Inter­pel­la­ti­on Büh­ler (17.3185): Frag­wür­di­ge Bear­bei­tung von Per­so­nen­da­ten durch Swis­s­com und Admeira

Inter­pel­la­ti­on Büh­ler (17.3185): Frag­wür­di­ge Bear­bei­tung von Per­so­nen­da­ten durch Swis­s­com und Admeira

Ein­ge­reich­ter Text

Anfang März 2017 hat Swis­s­com neue All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen und eine All­ge­mei­ne Daten­schutz­er­klä­rung ver­sen­det. Dar­in wird erklärt, wie die Per­so­nen­da­ten künf­tig im Rah­men der Wer­be­ver­mark­tung mit Part­nern bear­bei­tet und ver­wen­det werden.

Wenn die Kun­din­nen und Kun­den nicht inner­halb einer bestimm­ten Frist in einem recht lang­wie­ri­gen Online-Pro­zess ihre Zustim­mung ver­wei­gern, erhält Swis­s­com ihre Erlaub­nis, ihre Daten zur kom­mer­zi­el­len Nut­zung an Admei­ra wei­ter­zu­ge­ben – eine von der SRG, Swis­s­com und Rin­gier gemein­sam gegrün­de­ten Fir­ma. Es ist nun sehr wahr­schein­lich, dass vie­le Kun­din­nen und Kun­den den Brief nicht fer­tig gele­sen und weg­ge­wor­fen haben, somit das Klein­ge­druck­te über­se­hen und den Ände­run­gen bezüg­lich der Ver­wen­dung ihrer Daten – ohne sich des­sen bewusst zu sein – zuge­stimmt haben.

Tat­sa­che ist, dass ein Teil der Recht­spre­chung und der Leh­re, die­se Form der still­schwei­gen­den Annah­me als nicht aus­rei­chend ansieht. Daher irri­tiert das Vor­ge­hen der Swis­s­com – umso mehr noch, da in Bezug auf Admei­ra ohne­hin schon vie­le Grau­zo­nen bestehen. Dar­aus erge­ben sich die fol­gen­den Fragen:

  1. Ist die­se Form der still­schwei­gen­den Annah­me aus Sicht des Bun­des­ra­tes genug, um in die­sem Fall eine ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung zu begründen?
  2. War­um hat Swis­s­com nicht eine ande­re Vor­ge­hens­wei­se, zum Bei­spiel ein “Opt-in-Ver­fah­ren”, gewählt – schliess­lich soll­te der Bund doch am Schutz der Kun­din­nen und Kun­den inter­es­siert sein?
  3. War der Bun­des­rat über die Vor­ge­hens­wei­se von Swis­s­com infor­miert worden?
  4. Fin­det es der Bun­des­rat ange­zeigt, dass ein bun­des­na­hes Unter­neh­men die­se Vor­ge­hens­wei­se wählt, um die Daten für die Erstel­lung von Per­so­nen­pro­fi­len ver­wen­den zu können?
  5. Denkt der Bun­des­rat nicht, dass agg­re­gier­te und anony­mi­sier­te Daten – die oft noch aus der PTT-Zeit stam­men – ein Gut dar­stel­len, auf das alle Medi­en- und Wer­be­un­ter­neh­men glei­cher­ma­ssen zugrei­fen kön­nen sollten?
  6. Zur­zeit sind meh­re­re par­la­men­ta­ri­sche Vor­stö­sse zum The­ma Admei­ra hän­gig, eben­so wie auch Gerichts­ver­fah­ren. Wie beur­teilt der Bun­des­rat die­se Situation?
  7. Wie kann der Bun­des­rat die Wei­ter­ga­be und Ver­wen­dung der Daten vor dem Hin­ter­grund des Wett­be­werbs­rechts (Ver­bot von Quer­sub­ven­tio­nie­run­gen) und des Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­rechts rechtfertigen?

