunkt» eingenommen, «wesentliche Aspekte übersehen», andere Aspekte «mit keinem Wort erwähnt» und sich «unzulässigerweise sowohl an die Stelle des Kantons Aargau als auch die Stelle des Zivilgerichts gesetzt» (E. 5.4.8.2).
Materiell entschied das Bundesgericht, dass Einsichtsgesuche nach Art. 19 Abs. 1 Bst. a DSG weder den Eintritt der Rechtskraft noch die Feststellung eines Kartellrechtsverstosses voraussetzen (E. 5.4.8.1). Neben systematischen und verfassungsrechtlichen Argumenten führte es namentlich ein praktisches an:
«Die Vorinstanz setzt mit ihrer Rechtsprechung, wonach erst dann Einsicht in Daten gewährt werden kann, wenn das Sanktionsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, den Kanton Aargau zudem der Gefahr aus, dass seine potentiellen Forderungen verjähren.» (E. 5.4.8.3)
Aus Rücksicht auf diese Verjährungsfristen und die bisherige Verfahrensdauer entschied das Bundesgericht gleich selbst in der Sache (E. 6.1), hiess die Beschwerde gut und bestätigte im Wesentlichen die Verfügung der WEKO (E. 9.1). Im Gegensatz zur Vorinstanz, die das Verfahren auf Gesuch hin anonym durchgeführt hatte, nahm es auch den Namen der Beschwerdegegnerin wie üblich ins Rubrum auf und verzichtete auf eine anonymisierte Urteilsauflage (E. 8).