Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen hat in einem Dokument (Stand November 2018) häufig gestellte Fragen zur “Datenverarbeitung in Inkassounternehmen” beantwortet. Interessant sind u.a. folgende Hinweise:
Dürfen meine Daten ohne meine Einwilligung an ein Inkassounternehmen übermittelt werden?
Es obliegt der freien Entscheidung eines Unternehmens, sich in Streitfällen bezüglich einer – wenn auch nur vermeintlich – offenen Forderung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens zu bedienen. In diesen Fäl-len darf und muss der (ursprüngliche) Gläubiger personenbezogene Daten des Schuldners / der Schuldnerin (insbesondere Namen und Anschrift, den Forderungsgrund, die Höhe und die Fälligkeit der Forderung, etc.) an das Inkassounternehmen weitergeben. Nur mit diesen Daten ist es dem Inkasso-unternehmen überhaupt möglich, an den Schuldner heranzutreten und die Forderung geltend zu machen. Eine Einwilligung Ihrerseits für die Datenweitergabe an einen Rechtsdienstleister ist nicht erforderlich, da sie auf die gesetzlichen Tatbestände der Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b) und lit. f) DS-GVO (Datenverarbeitung zur Vertragserfüllung, Datenverarbeitung aufgrund berechtigten Interesses des Gläubigers) gestützt werden.
[Anmerkung: Willkommen ist hier auch die Klarstellung, dass Rechtsgrundlagen kumulierbar sind.]
Muss ein Inkassounternehmen vor Mandatsübernahme prüfen, ob eine Forderung tatsächlich besteht?
Bei einer Mandatsübernahme muss das Inkassounternehmen darauf vertrauen können, dass die seitens des (Ursprungs-)Gläubigers übergebene Forderung tatsächlich existiert. Eine Schlüssigkeitsprüfung / Plausibilitätsprüfung durch das Inkassounternehmen vor Kontaktaufnahme zum (vermeintlichen) Schuldner ist ausreichend. Eine Prüfung in Bezug auf das tatsächliche Bestehen einer Forderung ist zu diesem Zeitpunkt weder erforderlich noch möglich.
Die Verarbeitung Ihrer Daten durch ein Inkassounternehmen wäre nur dann unzulässig, wenn die geltend gemachte Forderung ganz offensichtlich nicht besteht. Dies ist allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen denkbar und nicht bereits dann, wenn sich Schuldner und Gläubiger uneinig sind, ob die Forderung nun besteht oder nicht.
Ist ein Inkassounternehmen dazu verpflichtet, meine Daten zu löschen, wenn ich dazu auffordere?
Richtig ist zwar, dass sich für Sie als sogenannte „betroffene Person“ ein Recht auf Löschung Ihrer personenbezogenen Daten aus Artikel 17 Abs. 1 DS-GVO unter den dort genannten Voraussetzungen ergibt. Dieses Recht besteht allerdings dann nicht, wenn das Unternehmen Ihre Daten zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen verarbeitet. Dies ergibt sich aus Artikel 17 Absatz 3 lit. e) DS-GVO. Personenbezogene Daten dürfen daher weiter gespeichert bleiben, solange noch offene Forderungen bestehen und im Rahmen der Inkassotätigkeit bearbeitet werden. Nach Einstellung des Inkassoverfahrens sind die Daten zur Erfüllung des Inkassoverfahrens nicht mehr erforderlich und wären prinzipiell nach Art. 17 Abs. 1 lit. a) zu löschen.
An die Stelle einer Löschung tritt jedoch eine eingeschränkte Verarbeitung, wenn gesetzliche, satzungsmäßige oder vertragliche Aufbewahrungsfristen einer Löschung entgegenstehen (Art. 17 Abs. 3 lit. b) DS-GVO i.V.m. § 35 Abs. 3 BDSG). Personenbezogene Daten müssen ggf. aufgrund handels-oder steuerrechtlicher Vorschriften weiter aufbewahrt werden; dies erfolgt jedoch dann nur für diesen Zweck. Diese Fristen können unterschiedlich sein. Die Abgabenordnung (AO) bzw. das Handelsgesetzbuch (HGB) sehen Löschungsfristen von bis zu 10 Jahren vor.
