BVGer, A‑4903/2016: Auch amt­li­che Doku­men­te kan­to­na­ler Behör­den kön­nen unter das BGÖ fallen

Das BVGer hat­te im vor­lie­gen­den Ent­scheid von 22. Mai 2017 eine Fra­ge des sach­li­chen Anwen­dungs­be­reichs des BGÖ zu klä­ren. Hin­ter­grund waren Gesu­che an das Bun­des­amt für Sozi­al­ver­si­che­run­gen (BSV) um Zugang zu einer gesamt­schwei­ze­ri­schen Liste der Ärz­te der Regio­na­len Ärzt­li­chen Dien­ste (RAD) und zu Namen und wei­te­ren Daten zu Mit­ar­bei­tern der IV-Stel­len. Das BAG ver­wei­ger­te den Zugang teil­wei­se und infor­mier­te die IV-Stel­len. In der Fol­ge ging beim EDÖB eine grö­sse­re Anzahl an Schlich­tungs­an­trä­gen betrof­fe­ner Ärz­te ein. Gleich­wohl emp­fahl der EDÖB, das BSV sol­le den Zugang zu den Namen wie bean­tragt gewäh­ren. Das BSV erliess dar­auf anfecht­ba­re Ver­fü­gun­gen über den Zugang, die vor BVGer ange­foch­ten wurden.

Strit­tig war unter ande­rem, ob die kan­to­na­len IV-Stel­len dem BGÖ über­haupt unter­stellt sind. Das BVGer hält dazu fest, die Vor­in­stanz, das BSV, unter­ste­he als Teil der Bun­des­ver­wal­tung dem BGÖ, so dass grund­sätz­lich ein Anspruch auf Zugang zu amt­li­chen Doku­men­ten im Besitz des BSV besteht. Dass die kan­to­na­len IV-Stel­len ihrer­seits nicht dem BGö unter­ste­hen, ände­re dar­an nichts:

5.2 Zwar dürf­te es zutref­fen, dass die kan­to­na­len IV-Stel­len, von denen die Vor­in­stanz die erwähn­ten Infor­ma­tio­nen erhal­ten hat, ihrer­seits nicht dem BGÖ unter­ste­hen […]. Der Umstand, dass eine Infor­ma­ti­on von einer Orga­ni­sa­ti­on oder Per­son stammt, die sel­ber nicht dem BGÖ unter­steht, schliesst die Anwen­dung die­ses Geset­zes jedoch nicht aus (vgl. dazu Bot­schaft, S. 1993; betref­fend von Pri­va­ten stam­men­de Infor­ma­tio­nen zudem BVGE 2013/50 E. 5.2). Ent­schei­dend ist daher, ob die Behör­de, wel­che die Infor­ma­ti­on im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Bst. b BGÖ in Besitz hat, dem BGÖ unter­steht. Die­ses Ver­ständ­nis ergibt sich nur schon aus der Zustän­dig­keits­norm von Art. 10 Abs. 1 BGÖ, wonach Zugangs­ge­su­che an die­je­ni­ge Behör­de zu rich­ten sind, „die das Doku­ment erstellt oder von Drit­ten, die nicht die­sem Gesetz unter­ste­hen, als Haupt­adres­sa­tin erhal­ten hat“.

Dies sei auch der Grund dafür, dass Art. 7 Abs. 1 lit. e BGÖ die Ein­schrän­kung, die Ver­wei­ge­rung oder dem Auf­schub des Zugangs zu einem amt­li­chen Doku­ment erlaubt, wenn dadurch die Bezie­hun­gen zwi­schen dem Bund und den Kan­to­nen beein­träch­tigt wer­den können.

Damit ent­schei­det das BVGer aus­drück­lich gegen die Bot­schaft zum BGÖ:

5.3 Ein­zu­räu­men ist aller­dings, dass der Bun­des­rat in der Bot­schaft teil­wei­se einen ande­ren Stand­punkt ver­tritt. Dort wird aus­ge­führt, wenn eine nicht der Bun­des­ver­wal­tung ange­hö­ren­de Orga­ni­sa­ti­on im Sinn von Art. 2 Abs. 1 Bst. b BGÖ der Ver­wal­tung ein Doku­ment zur Ver­fü­gung stel­le, so betref­fe die­ses Doku­ment grund­sätz­lich nur so weit eine „öffent­li­che Auf­ga­be“, als die betref­fen­de Orga­ni­sa­ti­on sel­ber dem BGÖ unter­stellt sei (vgl. Bot­schaft, S. 1995). Die­ser Stand­punkt ver­mag indes nicht zu über­zeu­gen: Er steht zu den bereits erwähn­ten Aus­füh­run­gen der Bot­schaft in Wider­spruch, wonach Infor­ma­tio­nen von Drit­ten, die dem BGÖ über­haupt nicht unter­ste­hen, ein amt­li­ches Doku­ment dar­stel­len kön­nen (vgl. wie­der­um Bot­schaft, S. 1993). Es ist nicht ersicht­lich, wes­halb dies bei Infor­ma­tio­nen von Drit­ten, die dem BGÖ ander­wei­tig sogar unter­ste­hen, aus­ge­schlos­sen sein soll. Eben dies wird in der Leh­re denn auch kri­ti­siert (vgl. Kurt Nusp­li­ger, in: Stämpf­lis Hand­kom­men­tar, Öffent­lich­keits­ge­setz, 2008, Art. 5 Rz. 23). Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat bereits fest­ge­hal­ten, die­se Kri­tik sei berech­tigt (vgl. BVGE 2013/50 E. 5.2.4).

Das BVGer wen­det daher das BGÖ auf den vor­lie­gen­den Fall an. Im Rah­men der Inter­es­sen­ab­wä­gung kommt es dabei zum Ergeb­nis, das „erheb­li­che öffent­li­che Inter­es­se an der Bekannt­ga­be der Stel­len­an­tritts­da­ten und der Stel­len­pro­zen­te der Beschwer­de­füh­ren­den“ über­wie­ge klar die „stark zu rela­ti­vie­ren­den“ pri­va­ten Inter­es­sen der beschwer­de­füh­ren­den Ärz­te. Ob die Inter­es­sen­ab­wä­gung auf Art. 7 Abs. 2 BGÖ beruht oder auf Art. 9 Abs. 2 BGÖ i.V.m. Art. 19 DSG, lässt das BVGer dabei offen; das Ver­hält­nis die­ser Bestim­mun­gen bleibt daher ungeklärt.

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