BGer 4A_518/2020: Art. 328b OR kei­ne Ver­bots­norm, son­dern Bearbeitungsgrundsatz

Das Bun­des­ge­richt befand im Urteil 4A_518/2020 vom 25. August 2021, dass eine Daten­be­ar­bei­tung, die gegen Art. 328b OR ver­stösst, zwar rechts­wid­rig ist, sich ggf. aber auf einen Recht­fer­ti­gungs­grund gem. Art. 13 DSG stüt­zen kann.

Die Par­tei­en hat­ten im Arbeits­ver­trag den Gebrauch eines Fir­men­han­dys zu aus­schliess­lich beruf­li­chen Zwecken ver­ein­bart. Der Arbeit­neh­mer gab das zurück­ge­setz­te Fir­men­han­dy anläss­lich der Kün­di­gung an die Arbeit­ge­be­rin zurück. Um Beweis­ma­te­ri­al mit Blick auf das anste­hen­de Ver­fah­ren sicher­zu­stel­len, ver­schaff­te sich die Arbeit­ge­be­rin Zugang zu pri­va­ten Whats­App-Ver­läu­fen des Arbeit­neh­mers. Für die dadurch erlit­te­ne see­li­sche Unbill spra­chen die Gerich­te dem Arbeit­neh­mer eine Ent­schä­di­gung in Höhe von CHF 5’000 zu.

Das Bun­des­ge­richt erwog, dass eine Daten­be­ar­bei­tung zum Zweck der Beweis­erhe­bung zwar vor Art. 328b OR stand­hal­ten kann, dabei jedoch das Ver­hält­nis­mä­ssig­keits­prin­zip zu beach­ten sei. Weil die Arbeit­ge­be­rin über mil­de­re Mass­nah­men ver­fügt hät­te, die das­sel­be Ziel erreicht hät­ten, habe die­se Daten­be­ar­bei­tung gegen die­ses Prin­zip ver­sto­ssen. Obschon im Arbeits­ver­trag fest­ge­legt wur­de, dass das Fir­men­han­dy nur für beruf­li­che Zwecke hät­te genutzt wer­den dür­fen, habe die Arbeit­ge­be­rin zudem gewusst, dass der Arbeit­neh­mer das Fir­men­han­dy pri­vat nutz­te. Sie habe ihm näm­lich die Mög­lich­keit gege­ben, pri­va­te Daten vor der Rück­ga­be zu löschen. Es ver­sto­sse daher gegen Treu und Glau­ben, fünf Mona­te nach der Rück­ga­be des Fir­men­han­dys auf pri­va­te Daten des Arbeit­neh­mers zuzugreifen.

Bemer­kens­wert sind aber vor allem die Äusse­run­gen des Bun­des­ge­richts zu Art. 328bOR. Es stellt vor­ab fest, dass in der Leh­re Dis­sens hin­sicht­lich der Trag­wei­te und Natur von Art. 328b OR bestehe. Ein Teil der Leh­re ist der Auf­fas­sung, jede Daten­be­ar­bei­tung ohne Arbeits­platz­be­zug gem. Art. 328b OR sei per se unzu­läs­sig. Art. 328b OR sei eine Ver­bots­norm. Dem­ge­gen­über wird ver­tre­ten, dass Art. 328b OR das Ver­hält­nis­mä­ssig­keits­prin­zip und das Gebot der Zweck­bin­dung kon­kre­ti­sie­re. Damit kämen die Recht­fer­ti­gungs­grün­de des DSG auch im Anwen­dungs­be­reich von Art 328b OR zur Anwen­dung. Inso­fern hand­le sich bei Art 328b OR um einen Bearbeitungsgrundsatz.

Das Bun­des­ge­richt setz­te sich mit der Leh­re nicht näher aus­ein­an­der. Es bemerk­te ledig­lich, aber immer­hin, die herr­schen­de Leh­re sei der Auf­fas­sung, es hand­le sich bei Art. 328b OR um eine Kon­kre­ti­sie­rung des Ver­hält­nis­mä­ssig­keits­prin­zips und des Grund­sat­zes der Zweck­bin­dung hand­le:

Pour la majo­ri­té tou­te­fois, cet­te nor­me con­cré­ti­se les prin­cipes de pro­por­ti­on­na­li­té et de fina­li­té ancrés à l’art. 4 al. 2 et 3 LPD (E. 4.2.4).

