Interpellation Reimann (12.3868): KMU-Fernmeldeanbieter und Echtzeitüberwachung
26.09.2014: abgeschrieben
Eingereichter Text
In der Schweiz gibt es nicht nur eine Handvoll grosser Fernmeldeanbieter. Es gibt im Gegenteil mehrere Hundert Fernmeldeanbieter, von denen die meisten kleine KMU sind.
Mit der Inkraftsetzung der neuen Vüpf am 1. Januar 2012 drohen den KMU-Fernmeldeanbietern nun massiv höhere Kosten bei der Echtzeitüberwachung. Viele sind durch die neue Regelung gar in ihrer Existenz bedroht.
Obwohl die Cybercrime-Konvention des Europarates bestimmt, dass die Fernmeldeanbieter entweder eine technische Lösung implementieren müssen oder zur Kooperation für Echtzeitüberwachungen gezwungen werden können (Art. 20 Abs. 1b), hat sich der Bundesrat in der Vüpf nur für die erste Variante entschieden: Artikel 25 Absatz 4 und Artikel 17 Absatz 4 der Vüpf zwingen Fernmeldeanbieter unabhängig von ihrer Grösse, eine technische Lösung einzuführen. Eine Kooperationslösung ist nicht vorgesehen.
Die Kosten einer Lösung gemäss erster Variante belaufen sich allerdings auf um die 100 000 Franken. Je kleiner ein Fernmeldeanbieter ist, je weniger Echtzeitüberwachungsfälle muss er dabei bearbeiten. Für viele Anbieter gibt es erfahrungsgemäss sogar überhaupt keine Fälle. Die Kosten sind aber für alle Anbieter dieselben, und sie fallen vor allem unabhängig von der Zahl der Überwachungsfälle an.
Dies wirft folgende Fragen auf:
1. Wie verträgt sich diese Regelung mit den Bundesratszielen für eine KMU-freundliche Politik?
2. Findet es der Bundesrat verhältnismässig, dass die kleinen Anbieter die genau gleichen Kosten tragen müssen wie die grossen?
3. Warum berücksichtigt der Bund bei seiner Regelung die bei den kleinen Anbietern fehlenden Skaleneffekte nicht?
4. Sind für die Revision des Büpf auch Ausnahmen für KMU-Provider im Sinn von Artikel 20 Absatz 1b Ziffer ii der Cybercrime-Konvention geplant?
5. Die aktuelle Vüpf berücksichtigt die KMU-Anbieter ebenfalls noch nicht. Müsste die aktuelle Vüpf nicht entsprechend angepasst werden, um dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu entsprechen?
Stellungnahme des Bundesrats
Die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) machen 99,7 Prozent der marktwirtschaftlichen Unternehmen in der Schweiz aus und beschäftigen zwei Drittel der Erwerbstätigen. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass KMU verhältnismässig stärker unter administrativen und rechtlichen Belastungen leiden und oft Schwierigkeiten bei der Finanzierung haben. Im Interesse der Stärkung des Wirtschaftsstandortes Schweiz ist ihnen daher insbesondere bei der Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen besonders Beachtung zu schenken.
Das geltende Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) sieht keine Unterscheidung zwischen kleinen und grossen Fernmeldedienstanbieterinnen (FDA) vor. Demzufolge werden alle FDA gleichermassen zur Durchführung von Fernmeldeüberwachungen verpflichtet. Entsprechend sieht derzeit auch die geltende Verordnung des Bundesrates vom 31. Oktober 2001 über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Vüpf; SR 780.11) keine solche Unterscheidung vor.
Im März 2006 hat der Bundesrat die Totalrevision des Büpf initiiert. Er wird demnächst eine entsprechende Botschaft verabschieden. Aus diesem Anlass wird er auch zur Frage Stellung nehmen, ob bestimmte FDA ganz oder teilweise von ihren gesetzlichen Verpflichtungen befreit werden können. Namentlich wird er abwägen, ob FDA, die Dienstleistungen von geringer wirtschaftlicher Bedeutung erbringen, von bestimmten gesetzlichen Pflichten befreit und stattdessen beispielsweise lediglich einer Kooperationspflicht unterstellt werden können. Er wird seinen Entscheid in Kenntnis der Situation der KMU sowie unter Berücksichtigung der teils divergierenden Interessen der Wirtschaftsfreiheit, der öffentlichen Sicherheit und des Bundesfinanzhaushalts treffen. Im Anschluss an die Totalrevision des Büpf wird schliesslich auch die Vüpf angepasst werden und gegebenenfalls eine differenzierte Regelung für KMU vorsehen müssen.
Das geltende Büpf schreibt weiter vor, dass die Kosten für die Erstellung der Überwachungsbereitschaft (Investitionskosten) zulasten der FDA gehen. Für die Durchführung einer konkreten Überwachung erhalten sie Entschädigungen, die zur Deckung des damit verbundenen Aufwands (Betriebskosten) bestimmt sind. Es war nicht die Absicht des Gesetzgebers, dass die Investitionskosten über Entschädigungen amortisiert werden. Folglich sollten auch grosse FDA nicht in den Genuss von einem Skaleneffekt im Sinne einer Amortisation der Investitionskosten durch Entschädigungen bei der Durchführung zahlreicher Überwachungen kommen.
Die Kosten für die Erstellung der Überwachungsbereitschaft hängen nebst dem Dienstleistungsangebot einer FDA massgebend von der jeweils von ihr gewählten technischen und organisatorischen Lösung ab. Dabei haben die FDA schon nach geltendem Recht die Möglichkeit, sich für Erwerb und Betrieb von Überwachungsinfrastruktur zusammenzuschliessen oder die Überwachung auf hierauf spezialisierte Unternehmen auszulagern, um ihren Pflichten kostengünstiger nachzukommen.
rwachung