Das Obergericht Zürich hat sich im Urteil UE240022 vom 4. Juli 2024 (Swisslex) mit Art. 62 DSG (Datengeheimnis) kein Dauerdelikt darstellt (und dasselbe gelte für Art. 179novies StGB, unbefugtes Beschaffen von Personendaten).
Die Tathandlung bestehe vielmehr in der Offenbarung von Personendaten und nicht einer etwaigen nachfolgenden Datenbearbeitung:
Bei Art. 62 DSG besteht die Tathandlung in der Offenbarung der Personendaten. Das ist das Zugänglichmachen der Personendaten für Dritte, welche diese noch nicht kennen […]. Mit der Offenbarung ist das Delikt vollendet. Es handelt sich insbesondere nicht um ein Dauerdelikt.
Damit war ein allfälliger entsprechender Verstoss nach Art. 66 DSG (fünf Jahre) verjährt. Das OGer ZH hat sich dabei nicht mit der Frage befasst, ob übergangsrechtlich nicht als lex mitior eine kürzere Verjährungsfrist zur Anwendung kommen müsste.
Man kann sich allerdings fragen, ob es zutrifft, dass die Offenbarung i.S.v. Art. 62 DSG im Zugänglichmachen besteht. Bei Geheimnisbestimmungen wird i.d.R. im Anschluss an das Urteil des Bundesgerichts 6B_1403/2017 zu Art. 162 StGB (Geschäftsgeheimnis) davon ausgegangen, dass die Tathandlung der Offenbarung erst mit Kenntnisnahme des offenbarten Geheimnisses durch einen Unbefugten vollendet ist („Vielmehr ist in dieser Frage der Lehre zu folgen, wonach die Tat vollendet ist, sobald ein Aussenstehender dank dem Verhalten des Täters Kenntnis vom betreffenden Geheimnis erhält“). Dem steht zwar ein späteres Urteil des OGer ZH entgegen, das sich mit dieser Frage allerdings nicht näher auseinandergesetzt habe. Dasselbe gibt für das nun vorliegende Urteil. Die Frage ist damit nicht abschliessend beantwortet, das Urteil des Bundesgerichts erscheint aber auch aufgrund der im Anschluss publizierten Lehre nach wie vor als belastbarer.
Eine weitere Frage wäre, ob die „Offenbarung“ i.S.v. Art. 62 DSG gleich zu verstehen ist wie der gleichlautende Begriff des Berufsgeheimnisrechts, oder ob es hier eher um die datenschutzrechtliche Bekanntgabe geht, bei der die Zugänglichmachung als ausreichend erachtet wird. Diese Frage hängt mit der Rechtsnatur von Art. 62 DSG zusammen: Diese Bestimmung lässt sich als genuines Geheimnisschutzrecht verstehen, also als eine Erweiterung von Art. 321 StGB. Dafür spricht die Botschaft, und diese Auffassung hat auch Rosenthal vertreten.
Allerdings: Das Geheimnisschutzrecht sichert ein zugrundeliegendes Sonderverhältnis ab, das sich i.d.R. aus einem besonderen Vertrauen in Diskretion ergibt (bspw. gegenüber Mitarbeitenden von Banken, Anwälten usw.). Dieses Grundverhältnis ist in erster Linie zivilrechtlicher Natur (Bankvertrag, Anwaltsmandat, Persönlichkeitsschutz), wenngleich auch institutionelle Überlegungen hineinspielen. Im Bereich des Datenschutzrechts wird das strafrechtlich abzusichernde Grundverhältnis naheliegenderweise aber in den materiellen Bestimmungen des DSG zu suchen sein. Zwar verankert auch Art. 62 DSG ein Sonderdelikt; tatbestandsmässig ist aber dennoch eine Offenbarung von Personen- und nicht von anderen Daten, so dass der Bezug zum Datenschutzrecht offensichtlich bestehen bleibt. Dies hat m.E. zur Folge, dass eine datenschutzkonforme Bekanntgabe nicht nach Art. 62 DSG strafbar sein kann. Mathys/Thommen vertreten im Ergebnis diese Auffassung im BSK.
Dies wiederum spricht in der Tat dafür, den Begriff der Offenbarung bei Art. 62 DSG als untechnisches Synonym der Announcement zu verstehen, bei einer etwaigen Strafbarkeit aber nicht nur die Voraussetzungen von Art. 62 DSG selbst, sondern auch die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Offenbarung oder eben Bekanntgabe zu prüfen. Damit wären die Aussage des OGer ZH im vorliegenden Urteil insoweit richtig, die Zugänglichmachung wäre in diesem – aber nur in diesem – Sinne das richtige Kriterium.