Interpellation Graf-Litscher (14.4194): Big Data. Potenzial und Entwicklungsperspektiven der Datenwirtschaft in der Schweiz
Hängig, Diskussion verschoben (19.06.2015)
Eingereichter Text
Der Bundesrat hat in der am 16. April 2014 genehmigten Open-Government-Data-Strategie Schweiz 2014 – 2018 die Bedeutung der Daten als Ressource umschrieben: “Daten sind der Rohstoff der Wissensgesellschaft. Im Zuge der Etablierung einer Informationsinfrastruktur, die von Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Bildung und Kultur rund um die Uhr genutzt wird, wächst die Datenmenge exponentiell an. Im Gegensatz zu materiellen Rohstoffen verknappen die Daten bei der Informations- und Wissensproduktion nicht, sondern führen zu neuen Daten, Informationen, Erkenntnissen und Dienstleistungen. Sie haben damit ein dauerhaftes Potenzial für die Schaffung von Mehrwert”. Die Europäische Kommission hat unter dem Schlagwort “Big Data” eine Partnerschaft mit der Datenindustrie mit einem Investitionsvolumen von 2,5 Milliarden Euro für die Jahre 2016 bis 2020 angekündigt, “um den Datensektor zu stärken und Europa eine Spitzenstellung im globalen Datenwettbewerb zu verschaffen” (MM Europäische Kommission 13.10.14). Die Europäische Kommission verspricht sich von diesem Vorhaben bis zu 30 Prozent des weltweiten Datenmarktes für europäische Anbieter, 100 000 neue Arbeitsplätze im Bereich Datenverarbeitung bis 2020 sowie einen um 10 Prozent geringeren Energieverbrauch, ein leistungsfähigeres Gesundheitswesen und weitere wirtschaftliche Vorteile.
Der Bundesrat wird aufgefordert, mit Bezug auf Open und Big Data die folgenden Fragen zu beantworten:
1. Welche Effizienz- und Leistungssteigerungen lassen sich durch eine umfassende und innovative Datennutzung im Energie‑, Verkehrs- und Gesundheitsbereich sowie in anderen Wirtschaftssektoren in der Schweiz erzielen?
2. Wie positioniert sich die Schweiz im globalen Datenwettbewerb, welcher Anteil am weltweiten Datenmarkt wird in den nächsten fünf Jahren angestrebt und wie viele neue Arbeitsplätze können in diesem Zeitraum (bis 2020) in der Datenwirtschaft geschaffen werden?
3. Mit welchen begleitenden Massnahmen, insbesondere in Forschung und Ausbildung sowie in der Innovationsförderung, kann die Entwicklung einer prosperierenden Datenwirtschaft in den nächsten Jahren optimal unterstützt und die führende Stellung der Schweiz im globalen Datenwettbewerb gesichert werden?
4. Wie wird gewährleistet, dass die Erträge der Datenwirtschaft nicht nur einigen wenigen marktbeherrschenden Firmen, sondern der gesamten Gesellschaft zugutekommen?
Stellungnahme des Bundesrats
Big Data sind gesammelte sowie aufgezeichnete grosse Datenmengen und komplexe Informationen jeglicher Herkunft. Die Menge an Informationen, die durch Big Data zur Verfügung steht, bietet neue Wege der Erkenntnisgewinnung und Möglichkeiten für alternative Geschäftsmodelle. Sie wirft aber auch Fragen des Daten- und Informationsschutzes auf. Open Government Data (OGD), die von den Behörden frei zur Verfügung gestellten Daten, sind Teil von Big Data. Der Bund beschäftigt sich zwar ebenfalls mit den Fragen rund um Big Data, ist als grosser Datenproduzent im Moment jedoch stärker im Bereich OGD aktiv. Deshalb konzentrieren sich die folgenden Antworten schwerpunktmässig auf diesen Bereich.