Stel­lung­nah­me des Bun­des­rats vom 10.5.2017

1. Die zivil­recht­li­che Beur­tei­lung des vor­lie­gen­den Fal­les ist nicht Sache des Bun­des­ra­tes. Die Fra­ge der Gül­tig­keit von all­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen wird vom mate­ri­el­len Recht – ins­be­son­de­re vom Obli­ga­tio­nen- und vom Lau­ter­keits­recht – gere­gelt. Des­sen Durch­set­zung unter­steht den zustän­di­gen Zivilgerichten.

2. Die Swis­s­com ist eine selbst­stän­di­ge Akti­en­ge­sell­schaft, an wel­cher der Bund von Geset­zes wegen die Mehr­heit des Akti­en­ka­pi­tals hält. Der Bun­des­rat gibt der Swis­s­com alle vier Jah­re stra­te­gi­sche Zie­le vor, wobei er sich auf deren grund­sätz­li­che Aus­rich­tung beschränkt und dar­über hin­aus ihre unter­neh­me­ri­sche Auto­no­mie anerkennt.

Die Opt-out-Metho­de führt dazu, dass eine Neue­rung, die auto­ma­tisch in Kraft tritt, wenn man sich nicht expli­zit gegen sie aus­spricht, von einer grö­sse­ren Anzahl der Nut­zen­den akzep­tiert wird. Dies bringt aus Sicht eines Unter­neh­mens Vor­tei­le mit sich und ent­spre­chend wird die­se Vor­ge­hens­wei­se ins­be­son­de­re auch von den mei­sten Inter­net­dienst­lei­stern bevor­zugt. Ande­rer­seits zeigt gera­de das media­le Echo bezüg­lich der AGB-Ände­rung von Swis­s­com, dass in der heu­ti­gen Zeit vie­le Kon­su­men­tin­nen und Kon­su­men­ten bezüg­lich Schutz ihrer Daten sen­si­bel sind und sich über ein kom­pli­zier­tes Opt-out ärgern. Im Rah­men ihrer unter­neh­me­ri­schen Auto­no­mie und der gel­ten­den recht­li­chen Bestim­mun­gen steht es der Swis­s­com jedoch frei, dar­über zu ent­schei­den, wel­che Metho­den sie zum Sam­meln von Daten wählt.

3. Grund­sätz­lich ist es nicht vor­ge­se­hen, dass Swis­s­com den Bun­des­rat über spe­zi­fi­sche ope­ra­ti­ve Tätig­kei­ten infor­miert. Dies ist auch im vor­lie­gen­den Fall nicht geschehen.

4. Wie unter Zif­fer 2 erwähnt aner­kennt der Bun­des­rat die unter­neh­me­ri­sche Auto­no­mie von Swis­s­com. Das gewähl­te Vor­ge­hen liegt in der ope­ra­ti­ven Ver­ant­wor­tung von Swis­s­com. Der Bun­des­rat äussert sich nicht zur Ange­mes­sen­heit ein­zel­ner Ent­schei­de. Der Bund setzt sich über­dies für die För­de­rung der gesell­schaft­li­chen Ver­ant­wor­tung der Unter­neh­men ein (Cor­po­ra­te Social Respon­si­bi­li­ty, CSR). Die­se bezieht sich auf die Aus­wir­kun­gen der unter­neh­me­ri­schen Tätig­keit auf Gesell­schaft und Umwelt und berück­sich­tigt die Inter­es­sen der Anspruchs­grup­pen (z. B. Aktio­nä­re, Arbeit­neh­men­de, Kon­su­mie­ren­de, loka­le Gemein­schaf­ten, Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen). Der Bund betei­ligt sich an der Umset­zung der CSR, nament­lich auch dort, wo er als Unter­neh­mens­ei­gen­tü­mer auf­tritt, und nimmt so eine Vor­bild­funk­ti­on wahr. Der­zeit prüft der Bund die Situa­ti­on im Zusam­men­hang mit die­ser Vorbildfunktion.

5. Die Swis­s­com – wie auch ande­re Fern­mel­de­dienst­an­bie­te­rin­nen – ver­fügt über Nut­zer­da­ten aus ihrer Kun­den­be­zie­hung. Soweit die­se Daten aus der Zeit vor der Teil­pri­va­ti­sie­rung im Jahr 1998 stam­men, ist zu bemer­ken, dass das Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­un­ter­neh­mungs­ge­setz bei der Über­füh­rung der Anstalts­tei­le der PTT in die Swis­s­com AG nicht vor­ge­se­hen hat, dass bestehen­de Kun­den­da­ten nicht wei­ter ver­wen­det wer­den dürf­ten. Dar­über hin­aus geniesst Swis­s­com auch bei der Nut­zung von Kun­den­da­ten grund­sätz­lich unter­neh­me­ri­sche Auto­no­mie, solan­ge sie sich ins­be­son­de­re an das Wett­be­werbs­recht, den Daten­schutz und das Fern­mel­de­ge­heim­nis hält.

Eine medi­en­po­li­tisch moti­vier­te Bestim­mung ent­hält das Bun­des­ge­setz über Radio und Fern­se­hen (RTVG). Gemäss Art. 29 RTVG darf die SRG bei nicht kon­zes­sio­nier­ten Tätig­kei­ten wie etwa der Wer­be­ver­mark­tung den Ent­fal­tungs­spiel­raum ande­rer Medi­en­un­ter­neh­men nicht erheb­lich beschränken.

Im Rah­men der Erar­bei­tung einer kohä­ren­ten und zukunfts­ori­en­tier­ten Daten­po­li­tik hat der Bund die bun­des­na­hen Betrie­be Post, SBB, Sky­gui­de, Swis­s­com sowie die SRG ein­ge­la­den, ihre Daten­be­stän­de zu inven­ta­ri­sie­ren und offen­zu­le­gen, wel­che Zugangs­be­din­gun­gen für die­se Daten gel­ten. Die Auf­li­stung der­je­ni­gen Daten­be­stän­de, die als offen (“open”) bzw. ein­ge­schränkt “(rest­ric­ted”) für eine all­fäl­li­ge Wei­ter­ver­wen­dung durch Drit­te zur Ver­fü­gung ste­hen, und die jewei­li­gen Zugangs­be­din­gun­gen zu die­sen Daten sol­len in geeig­ne­ter Form publi­ziert wer­den. Recht­lich gibt es kei­ne Grund­la­ge, um die bun­des­na­hen Betrie­be zu einer Publi­ka­ti­on von Daten­be­stän­den für eine Wei­ter­ver­wen­dung zu ver­pflich­ten. Ob die Ein­füh­rung einer sol­chen gemäss Ver­fas­sung über­haupt mög­lich wäre, müss­te sodann gege­be­nen­falls abge­klärt werden.

6. Das UVEK kam in sei­ner Ver­fü­gung vom 29. Febru­ar 2016 zum Schluss, dass der Ent­fal­tungs­spiel­raum ande­rer Medi­en­un­ter­neh­men durch die gemein­sa­me Wer­be­ver­mark­tung von SRG, Swis­s­com und Rin­gier nicht erheb­lich beschränkt wird. Da die­ses Ver­fah­ren beim Bun­des­ge­richt hän­gig ist, äussert sich der Bun­des­rat dazu nicht weiter.

7. Soll­ten sich Anzei­chen für eine Ver­let­zung des Kar­tell­rechts erge­ben, könn­te die Wett­be­werbs­kom­mis­si­on (WEKO) tätig wer­den. Das Wer­be­ver­mark­tungs­un­ter-neh­men Admei­ra wur­de von der WEKO geprüft und geneh­migt, da kei­ne Besei­ti­gung des wirk­sa­men Wett­be­werbs zu erwar­ten sei. Im Fern­mel­de­recht ist ins­be­son­de­re das Fern­mel­de­ge­heim­nis zu beach­ten, des­sen Ver­let­zung über­dies auch straf­recht­lich sank­tio­niert wird.

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