Der Nationalrat hat die Motion Amherd (14.3367): Sexting bekämpfen vom 07.05.2014 am 15. Juni 2016 angenommen, entgegen der Empfehlung des Bundesrats. Bundesrätim Sommaruga hat in der Beratung begründet, weshalb aus Sicht des Bundesrats eine neue Strafnorm nicht erforderlich ist:
Nun möchte die Motionärin die Strafbarkeit ausdehnen auf das unbefugte Weiterverbreiten intimer Fotos und Filme von Drittpersonen, die nicht pornografisch sind. Die Regelungen im Strafgesetzbuch zur Nötigung und Drohung bieten nach Auffassung des Bundesrates aber genügend Schutz vor dem Weiterverbreiten nichtpornografischer Bilder. Wir sind der Meinung, dass es jetzt nicht noch eine zusätzliche Strafnorm braucht. Weil die abgebildete Person das fragliche Bild ja ursprünglich selber weitergegeben hat, trägt sie aus strafrechtlicher Sicht auch eine gewisse Verantwortung dafür, was später mit dem Bild passiert. Das Strafrecht soll nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn die anderen Vorschriften der Rechtsordnung nicht ausreichen. Beim Sexting kommen aber nicht nur Strafbestimmungen, sondern auch die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches zum Schutz der Persönlichkeit zur Anwendung. Personen, von denen ein intimes Bild ohne ihre Einwilligung oder gegen ihren Willen verbreitet wird, werden in der Regel in ihrer Persönlichkeit widerrechtlich verletzt.
Das ist im Zivilrecht selbst dann der Fall, wenn sie die Aufnahme selbst erstellt haben. Sie können deshalb unter anderem die Beseitigung der Verletzung, Schadenersatz und Genugtuung verlangen. Auch wenn keine neue Strafbestimmung geschaffen werden soll, heisst das ja keinesfalls, dass man nichts tun kann oder nichts tun soll. Frau Nationalrätin Amherd hat das auch erwähnt: Für den Bundesrat ist entscheidend, dass die Medienkompetenz gefördert wird. Minderjährige, Eltern und erwachsene Bezugspersonen sollen auf die mit dem Sexting verbundenen Risiken sensibilisiert werden. Ebenso wichtig ist es, potenzielle Weiterverbreiter auf die möglichen Folgen ihres Handelns hinzuweisen. Es gibt schon verschiedene Akteure, die sich dieses Themas auch angenommen haben. Ich sage Ihnen jetzt beispielhaft, dass es im Rahmen des nationalen Programms “Jugend und Medien” die Broschüre “Medienkompetenz. Tipps zum sicheren Umgang mit digitalen Medien” gibt. Sie richtet sich insbesondere an die Eltern, an Bezugspersonen. Für Lehrpersonen und Schulleitungen gibt es auch eine Broschüre. Zudem klärt eine Rubrik auf der Informationsplattform “Jugend und Medien” über die Risiken von Sexting auf. Auch Pro Juventute hat eine Aufklärungskampagne zum Thema Sexting durchgeführt mit Plakaten, mit Videospots, mit Merkblättern für Eltern, Lehrpersonen und Jugendliche. Zudem bietet Pro Juventute in allen drei Sprachregionen Workshops für Lehrpersonen, Schulklassen und Eltern zum Thema Medienkompetenz an. Zum Beispiel auch die Lehrpläne der Kantone haben das Ziel, dass Schülerinnen und Schüler an der Mediengesellschaft selbstbestimmt, kreativ und mündig teilhaben können und sich auch sachgerecht und sozial verantwortlich verhalten. Dazu gehört eben auch, dass sie wissen, welche Gefahren mit den neuen Medien verbunden sein können.
Eingereichter Text
Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament eine Ergänzung des Strafgesetzbuches zu unterbreiten, welche Sexting als eigenen Straftatbestand beinhaltet.
Begründung
Die Verbreitung und der Austausch selbstproduzierter intimer Fotos und Videos von sich oder anderen über Internet und Mobiltelefon nehmen immer mehr zu. Via Internet und Nachrichten-Apps verbreiten sich diese Bilder rasend schnell. Mit der Verbreitung der Bilder gehen vielfach Drohungen und Nötigung einher. Betroffen sind oft Minderjährige, welchen grosser Schaden zugefügt wird.