Ich habe Widerspruch gegen die Verarbeitung meiner Daten beim Inkassounternehmen eingelegt. Dieses verarbeitet trotzdem meine Daten weiter. Ist das Unternehmen dazu verpflichtet, die Datenverarbeitung zu stoppen?
Die Ausübung des Widerspruchsre|chts gegen die Verarbeitung von Daten auf Grundlage einer Interessensabwägung (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO) nach Art. 21 Abs. 1 DS-GVO setzt voraus, dass die betroffene Person gegenüber dem Unternehmen konkrete Gründe geltend macht, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben. Das bedeutet, dass die betroffene Person vortragen muss, dass und warum es sich in ihrem besonderen Fall um eine atypische Konstellation handelt, die ihren Interessen ein besonders Gewicht verleiht. Nicht ausreichend ist z.B. das Bestreiten der Forderung (z.B. „Ich habe keinen Vertrag abgeschlossen“) oder die Mitteilung, dass die Leistung des (Ursprungs-) Gläubigers fehlerhaft war oder nicht erfolgt ist.
Das Widerspruchsrecht greift allerdings nach Art. 21 Abs. 1 DS-GVO nicht, wenn die Verarbeitung der Daten der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen dient. In den im Rahmen von Inkassovorgängen typischen Fallkonstellationen (Beitreibung von offenen Forderungen) dürfte ein Widerspruch gegen die Datenverarbeitung daher letztlich ins Leere gehen.
Darf ein Inkassounternehmen eine Bonitätsauskunft über mich einholen?
Inkassounternehmen dürfen Bonitätsdaten bei Wirtschaftsauskunfteien auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO abfragen, wenn ein berechtigtes Interesse an dieser Datenerhebung vorliegt. Ein solches Interesse ist z. B. dann zu bejahen, wenn eine Entscheidung über die Einleitung von weiteren Maßnahmen mit einem finanziellen Ausfallrisiko – auch in Bezug auf die entstehenden Beitreibungskosten – verbunden ist.
Darf ein Inkassounternehmen (vermeintlich) unbezahlte Forderungen bei einer Wirtschaftsauskunftei einmelden?
Die Einmeldung von unbezahlten Forderungen in eine Wirtschaftsauskunftei ist prinzipiell möglich, allerdings nur unter bestimmen Voraussetzungen. In § 31 Abs. 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) ist gesetzlich geregelt, in welchen Fällen offene Forderungen durch eine Auskunftei zum Scoring genutzt werden dürfen. Dies ist zum Beispiel dann erlaubt, wenn die Forderung vom Schuldner anerkannt wird, wenn sie bereits durch eine Gerichtsentscheidung oder im Rahmen eines gerichtlichen Mahnverfahrens tituliert wurde oder wenn bei einem laufenden Vertrag die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsrückständen Vorlagen. Ein weiterer häufiger Grund für die Meldung von Forderungen bei Auskunfteien ist auch, dass die Zahlung mindestens zweimal schriftlich angemahnt wurde, seit der ersten Mahnung mindestens vier Wochen vergangen sind, der Schuldner auf die bevorstehende Meldung an eine Auskunftei hingewiesen wurde und die Forderung vom Schuldner nicht bestritten wurde.
Seit Inkrafttreten des BDSG in seiner aktuellen Fassung besteht allerdings eine Diskussion über die Zweckrichtung dieser Norm. Die Datenschutzkonferenz hat daher – den Gedanken einer restriktiven Einmeldepraxis aufgreifend – einen Beschluss zu diesem Thema verfasst, den Sie im Anhang dieser Broschüre finden.