BGer (4A_105/2024): Recht­fer­ti­gung des Ver­trags (Infor­ma­ti­ons­be­schaf­fung im Mietverhältnis)

Das Bun­des­ge­richt hat sich in einer miet­recht­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung am Ran­de zu einem daten­schutz­recht­li­chen The­ma geäu­ssert (4A_105/2024 vom 19. August 2024). Es ging um eine bis vor OGer ZH erfolg­rei­che Kla­ge, eine Miet­ver­trags­än­de­rung für eine städ­ti­sche Woh­nung – der Klä­ger hät­te mit die­ser Ände­rung zuviel ver­dient, um Mie­ter der Woh­nung blei­ben zu kön­nen – sei als ungül­tig resp. miss­bräuch­lich auf­zu­he­ben. Das BGer heisst die Beru­fung gut, schützt die Ände­rung also.

Bestand­teil der Ände­rung war eine Klau­sel zur Infor­ma­ti­ons- und Aus­kunfts­pflicht und eine Aus­kunfts­be­voll­mäch­ti­gung, damit die Ver­mie­te­rin die not­wen­di­gen Infor­ma­tio­nen beschaf­fen kann, was das BGer als legi­tim ein­stuft, und zwar auch aus daten­schutz­recht­li­cher Warte:

Die Daten­be­schaf­fung und ‑bear­bei­tung ist auch nach den Bestim­mun­gen des eid­ge­nös­si­schen Daten­schutz­rechts rech­tens. Es liegt ein Recht­fer­ti­gungs­grund gemäss Art. 31 Abs. 2 lit. a DSG vor. Die Daten­be­ar­bei­tung ist im unmit­tel­ba­ren Zusam­men­hang mit der Ver­trags­ab­wick­lung erfor­der­lich und liegt daher im über­wie­gen­den Inter­es­se der Beschwer­de­füh­re­rin […]. […] Es ist ohne Belang, ob im Pri­vat­recht eine all­ge­mei­ne Infor­ma­ti­ons­pflicht unter Ver­trags­par­tei­en besteht. […] Schliess­lich gilt die Ver­trags­er­fül­lung selbst dann als soli­der Recht­fer­ti­gungs­grund, wenn es um die Bear­bei­tung von Daten trotz Wider­spruchs geht […].
Inter­es­sant sind dabei meh­re­re Punkte:
  • Das BGer behan­delt den Recht­fer­ti­gungs­grund des Ver­trags­zu­sam­men­hangs (Art. 32 Abs. 2 lit. a DSG) nicht wie ein Indiz, son­dern wie eine Rechts­grund­la­ge. Kon­zep­tio­nell sind die Tat­be­stän­de von Art. 32 Abs. 2 DSG weder Fik­tio­nen noch Ver­mu­tun­gen, son­dern nur – aber immer­hin – Leit­li­ni­en für die Inter­es­sen­ab­wä­gung. Wenn das BGer sagt, die Ver­trags­er­fül­lung sei auch bei Wider­spruch ein “soli­der Recht­fer­ti­gungs­grund”, ist ihm im Ergeb­nis kaum zu wider­spre­chen. Den­noch wäre eine Inter­es­sen­ab­wä­gung durch­zu­füh­ren – der Wider­spruch als sol­cher mag zwar irrele­vant sein, aber die dar­in ggf. zum Aus­druck kom­men­den schüt­zens­wer­ten Inter­es­sen sind durch­aus relevant.
  • Das BGer macht mit dem The­ma Daten­schutz recht kur­zen Pro­zess – das ist rich­tig, nach der Lek­tü­re aus­län­di­scher Recht­spre­chung aber wohltuend.
  • Der Hin­weis auf die all­ge­mei­ne Infor­ma­ti­ons­pflicht bezieht sich nicht auf die daten­schutz­recht­li­che Infor­ma­ti­ons­pflicht, son­dern eine – ver­nein­te – zivil­recht­li­che Pflicht, den Ver­trags­part­ner zu infor­mie­ren. Man kann aus dem Urteil also nicht ablei­ten, dass eine Ver­let­zung der Infor­ma­ti­ons­pflicht nach Art. 19 f. DSG nicht auf die Recht­mä­ssig­keit der Bear­bei­tung durch­schlägt (was sie aber natür­lich nicht tut).

Das OGer ZH war hat­te die Kla­ge noch gut­ge­hei­ssen, auch unter daten­schutz­recht­li­chen Gesichts­punk­ten; dies aller­dings nicht, weil es hier eine ande­re Mei­nung als das BGer ver­tre­ten hät­te, son­dern weil es die Ver­trags­än­de­rung als zivil­recht­lich nich­tig betrach­te­te, wes­halb natür­lich auch die ent­spre­chen­de Daten­be­schaf­fung unver­hält­nis­mä­ssig – weil fol­gen­los – sein musste.

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