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Inter­pel­la­ti­on Maz­zo­ne (17.4230): Ver­wand­ten­re­cher­che mit­tels DNA im Rah­men von Straf­ver­fah­ren. Wird der Bun­des­rat dar­auf verzichten?

Inter­pel­la­ti­on Maz­zo­ne (17.4230): Ver­wand­ten­re­cher­che mit­tels DNA im Rah­men von Straf­ver­fah­ren. Wird der Bun­des­rat dar­auf verzichten?

Ein­ge­reich­ter Text

1. Wie beur­teilt der Bun­des­rat den Ein­satz der Ver­wand­ten­re­cher­che mit­hil­fe der DNA-Daten­bank unter dem Gesichts­punkt der Ein­hal­tung der Grundrechte?

2. Die Metho­de ist umstrit­ten und hat bis jetzt ihre Wirk­sam­keit noch nicht bewie­sen. Wird der Bun­des­rat im Rah­men der Revi­si­on des DNA-Pro­fil-Geset­zes die Ver­wen­dung die­ser Metho­de verbieten?

3. Wenn der Bun­des­rat die Ver­wen­dung die­ser Metho­de trotz­dem zulas­sen will, ist er bereit, die Ver­wen­dung für beson­ders schwe­re Ver­bre­chen ein­zu­schrän­ken und zu defi­nie­ren, was als schwe­res Ver­bre­chen gilt? 

Begrün­dung

Seit 2015 ist dem Bun­des­ge­richt zufol­ge die Ver­wen­dung eines umstrit­te­nen Ver­fah­rens zuläs­sig: der Ver­wand­ten­re­cher­che mit­tels DNA-Daten­bank. Das Ver­fah­ren ermög­licht es, zwi­schen der am Tat­ort fest­ge­stell­ten DNA und den in der natio­na­len DNA-Pro­fil-Daten­bank Codis gespei­cher­ten Pro­fi­len nach par­ti­el­len Über­ein­stim­mun­gen zu suchen. Eine par­ti­el­le Über­ein­stim­mung kann dar­auf hin­deu­ten, dass die in Codis gespei­cher­te Per­son mit der ver­däch­tig­ten Per­son nah ver­wandt ist.

Der Eid­ge­nös­si­sche Daten­schutz- und Öffent­lich­keits­be­auf­trag­te hat dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die­se Metho­de kri­mi­nal­po­li­tisch und grund­recht­lich bedenk­lich ist. Da es sich bei der DNA um beson­ders schüt­zens­wer­te bio­me­tri­sche Per­so­nen­da­ten han­delt, braucht es für deren Ver­wen­dung eine expli­zi­te gesetz­li­che Grund­la­ge. Die­se fehlt für die Ver­wand­ten-Recher­che. Hin­zu kommt, dass das Ver­fah­ren eine gra­vie­ren­de Ver­let­zung der Pri­vat­sphä­re der in Codis gespei­cher­ten Per­so­nen dar­stellt. Die mit dem mut­mass­li­chen Täter oder der mut­mass­li­chen Täte­rin ver­wand­te Per­son wird ein­zig auf­grund ihrer Ver­wandt­schafts­be­zie­hung in ein Ver­fah­ren invol­viert. Wäh­rend in einem Straf­pro­zess die Ver­wand­ten einer beschul­dig­ten Per­son das Recht haben, das Zeug­nis zu ver­wei­gern, ist hier ihr Ein­ver­ständ­nis nicht erfor­der­lich. Schliess­lich ist zu beden­ken, dass das Ver­fah­ren nicht den erhoff­ten Erfolg bringt: In kei­nem der bis­her rund fünf­zehn Anwen­dun­gen hat es zur Auf­klä­rung der Tat geführt. Denn oft ist die Ähn­lich­keit des Erb­guts dem Zufall geschuldet.

Der Eid­ge­nös­si­sche Daten­schutz- und Öffent­lich­keits­be­auf­trag­te ist der Ansicht, dass die Ver­wand­ten-Recher­che, wenn sie denn zuge­las­sen wird, nur bei beson­ders schwe­ren Ver­bre­chen zur Anwen­dung kom­men darf und nur als letz­tes Mit­tel, wenn die Abfra­ge schwei­ze­ri­scher und aus­län­di­scher Daten­ban­ken zu kei­nem Ergeb­nis geführt hat. Zudem müs­se der Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ssig­keit ein­ge­hal­ten wer­den. Fed­pol lässt in der Pres­se jedoch ver­lau­ten, dass es nicht aus­schliesst, die Metho­de bei­spiels­wei­se bei Ein­bruch­dieb­stäh­len zu verwenden. 