Dem­nach kön­ne sich eine Daten­be­ar­bei­tung, die gegen Art. 328b OR ver­stösst, ggf. auf einen Recht­fer­ti­gungs­grund im Sin­ne von Art. 13 DSG stützen.

Lorsque le trai­te­ment de don­nées n’ent­re pas dans le cad­re de l’art. 328b CO, il est pré­su­mé illi­ci­te et doit pou­voir se fon­der sur un aut­re motif justi­fi­ca­tif au sens de l’art. 13 LPD (E. 4.2.4).

Damit bestä­tigt das Bun­des­ge­richt einer­seits die vor­in­stanz­li­che Auf­fas­sung zur Trag­wei­te von Art. 328b OR [Cour de justi­ce du can­ton de Genè­ve (C/6596/2017 – 5, CAPH/163/2020)]. Auch die Vor­in­stanz führ­te – eben­so dis­kus­si­ons­los – aus, dass sich eine Daten­be­ar­bei­tung ausser­halb von Art. 328b OR nach Art. 13 DSG recht­fer­ti­gen könne.

Tout trai­te­ment de don­nées rela­tif à un employé con­sti­tue une att­ein­te illi­ci­te à sa per­son­na­li­té, au sens des artic­les 328 et 328b CO, à moins qu’il ne repo­se sur un motif justi­fi­ca­tif. Un tel motif peut résul­ter de la loi, en par­ti­cu­lier de l’art. 328b CO, d’un inté­rêt prépon­dé­rant pri­vé ou public, ou du con­sen­te­ment de la vic­ti­me. (E. 2.2)

Gleich­zei­tig wider­spricht das Bun­des­ge­richts­ur­teil der Pra­xis des Zür­cher Ober­ge­richts [OGer ZH, LA180031‑O/U, vom 20. März 2019], wonach Art. 328b OR lex spe­cia­lis zum DSG ist. Ange­sichts des zwin­gen­den Cha­rak­ters ver­mö­ge ein Recht­fer­ti­gungs­grund im Sin­ne von Art. 13 DSG die Rechts­wid­rig­keit nicht zu beseitigen:

Art. 328b OR ist lex spe­cia­lis zu den Daten­schutz­be­stim­mun­gen im Bun­des­ge­setz über den Daten­schutz. Daten­be­ar­bei­tun­gen im Arbeits­ver­hält­nis sind grund­sätz­lich unzu­läs­sig, es sei denn, sie sei­en durch den Bezug zur Eig­nung des Arbeit­neh­mers oder zur Durch­füh­rung des Arbeits­ver­tra­ges gerecht­fer­tigt. Jede Bear­bei­tung von Daten, die kei­nen genü­gen­den Arbeits­platz­be­zug haben, ist damit unzu­läs­sig. Sie ist also selbst dann nicht erlaubt, wenn sie nach dem Daten­schutz­ge­setz erlaubt wäre. Anders als im Bereich des Daten­schutz­ge­set­zes ver­mag daher das Vor­lie­gen eines Recht­fer­ti­gungs­grun­des die Rechts­wid­rig­keit grund­sätz­lich nicht zu besei­ti­gen (E. 2.c.aa)

Ange­sichts des zwin­gen­den Cha­rak­ters von Art. 328b OR ver­mag der Recht­fer­ti­gungs­grund der Ein­wil­li­gung (Art. 13 Abs. 1 DSG) die Rechts­wid­rig­keit einer Daten­be­ar­bei­tung nach Art. 328b OR nicht zu besei­ti­gen. (E. 2.c.cc)

Obwohl das Bun­des­ge­richt die Trag­wei­te und Natur von Art. 328b OR nicht näher dis­ku­tier­te, ist die­ses Urteil doch das erste höchst­rich­ter­li­che Prä­ju­diz zu die­ser Fra­ge und stellt damit die Wei­chen für eine schweiz­weit ein­heit­li­che Inter­pre­ta­ti­on von Art. 328b OR.

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