Interpellation Schwaab (15.3045): Zwingt uns das Tisa-Abkommen einen zweitklassigen Schutz der Privatsphäre auf?
Noch nicht behandelt; Diskussion verschoben (19.06.2015)
Eingereichter Text
Ich stelle dem Bundesrat folgende Fragen:
1. Kann er bestätigen, dass die in der Begründung erwähnten Vorschläge zur Debatte standen?
2. Könnten diese Vorschläge möglicherweise in das Schlussabkommen aufgenommen werden?
3. Was hätten solche Bestimmungen für Auswirkungen auf den Schutz der Privatsphäre in der Schweiz?
4. Könnten solche Bestimmungen die Anwendung und Stärkung der Schweizer Gesetzgebung zum Datenschutz, insbesondere Artikel 6 DSG und Artikel 13 der Bundesverfassung, beeinträchtigen?
5. Könnten solche Bestimmungen die Anwendung von Artikel 47 BankG beeinträchtigen?
6. Unterstützt der Bundesrat diese Vorschläge? Wenn ja, warum?
7. Könnte eine solche Unsicherheit im Datenschutz nicht die Weiterentwicklung der Datenaufbewahrung in der Schweiz beeinträchtigen?
Begründung
Gemäss den an die Öffentlichkeit gelangten Dokumenten im Zusammenhang mit der Aushandlung des Tisa-Abkommens werden auf Antrag der USA die folgenden Bestimmungen des Abkommens (und seiner Anhänge) verhandelt:
Article X.2: Local Content
l. Subject to any conditions, limitations and qualifications set out in its Schedule, no Party may, in connection with the supply of a service by a service supplier, impose or enforce any requirement; enforce any commitment or undertaking; or, in connection with the supply of a service through commercial presence, condition the receipt or continued receipt of an advantage on compliance with any requirement:
(a) to purchase, use or accord a preference to:
…
(iii) computing facilities located in its territory or computer processing or storage services supplied from within its territory;
Article X.4: Movement of Information
No Party may prevent a service supplier of another Party from transferring, accessing, processing or storing information, including personal information, within or outside the Party’s territory, where such activity is carried out in connection with the conduct of the service supplier’s business.
Diese Bestimmungen könnten darauf hinauslaufen, dass es den Tisa-Vertragsstaaten untersagt ist, die grenzüberschreitende Bekanntgabe von Personendaten (selbst an ein Land mit unzureichenden Standards) zu verhindern. Die Vertragsstaaten könnten auch nicht mehr die Aufbewahrung von Daten in der Schweiz verlangen. Der stellvertretende Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte zeigt sich besorgt (“Le Matin” vom 12. Januar 2015).
Stellungnahme des Bundesrats
1. – 3. Die Verhandlungen zum Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (Trade in Services Agreement – Tisa) beinhalten diverse Vorschläge zu verschiedensten Themen, einschliesslich zum Themenkreis IKT (Informations- und Kommunikationstechnologien). Der Bundesrat kommentiert von unbekannter Seite an die Öffentlichkeit gebrachtes Textmaterial und dessen Authentizität grundsätzlich nicht. Unabhängig von deren Herkunft und Aktualität erinnert der Bundesrat daran, dass im Tisa-Prozess – wie in anderen ähnlichen Verhandlungen – die eingebrachten Textvorschläge der Verhandlungsdynamik und einem regen Abänderungs- und Verwerfungsprozess einer Gruppe von über 20 Verhandlungsparteien unterliegen. Deshalb wäre im aktuellen Stadium der Tisa-Verhandlungen jegliche Prognose allfälliger Verhandlungsresultate und deren Auswirkungen spekulativ.
4. – 6. Der Bereich IKT ist eng mit den Themen Datenschutz und Privatsphäre verknüpft. Die Schweizer Verhandlungsdelegation prüft deshalb alle Vorschläge insbesondere im Bereich IKT auch mit Blick auf diese Themen und unterstützt wo nötig Ausnahmen bzw. bringt Vorbehalte ein oder lehnt Vorschläge ab, um Unvereinbarkeiten des Tisa mit der Schweizer Rechtsordnung (einschliesslich der genannten Bestimmungen der Bundesverfassung, des DSG und des BankG) zu vermeiden. Tisa hindert die Schweiz nicht, an ihren Bestimmungen über Privatsphäre und Datenschutz festzuhalten.
7. Der Bundesrat wird kein Verhandlungsergebnis akzeptieren, das die Weiterentwicklung der Datenaufbewahrung in der Schweiz beeinträchtigen und eine entsprechende Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über den Datenschutz und den Persönlichkeitsschutz nötig machen würde. Der gesetzliche Daten- und Persönlichkeitsschutz der Schweiz trägt zu einem günstigen Umfeld u. a. auch für Datenspeicherungs-Dienstleistungen bei. Im Hinblick auf das Verhandlungsergebnis strebt der Bundesrat eine Stärkung der Rahmenbedingungen für aktuelle und mögliche zukunftsträchtige Geschäftsfelder der Schweizer Wirtschaft und ihre Arbeitsplätze an, auch im Bereich IKT.