In der Antwort auf meine Interpellation 13.4266 hält der Bundesrat fest, dass dem Phänomen “Sexting” in erster Linie mit Prävention durch Sensibilisierung und Medienkompetenz zu begegnen sei und dass im Übrigen die bestehenden gesetzlichen Regeln genügen. Der Prävention kommt tatsächlich eine grosse Bedeutung zu. Es braucht aber zusätzlich eine klare gesetzliche Regelung, welche das Weiterverbreiten intimer Fotos oder Videos von anderen unter Strafe stellt. Eine solche Norm kann auch eine präventive Wirkung entfalten. Es kommt dazu, dass im geltenden Strafrecht bei Sexting insbesondere die Regelungen zur Pornografie zur Anwendung gelangen können. Diese setzen voraus, dass die Bildaufnahme “pornografisch” ist oder dass die Aufnahme sexuelle Handlungen mit Kindern beinhaltet. Oft geht es beim Sexting aber um Bilder, die nicht direkt als pornografisch zu qualifizieren sind, die den Betroffenen durch eine Verbreitung in der Öffentlichkeit aber trotzdem beträchtlichen Schaden zufügen können. Entsprechend ist das Strafrecht anzupassen, indem beispielsweise Artikel 197 Ziffer 3 ergänzt wird.
Stellungnahme des Bundesrats vom 12. August 2014
13.4266 ausgeführt, dass das Phänomen des Sexting in erster Linie an seinem Ursprung bekämpft werden muss. Es geht vor allem darum, Minderjährige, Eltern und erwachsene Bezugspersonen zu sensibilisieren und auf diesem Wege zu verhindern, dass die hier infrage stehenden Bilder überhaupt erstellt und anderen übermittelt werden. Der Bundesrat hat ausserdem dargelegt, welche Strafnormen im Zusammenhang mit Sexting zur Anwendung gelangen. Geht mit der Weiterverbreitung einer intimen Aufnahme eine Drohung oder Nötigung einher, so kommen Artikel 180 oder Artikel 181 des Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0) zur Anwendung, allenfalls zusätzlich noch Artikel 197 StGB (Pornografie).
Die Motionärin möchte nun die Strafbarkeit ausdehnen und verlangt, dass auch das Weiterverbreiten intimer Fotos und Filme von Drittpersonen bestraft wird, selbst wenn es sich nicht um Pornografie im Sinne von Artikel 197 StGB handelt. Das Anliegen der Motionärin richtet sich somit auf Bilder und Filmaufnahmen, die allein aufgrund ihres Inhaltes und der Umstände der Herstellung noch nicht problematisch sind.
Das Strafrecht soll nur als Ultima Ratio, das heisst als letztes Mittel, eingesetzt werden (siehe auch die Antwort des Bundesrates zur Interpellation 10.3396). Eine Verhaltensweise soll nur dann bestraft werden, wenn die anderen Vorschriften der Rechtsordnung nicht als ausreichend erachtet werden. Es ist nicht die Aufgabe des Strafrechtes, jedes moralisch vorwerfbare Verhalten zu erfassen.
Beim Weiterverbreiten intimer Aufnahmen Dritter handelt es sich nicht um ein Phänomen, das bei Minderjährigen besonders gehäuft auftritt: In der James-Studie aus dem Jahre 2012 geben 6 Prozent von mehr als 1100 befragten Schweizer Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren an, sie hätten erotische oder aufreizende Fotos oder Videos von sich selbst über das Handy verschickt (Willemse/Waller/Süss/Genner/Huber, 2012, James – Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz, ZHAW). Nur bei einem kleinen Teil davon dürfte es zu einer Weiterverbreitung der verschickten Aufnahmen gekommen sein.
Zudem gelangen beim Weiterverbreiten intimer Aufnahmen Dritter bereits heute die Bestimmungen zum Schutz der Persönlichkeit (Art. 28f. des Zivilgesetzbuches; SR 210) zur Anwendung. Personen, von denen ein intimes Bild ohne oder gegen ihren Willen verbreitet wird, werden in der Regel in ihrer Persönlichkeit widerrechtlich verletzt, auch wenn sie die Aufnahme selbst erstellt haben. Sie können deshalb unter anderem die Beseitigung der Verletzung, Schadenersatz und Genugtuung verlangen. Auch das Bundesgesetz über den Datenschutz (SR 235.1) findet Anwendung.
Die erwähnten Bestimmungen des Zivilgesetzbuches und die bestehenden Regelungen im StGB bieten hier nach Auffassung des Bundesrates genügend Schutz. In erster Linie ist aber die Medienkompetenz zu fördern, um Minderjährige, Eltern und erwachsene Bezugspersonen für die mit Sexting verbundenen Risiken zu sensibilisieren. Es sollen nicht nur Jugendliche, die bereits Aufnahmen von sich verschickt haben oder dies in Betracht ziehen, informiert werden. Ebenso wichtig ist es, (potenzielle) Weiterverbreiter auf die möglichen Folgen ihres Handelns hinzuweisen.
Insgesamt ist der Bundesrat der Ansicht, dass eine Ausdehnung der Strafbarkeit nicht angezeigt ist. Wie er aber bereits in seiner Antwort zur Interpellation 13.4266 ausgeführt hat, lässt er im Sinne einer Gesamtauslegeordnung im Rahmen des nationalen Programms “Jugend und Medien” den Regulierungsbedarf im Jugendmedienschutz prüfen. Der entsprechende Bericht soll dem Bundesrat im zweiten Quartal 2015 vorliegen.