Stel­lung­nah­me des Bun­des­rats vom 14.2.2018

1. Der Bun­des­rat kennt die aktu­el­le Pra­xis im Zusam­men­hang mit der Durch­füh­rung von Ver­wand­ten­re­cher­chen, wie sie gestützt auf das DNA-Pro­fil-Gesetz (SR 363) durch­ge­führt wer­den. Die im Ein­zel­fall zustän­di­ge Staats­an­walt­schaft rich­tet den Auf­trag zur Durch­füh­rung eines sol­chen spe­zi­el­len Such­laufs im DNA-Pro­fil-Infor­ma­ti­ons­sy­stem an das Bun­des­amt für Poli­zei (fed­pol), das ihn nach einer for­mel­len Prü­fung zur Bear­bei­tung an die DNA-Koor­di­na­ti­ons­stel­le am Insti­tut für Rechts­me­di­zin der Uni­ver­si­tät Zürich wei­ter­lei­tet. Das Bun­des­straf­ge­richt hat mit sei­nem Urteil vom 6. Okto­ber 2015 (Ent­scheid BB.2015.17) ent­schie­den, dass der Zweck des DNA-Pro­fil-Geset­zes – die Stei­ge­rung der Effi­zi­enz der Straf­ver­fol­gung – die­se Ermitt­lungs­me­tho­de mit­ein­schliesst. Die Ver­wand­ten­re­cher­che kann somit gestützt auf den gel­ten­den Wort­laut des DNA-Pro­fil-Geset­zes durch­ge­führt wer­den. Dies bedeu­tet, dass den Schran­ken, die die­ses Gesetz zum Schutz der Grund­rech­te der betrof­fe­nen Per­son für die Stan­dard-Such­läu­fe zur Täter­iden­ti­fi­ka­ti­on vor­sieht, eben­so auch die Such­läu­fe zur Eru­ie­rung all­fäl­li­ger Ver­wand­ter der mut­mass­li­chen Täte­rin oder des mut­mass­li­chen Täters im DNA-Pro­fil-Infor­ma­ti­ons­sy­stem unterliegen.

2./3. Das Instru­ment der Ver­wand­ten­re­cher­che steht den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den zur Ver­fü­gung und wird aktu­ell genutzt: Wenn die Suche nach der mut­mass­li­chen Täte­rin oder dem mut­mass­li­chen Täter im DNA-Pro­fil-Infor­ma­ti­ons­sy­stem kei­nen Tref­fer ergibt und auch die übri­gen Ermitt­lungs­me­tho­den ergeb­nis­los ver­lau­fen, kann sich die­ses Instru­ment als letz­tes Mit­tel erwei­sen, um Erkennt­nis­se für ein Straf­ver­fah­ren zu gewin­nen. Seit dem vor­ne erwähn­ten Urteil des Bun­des­straf­ge­richts vom Okto­ber 2015 sind rund fünf­zehn sol­cher Such­läu­fe im Infor­ma­ti­ons­sy­stem durch­ge­führt wor­den. Die bis­he­ri­ge Pra­xis zeigt, dass die Ver­wand­ten­re­cher­che nur in wich­ti­gen Fäl­len ange­ord­net wird. Soweit ersicht­lich haben sich damit in der Schweiz noch kei­ne Täter­iden­ti­fi­ka­tio­nen erzie­len las­sen. In aus­län­di­schen Staa­ten, in denen die Ver­wand­ten­re­cher­che teil­wei­se seit Jah­ren ein­ge­setzt wird, hat sich der kon­kre­te Nut­zen die­ses Instru­ments indes klar erwie­sen. Der Bun­des­rat wird noch in die­sem Jahr die Ver­nehm­las­sungs­vor­la­ge zur Teil­re­vi­si­on des DNA-Pro­fil-Geset­zes in Umset­zung der Moti­on Vita­li 15.4150 vor­le­gen. Dabei wird auch die aktu­el­le Pra­xis zur Ver­wand­ten­re­cher­che und ein all­fäl­li­ger gesetz­ge­be­ri­scher Rege­lungs­be­darfs geprüft. Die­se Vor­la­ge wird gegen­wär­tig von fed­pol zu Hän­den der vor­ge­setz­ten Instan­zen aus­ge­ar­bei­tet, dies gestützt auf die Bera­tun­gen einer Exper­ten­grup­pe mit Ver­tre­tern der Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den der Kan­to­ne, der Rechts­me­di­zin, der Medi­zin­ethik und des Daten­schut­zes sowie mit Fach­leu­ten aus dem Eid­ge­nös­si­schen Justiz- und Polizeidepartement. 

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