Eingereichter Text
In der Schweiz gibt es viele private Biobanken, die sich im Besitz von Unternehmen befinden und ihren Kundinnen und Kunden die Möglichkeit bieten, biologisches Material aufzubewahren, insbesondere die Nabelschnur zur Einlagerung von Stammzellen. Letztere sind bei der Behandlung von Krankheiten wie beispielsweise bei bestimmten Formen der Leukämie nützlich. Ein ganzer Bereich der experimentellen Forschung zielt darauf ab, die Verwendung von Stammzellen zu erweitern. Ob diese Erwartungen aber je erfüllt werden, ist ungewiss.
Ein Unternehmen in Genf, Cryo-Save, rückte nach seinem Konkurs in den letzten Monaten in den Fokus. Der Vorfall hat gezeigt, dass die meisten Leistungen nicht garantiert werden konnten. Die Proben sollten in der Schweiz aufbewahrt werden, wurden aber in verschiedene Länder – insbesondere nach Polen – gebracht, ohne dass ihre Besitzerinnen und Besitzer benachrichtigt wurden. Noch schlimmer ist, dass die Proben nicht mehr zurückverfolgt werden können. Die betroffenen Familien haben das Nachsehen.
Das Unternehmen unterstand der Kontrolle von Swissmedic. Aufgrund der jüngsten Ereignisse, frage ich den Bundesrat:
1. Kann der Bundesrat angeben, wie viele Unternehmen das Lagern von bei der Geburt gewonnenen hämatopoetischen Stammzellen anbieten?
2. Kann er die Kontrollverfahren, denen diese Unternehmen unterliegen und die Kontrollverfahren, die bei Cryo-Save vor dem Konkurs angewendet wurden, beschreiben?
3. Einige Abnehmer haben sich bereits gemeldet. Welches Zulassungsverfahren haben diese durchlaufen? Welche Massnahmen haben die Behörden ergriffen, um den Schutz der Kundinnen und Kunden zu gewährleisten (durch die Überprüfung der an die Kundinnen und Kunden übermittelten Informationen und den Schutz besonders schützenswerten Personendaten)?
4. Die grosse Mehrheit der Kundinnen und Kunden dieser Unternehmen hat ihren Wohnsitz im Ausland. Diese Unternehmen spielen also mit dem guten Ruf der Dienstleistungsqualität in der Schweiz. Hält es der Bundesrat nicht für notwendig, die Aufsicht zu verschärfen und Dienstleistungsverträge, die den Kundinnen und Kunden wenig Garantie bieten und damit dem Ruf der Schweizer Medizinalunternehmen schaden, besser zu regulieren?
5. Würde ein Gesetz über Biobanken oder eine Änderung des Transplantationsgesetzes den Kundenschutz und den guten Ruf des Qualitätslabels “Schweiz” stärken?
Stellungnahme des Bundesrats vom 19.2.2020
1./2. Die Einlagerung von Blut-Stammzellen aus dem Nabelschnurblut ist im Transplantationsgesetz (SR 810.21) geregelt. Diesem zufolge muss die Einlagerung von Blut-Stammzellen aus dem Nabelschnurblut für eine spätere allogene Transplantation (d.h. die spendende und empfangende Person sind nicht identisch) durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bewilligt werden. Für die Lagerung zur autogenen Verwendung (d.h. die spendende und empfangende Person sind identisch) sieht das Transplantationsgesetz keine Bewilligungs- sondern lediglich eine Meldepflicht gegenüber dem Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic vor.
Den Aufsichtsbehörden ist aufgrund der Bewilligungen und Meldungen bekannt, dass gegenwärtig in der Schweiz fünf private Firmen die Einlagerung von Blut-Stammzellen aus dem Nabelschnurblut anbieten, zwei davon nur zur autogenen Verwendung. Zusätzlich verfügen vier Spitäler über eine Bewilligung des BAG zur Lagerung von Blut-Stammzellen aus dem Nabelschnurblut zur allogenen Verwendung.
Das Transplantationsgesetz sieht zudem Anforderungen hinsichtlich Qualität der Lagerung und Sicherheit der eingelagerten Stammzellen vor. Vor der Erteilung einer Bewilligung für Tätigkeiten mit Blut-Stammzellen zum Zweck der allogenen Transplantation erfolgt bei jeder gesuchstellenden Institution eine Inspektion. Dabei wird geprüft, ob die rechtlichen Voraussetzungen zur Erteilung der Bewilligung erfüllt sind. Bewilligungsinhaber sowie Nabelschnurblutbanken, die nur einer Meldepflicht unterstehen, können bei Bedarf jederzeit inspiziert werden. Die Aufsicht kommt Swissmedic und dem BAG zu. Diese können auch jederzeit Informationen zu Tätigkeiten einfordern.
Zudem legt die Transplantationsverordnung (SR 810.211) für den Umgang mit Geweben und Zellen (inklusive Blut-Stammzellen) verschiedene Meldepflichten fest, wie beispielweise die Meldung der Anzahl gelagerten oder eingeführten Blut-Stammzellen. Durch solche Informationen können sich die Behörden einen Überblick über die Aktivitäten der meldenden Nabelschnurblutbank verschaffen. Dieses Vorgehen ist auch bei Cryo-Save AG zur Anwendung gekommen.
3. Beabsichtigen Nabelschnurblutbanken die Einführung von Nabelschnurbluteinheiten in die Schweiz, bspw. im Fall der ehemaligen Kundinnen und Kunden von Cryo-Save AG, müssen sie die Voraussetzungen gemäss Transplantationsgesetz erfüllen: Für die Einfuhr von Nabelschnurblut zur autogenen Transplantation muss die Nabelschnurblutbank ihrer Meldepflicht nachkommen. Die Einfuhr von Nabelschnurbluteinheiten zur allogenen Transplantation unterliegt der Bewilligungspflicht.
Die inhaltlichen Anforderungen an die Nabelschnurblutbanken betreffen insbesondere die Qualitätssicherung und die Sicherheit der Nabelschnurbluteinheiten (siehe auch Antwort zur Frage 2). Weitere, über die Anforderungen des Transplantationsgesetzes hinausgehende Voraussetzungen, auch bezüglich Datenschutz, kann das BAG von den Firmen nicht einfordern.
4./5. Im Rahmen der zurzeit in Erarbeitung stehenden Teilrevision des Transplantationsgesetzes wird unter anderem geprüft, ob es bezüglich Nabelschnurblutbanken Verbesserungspotential bei den rechtlichen Vorgaben und der Verhinderung von allfälligen Reputationsrisiken gibt. Geprüft wird zum Beispiel die Praxistauglichkeit der Differenzierung bezüglich Bewilligungs- und Meldepflichten sowie die aktuell bestehenden Zuständigkeiten zweier Behörden. Dabei werden auch die Vorgaben in anderen Ländern und die anwendbaren internationalen Normen berücksichtigt.
Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass das Transplantationsgesetz ein auf den Gesundheitsschutz und die Qualität ausgerichtetes Gesetz ist, worauf sich auch das Bewilligungs- und Meldewesen bezieht. Privatrechtliche Aspekte wie die konkreten Lagerungsverpflichtungen einer privaten Nabelschnurblutbank gegenüber ihren Kundinnen und Kunden sowie der Nachweis finanzieller Sicherheiten eines Betriebs stehen nicht im Fokus und sind von der Aufsicht durch die Gesundheitsbehörden ausgeschlossen.