- Die EU-Richtlinie zu Plattformarbeit fördert rechtliche Zwecke für Plattformarbeiter, definiert Plattformunternehmen klar als Arbeitgeber.
- Generelle Verbesserung der Transparenz bei der Nutzung von Algorithmen in der Arbeitsplanung wird gefordert, um Arbeitnehmerrechte zu stärken.
- Der Bundesrat sieht derzeit keinen Handlungsbedarf zur Anpassung des Sozialversicherungsrechts in Bezug auf Plattformarbeit.
Eingereichter Text
Kürzlich hat die EU eine Richtlinie über die Plattformarbeit angenommen. Diese Richtlinie ist ein wichtiger Fortschritt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in der Plattformwirtschaft tätig sind. Damit werden zwei wichtige Prinzipien eingeführt: 1. Plattformunternehmen gelten automatisch als Arbeitgeber. 2. Bei der Verwendung von Algorithmen in der Arbeitsplanung wird mehr Transparenz verlangt.
Aufgrund der Annahme der EU-Richtlinie über Plattformarbeit bitten wir den Bundesrat, die folgenden Fragen zu beantworten:
- Welche Anpassungen wären nötig und wie könnte die Beweislastumkehr gesetzlich verankert werden? Gibt es Überlegungen in diese Richtung?
- Welche Massnahmen haben Bund und Kantone ergriffen, um Gerichtsurteile durchzusetzen, die Plattformen wie Uber oder Uber Eats als Arbeitgeber qualifizieren, um diese Unternehmen dem Arbeitsgesetz zu unterstellen und um sicherzustellen, dass Uber oder Uber Eats den Verpflichtungen als Arbeitgeber nachkommt?
- Wie viel Aufwand haben die Sozialversicherungen bisher betrieben, um die neuen Verträge der Plattformen, die eine selbstständige Tätigkeit vorsehen, zu bearbeiten und gerichtlich vorzugehen?
- Wie beurteilt der Bund die Richtlinie und welche Auswirkungen hat sie auf die Schweiz?
- Plant der Bundesrat, bei der Verwendung von Algorithmen Bestimmungen zur Transparenz einzuführen?
Begründung
Obwohl die geltenden Gesetze in der Schweiz im Prinzip ausreichen, um Plattformen als Arbeitgeber zu qualifizieren, wäre eine automatische Qualifikation auch in unserem Land sinnvoll, denn so könnte man multinationalen Konzernen, die in der Plattformwirtschaft tätig sind und systematisch Schwarzarbeit leisten lassen, indem sie Angestellte als Selbstständigerwerbende ausgeben, das Handwerk legen. Mit einer Anpassung des Obligationenrechts könnte die Vermutung eines Arbeitsverhältnisses gesetzlich verankert werden. Bei der Verwendung von Algorithmen ist es ebenfalls angezeigt, sich an der EU-Richtlinie zu orientieren. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht, über die Funktionsweise automatisierter Systeme informiert zu werden, und vor allem, die daraus resultierenden Entscheidungen anzufechten.
Stellungnahme des Bundesrats vom 15.5.2024
1. Der Bundesrat hat im Rahmen des Berichts “Digitalisierung – Prüfung einer Flexibilisierung des Sozialversicherungsrechts” vom 27. Oktober 2021 (abrufbar unter: www.bsv.admin.ch > Publikationen & Services > Berichte und Gutachten > Bundesratsberichte) den rechtlichen Rahmen und die verschiedenen Optionen einer Weiterentwicklung des Sozialversicherungsrechts in Bezug auf die neu auftretenden digitalen Geschäftsmodelle eingehend analysiert.
Im genannten Bericht hat der Bundesrat namentlich die Vor- und Nachteile einer gesetzlichen Regelung geprüft, bei Plattformbeschäftigten eine unselbständige Erwerbstätigkeit zu vermuten und die Möglichkeit diese Vermutung durch den gegenteiligen Beweis umzustossen. Der Bericht kommt zum Schluss, dass diesbezüglich derzeit kein weiterer Handlungsbedarf besteht.
2. Die Kantone organisieren ihre stichprobeweisen Kontrolltätigkeiten gestützt auf das Arbeitsgesetz eigenständig. Sie tun dies risikobasiert oder aufgrund von konkreten Anzeigen. Die Frage des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses wird durch das Bundesgericht jeweils für den konkreten Einzelfall beurteilt. Somit setzt in erster Linie die direkt betroffene kantonale Arbeitsinspektion (KAI) den ergangenen Entscheid um und informiert die anderen KAI und das SECO im Rahmen von bestehenden Gefässen über die gemachten Erfahrungen und das von ihnen gewählte Vorgehen. Da die Vertragsbedingungen von Uber/Uber Eats laufend angepasst werden, lassen sich die Entscheide oftmals nicht ohne weiteres direkt auf andere Situationen übertragen.
3. Das schweizerische Sozialversicherungssystem ist flexibel genug, um sich an die Entwicklungen der digitalen Wirtschaft und die neuen Arbeitsformen anzupassen. Die rechtliche Qualifizierung von Plattformbeschäftigten stellt deshalb für die Sozialversicherungsbehörden keine besondere Herausforderung dar. Sie erfolgt wie bei den anderen Erwerbstätigkeiten aufgrund der tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten mit einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Ein Mehraufwand ergibt sich für die Durchführungsstellen erst dann, wenn es zu einem gerichtlichen Verfahren kommt, da ein solches sehr aufwändig und langfristig sein kann. Der Umfang der diesbezüglich entstandenen Kosten und Aufwände der Sozialversicherungsträger ist nicht bekannt.
4. Die europäische Richtlinie zur Plattformarbeit ist derzeit formell noch nicht verabschiedet. Aus Sicht des Bundesrates ist es deshalb zu früh, eventuelle Konsequenzen abzuschätzen oder allfälligen Handlungsbedarf zu bestimmen.
5. Die von den Plattformen eingesetzten automatisierten Systeme werden bereits heute bei der Bestimmung des sozialversicherungsrechtlichen Status mitberücksichtigt, sofern sie einen Einfluss auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten haben. Wie der Bundesrat in seiner Antwort auf die Interpellation Feller (23.3516 «Grundsätzliches oder vorläufiges Verbot von bestimmten Plattformen der künstlichen Intelligenz») festgehalten hat, verfolgt er die Entwicklungen auf internationaler Ebene für die Regulierung von künstlicher Intelligenz aufmerksam und wird bei Bedarf die notwendigen Massnahmen ergreifen.