Die EU-Kommission hat bekanntgegeben, dass sie gegen X (ehemals Twitter) eine formelle Untersuchung nach dem Digital Services Act (DSA) eröffnet hat.
Der DSA ist anwendbar auf Vermittlungsdienste, die für Nutzer mit Niederlassungsort oder Sitz in der Union angeboten werden, ungeachtet des Niederlassungsortes des Anbieters dieser Vermittlungsdienste.
Er kennt eine Pflichtenpyramide, bei der Anbietern von “sehr grossen Online-Plattformen” (“Very Large Online Platforms”, VLOPs) und von “sehr grossen Online-Suchmaschinen” (“Very Large Online Search Engines”, VLOEs) zusätzliche Pflichten auferlegt werden (Art. 33 ff. DSA; siehe dazu auch hier). Das sind Online-Anbieter mit mind. 45 Mio. aktiven Nutzern in der EU. Die Kommission hat im April 2023 auf Basis von Art. 33 Abs. 4 DSA 19 Anbieter als VLOPs eingestuft, unter ihnen Amazon Store, Apple AppStore, Facebook, einige Angebote von Google, Instagram, LinkedIn, Snapchat, TikTok, Wikipedia, YouTube und Zalando, aber auch Twitter bzw. X.
Solche VLOPs und VLOEs müssen bspw. bestimmte Risiken dokumentieren, bewerten und mitigieren. Solche Risiken können sich insbesondere aus einer Verbreitung rechtswidriger Inhalte ergeben und können auch Risiken für Grundrechte und bestimmte vulnerable Personen umfassen, die sich etwa aus Empfehlungssystemen oder anderer algorithmischer Systeme ergeben können, aus der Moderation von Inhalten, den AGB, der Anzeige von Werbung oder der Bearbeitung von Personendaten (Art. 34 f. DSA). VLOPs und VLOEs müssen zudem eine Compliance-Abteilung einrichten (Art. 41), sich auditieren lassen (Art. 37), Transparenzberichte veröffentlichen (Art. 42) und Forschern Datenzugang gewähren (Art. 40).
Dazu kommen die allgemeinen Pflichten insbesondere aus Art. 19 ff. (bspw. Vorgaben zum Beschwerdenmanagement und zur aussergerichtlichen Streitbeilegung, zur Sperrung von Accounts mit offensichtlich rechtswidrigen Inhalten, Transparenzpflichten und Vorgaben für die Werbung, für Empfehlungssysteme und für die AGB).
Die Untersuchung gegen X ist die erste Untersuchung nach dem DSA. Eine Voruntersuchung der Kommission hat offenbar Anhaltspunkte für Verletzungen ergeben. Sie betrifft insbesondere:
- die Verbreitung illegaler Inhalte in der EU, insbesondere Risikomitigierungsmassnahmen und den Melde- und Reaktionsmechanismus für illegale Inhalte;
- Massnahmen zur Bekämpfung der Desinformation;
- Massnahmen zur Transparenz;
- den Datenzugang von Forschern;
- mögliche Täuschungen beim User Interface (z.B. bei den blauen Häkchen).