1. Big Data und offene (Behörden-)Daten ermöglichen für viele Wirtschaftssektoren innovative Nutzungen und eine höhere Qualität von Dienstleistungen. Eine Effizienz- und Leistungssteigerung kann bereits durch den schnelleren und einfacheren Zugriff auf wichtige Daten erreicht werden. Die umfangreiche Datengrundlage und die erhöhte Transparenz ermöglichen ausserdem effizientere Entscheidungen. In der Studie “Wirtschaftliche Auswirkungen von Open Government Data (OGD)” (http://www.egovernment.ch/umsetzung/00881/00883/01114/index.html?lang=de) wird die mögliche Wertschöpfung durch OGD in der Schweiz jährlich auf zwischen 0,9 Milliarden und 1,2 Milliarden Franken geschätzt.
2. Die Schweiz hat gute Voraussetzungen, eine Spitzenposition in der globalen Datenwirtschaft einzunehmen. Dies zeigt sich etwa darin, dass die Schweiz den sechsten Rang unter 148 Ländern im auf die Informations- und Telekommunikationstechnologien ausgerichteten “Networked Readiness Index 2014” des WEF einnimmt. Gestützt auf internationale Schätzungen und auf die durch die Nutzung von Open Government Data zu erwartende Wertschöpfung in der Schweiz könnten in den nächsten Jahren mehrere Tausend Arbeitsplätze im Datensektor entstehen. Zusätzlich bietet sich für die Schweiz insbesondere auf Grund der grossen Rechtssicherheit sowie der zuverlässigen Infrastruktur die Gelegenheit, sich als sicherer Ort (Save Haven) für legitim gesammelte Daten zu profilieren und diese vor unrechtmässigem Zugriff zu schützen.
3. Auf Seite des Bundes wird die Entwicklung der Datenwirtschaft in der Schweiz über die bestehenden Förderinstrumente für Forschung und Innovation sowie über die Anstrengungen zur Umsetzung der Open Government Data Strategie Schweiz 2014 – 2018 unterstützt. Daneben sind folgende Aktivitäten geplant: Der Bundesrat prüft die Lancierung eines Nationalen Forschungsprogramms (NFP) zum Thema “Big Data und Internet der Dinge” und hat dem Schweizerischen Nationalfonds den Auftrag erteilt, einen entsprechenden Vorschlag auszuarbeiten. In Umsetzung der Motion Rechsteiner Paul 13.3841 wird das EFD zudem eine Expertenkommission zur Zukunft der Datenbearbeitung und Datensicherheit einsetzen, die insbesondere gesellschafts- und wirtschaftspolitische Aspekte von Big Data untersucht. Zusätzlich kann die Schweiz als teilassoziierter Staat am Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 der EU teilnehmen und dabei auch von Fördermassnahmen und der internationalen Zusammenarbeit zum Themenkreis Big Data profitieren. Im Rahmen der Umsetzung der Open-Government-Data-Strategie-Schweiz beabsichtigt der Bund, die Verwendung von Open Data zu unterstützen. Durch geeignete Hilfsmittel soll den Nutzenden das technische wie inhaltliche Verständnis der Behördendaten erleichtert werden. Mit dem Aufbau des Open-Data-Portals Schweiz leistet der Bundesrat schliesslich einen wichtigen Beitrag zu einer nationalen Dateninfrastruktur.
4. Der Bundesrat ist sich seiner Verantwortung bewusst, einer möglichen sozioökonomischen Asymmetrie in der neuen Datenwirtschaft entgegenzuwirken. Er hat mit seiner Open-Government-Data-Strategie-Schweiz die Grundlagen geschaffen, um die negativen Folgen dieser Entwicklung einzudämmen. Mit dem Aufbau eines OGD-Portals stellt der Bundesrat sicher, dass offene, das heisst frei weiterverwendbare Behördendaten in der Schweiz allen in gleichem Masse zugänglich gemacht werden und somit von allen genutzt werden können, sofern die Publikation nicht gegen geltendes Recht (insbesondere Daten- und Informationsschutzbestimmungen) verstösst. Im Rahmen der Umsetzungsevaluation der bundesrätlichen Strategie für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz wird der Bundesrat bis Ende Jahr prüfen, welcher weitere Handlungsbedarf sich im Bereich Big Data für den Bund ergibt. Geprüft wird insbesondere, ob Handlungsbedarf auf folgenden Gebieten besteht: Datenschutz und Verfügungsrecht über eigene Daten (“my data”) sowie Unterstützung der Entwicklung einer Dateninfrastruktur und Förderung der Fachkompetenz im Bereich Big Data.