Eingereichter Text
1. Wie beurteilt der Bundesrat den Einsatz der Verwandtenrecherche mithilfe der DNA-Datenbank unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung der Grundrechte?
2. Die Methode ist umstritten und hat bis jetzt ihre Wirksamkeit noch nicht bewiesen. Wird der Bundesrat im Rahmen der Revision des DNA-Profil-Gesetzes die Verwendung dieser Methode verbieten?
3. Wenn der Bundesrat die Verwendung dieser Methode trotzdem zulassen will, ist er bereit, die Verwendung für besonders schwere Verbrechen einzuschränken und zu definieren, was als schweres Verbrechen gilt?
Begründung
Seit 2015 ist dem Bundesgericht zufolge die Verwendung eines umstrittenen Verfahrens zulässig: der Verwandtenrecherche mittels DNA-Datenbank. Das Verfahren ermöglicht es, zwischen der am Tatort festgestellten DNA und den in der nationalen DNA-Profil-Datenbank Codis gespeicherten Profilen nach partiellen Übereinstimmungen zu suchen. Eine partielle Übereinstimmung kann darauf hindeuten, dass die in Codis gespeicherte Person mit der verdächtigten Person nah verwandt ist.
Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte hat darauf hingewiesen, dass diese Methode kriminalpolitisch und grundrechtlich bedenklich ist. Da es sich bei der DNA um besonders schützenswerte biometrische Personendaten handelt, braucht es für deren Verwendung eine explizite gesetzliche Grundlage. Diese fehlt für die Verwandten-Recherche. Hinzu kommt, dass das Verfahren eine gravierende Verletzung der Privatsphäre der in Codis gespeicherten Personen darstellt. Die mit dem mutmasslichen Täter oder der mutmasslichen Täterin verwandte Person wird einzig aufgrund ihrer Verwandtschaftsbeziehung in ein Verfahren involviert. Während in einem Strafprozess die Verwandten einer beschuldigten Person das Recht haben, das Zeugnis zu verweigern, ist hier ihr Einverständnis nicht erforderlich. Schliesslich ist zu bedenken, dass das Verfahren nicht den erhofften Erfolg bringt: In keinem der bisher rund fünfzehn Anwendungen hat es zur Aufklärung der Tat geführt. Denn oft ist die Ähnlichkeit des Erbguts dem Zufall geschuldet.
Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte ist der Ansicht, dass die Verwandten-Recherche, wenn sie denn zugelassen wird, nur bei besonders schweren Verbrechen zur Anwendung kommen darf und nur als letztes Mittel, wenn die Abfrage schweizerischer und ausländischer Datenbanken zu keinem Ergebnis geführt hat. Zudem müsse der Grundsatz der Verhältnismässigkeit eingehalten werden. Fedpol lässt in der Presse jedoch verlauten, dass es nicht ausschliesst, die Methode beispielsweise bei Einbruchdiebstählen zu verwenden.
Stellungnahme des Bundesrats vom 14.2.2018
1. Der Bundesrat kennt die aktuelle Praxis im Zusammenhang mit der Durchführung von Verwandtenrecherchen, wie sie gestützt auf das DNA-Profil-Gesetz (SR 363) durchgeführt werden. Die im Einzelfall zuständige Staatsanwaltschaft richtet den Auftrag zur Durchführung eines solchen speziellen Suchlaufs im DNA-Profil-Informationssystem an das Bundesamt für Polizei (fedpol), das ihn nach einer formellen Prüfung zur Bearbeitung an die DNA-Koordinationsstelle am Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich weiterleitet. Das Bundesstrafgericht hat mit seinem Urteil vom 6. Oktober 2015 (Entscheid BB.2015.17) entschieden, dass der Zweck des DNA-Profil-Gesetzes – die Steigerung der Effizienz der Strafverfolgung – diese Ermittlungsmethode miteinschliesst. Die Verwandtenrecherche kann somit gestützt auf den geltenden Wortlaut des DNA-Profil-Gesetzes durchgeführt werden. Dies bedeutet, dass den Schranken, die dieses Gesetz zum Schutz der Grundrechte der betroffenen Person für die Standard-Suchläufe zur Täteridentifikation vorsieht, ebenso auch die Suchläufe zur Eruierung allfälliger Verwandter der mutmasslichen Täterin oder des mutmasslichen Täters im DNA-Profil-Informationssystem unterliegen.
2./3. Das Instrument der Verwandtenrecherche steht den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung und wird aktuell genutzt: Wenn die Suche nach der mutmasslichen Täterin oder dem mutmasslichen Täter im DNA-Profil-Informationssystem keinen Treffer ergibt und auch die übrigen Ermittlungsmethoden ergebnislos verlaufen, kann sich dieses Instrument als letztes Mittel erweisen, um Erkenntnisse für ein Strafverfahren zu gewinnen. Seit dem vorne erwähnten Urteil des Bundesstrafgerichts vom Oktober 2015 sind rund fünfzehn solcher Suchläufe im Informationssystem durchgeführt worden. Die bisherige Praxis zeigt, dass die Verwandtenrecherche nur in wichtigen Fällen angeordnet wird. Soweit ersichtlich haben sich damit in der Schweiz noch keine Täteridentifikationen erzielen lassen. In ausländischen Staaten, in denen die Verwandtenrecherche teilweise seit Jahren eingesetzt wird, hat sich der konkrete Nutzen dieses Instruments indes klar erwiesen. Der Bundesrat wird noch in diesem Jahr die Vernehmlassungsvorlage zur Teilrevision des DNA-Profil-Gesetzes in Umsetzung der Motion Vitali 15.4150 vorlegen. Dabei wird auch die aktuelle Praxis zur Verwandtenrecherche und ein allfälliger gesetzgeberischer Regelungsbedarfs geprüft. Diese Vorlage wird gegenwärtig von fedpol zu Händen der vorgesetzten Instanzen ausgearbeitet, dies gestützt auf die Beratungen einer Expertengruppe mit Vertretern der Strafverfolgungsbehörden der Kantone, der Rechtsmedizin, der Medizinethik und des Datenschutzes sowie mit Fachleuten aus dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement.