Eingereichter Text
Anfang März 2017 hat Swisscom neue Allgemeine Geschäftsbedingungen und eine Allgemeine Datenschutzerklärung versendet. Darin wird erklärt, wie die Personendaten künftig im Rahmen der Werbevermarktung mit Partnern bearbeitet und verwendet werden.
Wenn die Kundinnen und Kunden nicht innerhalb einer bestimmten Frist in einem recht langwierigen Online-Prozess ihre Zustimmung verweigern, erhält Swisscom ihre Erlaubnis, ihre Daten zur kommerziellen Nutzung an Admeira weiterzugeben – eine von der SRG, Swisscom und Ringier gemeinsam gegründeten Firma. Es ist nun sehr wahrscheinlich, dass viele Kundinnen und Kunden den Brief nicht fertig gelesen und weggeworfen haben, somit das Kleingedruckte übersehen und den Änderungen bezüglich der Verwendung ihrer Daten – ohne sich dessen bewusst zu sein – zugestimmt haben.
Tatsache ist, dass ein Teil der Rechtsprechung und der Lehre, diese Form der stillschweigenden Annahme als nicht ausreichend ansieht. Daher irritiert das Vorgehen der Swisscom – umso mehr noch, da in Bezug auf Admeira ohnehin schon viele Grauzonen bestehen. Daraus ergeben sich die folgenden Fragen:
- Ist diese Form der stillschweigenden Annahme aus Sicht des Bundesrates genug, um in diesem Fall eine vertragliche Vereinbarung zu begründen?
- Warum hat Swisscom nicht eine andere Vorgehensweise, zum Beispiel ein “Opt-in-Verfahren”, gewählt – schliesslich sollte der Bund doch am Schutz der Kundinnen und Kunden interessiert sein?
- War der Bundesrat über die Vorgehensweise von Swisscom informiert worden?
- Findet es der Bundesrat angezeigt, dass ein bundesnahes Unternehmen diese Vorgehensweise wählt, um die Daten für die Erstellung von Personenprofilen verwenden zu können?
- Denkt der Bundesrat nicht, dass aggregierte und anonymisierte Daten – die oft noch aus der PTT-Zeit stammen – ein Gut darstellen, auf das alle Medien- und Werbeunternehmen gleichermassen zugreifen können sollten?
- Zurzeit sind mehrere parlamentarische Vorstösse zum Thema Admeira hängig, ebenso wie auch Gerichtsverfahren. Wie beurteilt der Bundesrat diese Situation?
- Wie kann der Bundesrat die Weitergabe und Verwendung der Daten vor dem Hintergrund des Wettbewerbsrechts (Verbot von Quersubventionierungen) und des Telekommunikationsrechts rechtfertigen?
Stellungnahme des Bundesrats vom 10.5.2017
1. Die zivilrechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles ist nicht Sache des Bundesrates. Die Frage der Gültigkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen wird vom materiellen Recht – insbesondere vom Obligationen- und vom Lauterkeitsrecht – geregelt. Dessen Durchsetzung untersteht den zuständigen Zivilgerichten.
2. Die Swisscom ist eine selbstständige Aktiengesellschaft, an welcher der Bund von Gesetzes wegen die Mehrheit des Aktienkapitals hält. Der Bundesrat gibt der Swisscom alle vier Jahre strategische Ziele vor, wobei er sich auf deren grundsätzliche Ausrichtung beschränkt und darüber hinaus ihre unternehmerische Autonomie anerkennt.
Die Opt-out-Methode führt dazu, dass eine Neuerung, die automatisch in Kraft tritt, wenn man sich nicht explizit gegen sie ausspricht, von einer grösseren Anzahl der Nutzenden akzeptiert wird. Dies bringt aus Sicht eines Unternehmens Vorteile mit sich und entsprechend wird diese Vorgehensweise insbesondere auch von den meisten Internetdienstleistern bevorzugt. Andererseits zeigt gerade das mediale Echo bezüglich der AGB-Änderung von Swisscom, dass in der heutigen Zeit viele Konsumentinnen und Konsumenten bezüglich Schutz ihrer Daten sensibel sind und sich über ein kompliziertes Opt-out ärgern. Im Rahmen ihrer unternehmerischen Autonomie und der geltenden rechtlichen Bestimmungen steht es der Swisscom jedoch frei, darüber zu entscheiden, welche Methoden sie zum Sammeln von Daten wählt.
3. Grundsätzlich ist es nicht vorgesehen, dass Swisscom den Bundesrat über spezifische operative Tätigkeiten informiert. Dies ist auch im vorliegenden Fall nicht geschehen.
4. Wie unter Ziffer 2 erwähnt anerkennt der Bundesrat die unternehmerische Autonomie von Swisscom. Das gewählte Vorgehen liegt in der operativen Verantwortung von Swisscom. Der Bundesrat äussert sich nicht zur Angemessenheit einzelner Entscheide. Der Bund setzt sich überdies für die Förderung der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen ein (Corporate Social Responsibility, CSR). Diese bezieht sich auf die Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeit auf Gesellschaft und Umwelt und berücksichtigt die Interessen der Anspruchsgruppen (z. B. Aktionäre, Arbeitnehmende, Konsumierende, lokale Gemeinschaften, Nichtregierungsorganisationen). Der Bund beteiligt sich an der Umsetzung der CSR, namentlich auch dort, wo er als Unternehmenseigentümer auftritt, und nimmt so eine Vorbildfunktion wahr. Derzeit prüft der Bund die Situation im Zusammenhang mit dieser Vorbildfunktion.
5. Die Swisscom – wie auch andere Fernmeldedienstanbieterinnen – verfügt über Nutzerdaten aus ihrer Kundenbeziehung. Soweit diese Daten aus der Zeit vor der Teilprivatisierung im Jahr 1998 stammen, ist zu bemerken, dass das Telekommunikationsunternehmungsgesetz bei der Überführung der Anstaltsteile der PTT in die Swisscom AG nicht vorgesehen hat, dass bestehende Kundendaten nicht weiter verwendet werden dürften. Darüber hinaus geniesst Swisscom auch bei der Nutzung von Kundendaten grundsätzlich unternehmerische Autonomie, solange sie sich insbesondere an das Wettbewerbsrecht, den Datenschutz und das Fernmeldegeheimnis hält.
Eine medienpolitisch motivierte Bestimmung enthält das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG). Gemäss Art. 29 RTVG darf die SRG bei nicht konzessionierten Tätigkeiten wie etwa der Werbevermarktung den Entfaltungsspielraum anderer Medienunternehmen nicht erheblich beschränken.
Im Rahmen der Erarbeitung einer kohärenten und zukunftsorientierten Datenpolitik hat der Bund die bundesnahen Betriebe Post, SBB, Skyguide, Swisscom sowie die SRG eingeladen, ihre Datenbestände zu inventarisieren und offenzulegen, welche Zugangsbedingungen für diese Daten gelten. Die Auflistung derjenigen Datenbestände, die als offen (“open”) bzw. eingeschränkt “(restricted”) für eine allfällige Weiterverwendung durch Dritte zur Verfügung stehen, und die jeweiligen Zugangsbedingungen zu diesen Daten sollen in geeigneter Form publiziert werden. Rechtlich gibt es keine Grundlage, um die bundesnahen Betriebe zu einer Publikation von Datenbeständen für eine Weiterverwendung zu verpflichten. Ob die Einführung einer solchen gemäss Verfassung überhaupt möglich wäre, müsste sodann gegebenenfalls abgeklärt werden.
6. Das UVEK kam in seiner Verfügung vom 29. Februar 2016 zum Schluss, dass der Entfaltungsspielraum anderer Medienunternehmen durch die gemeinsame Werbevermarktung von SRG, Swisscom und Ringier nicht erheblich beschränkt wird. Da dieses Verfahren beim Bundesgericht hängig ist, äussert sich der Bundesrat dazu nicht weiter.
7. Sollten sich Anzeichen für eine Verletzung des Kartellrechts ergeben, könnte die Wettbewerbskommission (WEKO) tätig werden. Das Werbevermarktungsunter-nehmen Admeira wurde von der WEKO geprüft und genehmigt, da keine Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs zu erwarten sei. Im Fernmelderecht ist insbesondere das Fernmeldegeheimnis zu beachten, dessen Verletzung überdies auch strafrechtlich sanktioniert wird.