Motion Béglé (17.3895): Eine Gesellschaft fördern, in der die Digitalisierung den Menschen dient und nicht umgekehrt
Eingereichter Text
Der Bundesrat wird beauftragt, ein nationales Forschungsprogramm (NFP) zu lancieren, das die Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Gesellschaft untersucht und die Voraussetzungen bestimmt, die erfüllt sein müssen, damit die Digitalisierung einen positiven Beitrag zur Förderung des Gemeinwohls leistet. Es muss vermieden werden, dass unsere Gesellschaft die Auswirkungen dieser Technologie lediglich über sich ergehen lässt, und stattdessen alles unternommen werden, damit jede und jeder in unserer Gesellschaft befähigt ist, diese Technologie zum eigenen Nutzen und zum Nutzen der Allgemeinheit einzusetzen.
Begründung
Die digitale Revolution hat ebenso tiefgreifende Auswirkungen wie die industrielle Revolution sie hatte. Diese Technologie wird die wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse auf den Kopf stellen. Sie wirft ganz neue Fragen auf, deren Beantwortung einen grossen Bewusstseinswandel und neue Grundregeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens erfordert.
- Stellung der Digitalisierung. Wo sollen wir uns positionieren im Spannungsfeld zwischen technologischen Erleichterungen und Reduktion der menschlichen Kontakte? Wann sind direkte menschliche Kontakte unverzichtbar? Gibt eine Sitzung via Skype einem Team den gleichen Schub wie eine Sitzung mit physischer Präsenz der Teammitglieder? Inspiriert eine Online-Lehrveranstaltung (massive open online course, MOOC) die Studierenden ebenso sehr wie eine Lehrveranstaltung im Seminarraum?
- Uberisierung. Wie umgehen mit den Risiken einer missbräuchlichen Beanspruchung der Aufmerksamkeit und der “freien” Zeit des Individuums? Ist in den Läden der Ersatz der Person an der Kasse durch das Auto-Scanning ohne psychische Folgen für die Kundinnen und Kunden? Ist es einfach hinzunehmen, dass standardisierte maschinelle Telefonansagen uns zwingen, uns oftmals lange und unnütze Informationen anzuhören?
- Teilhabe am Gewinn. Wie kann sichergestellt werden, dass die Gewinne aus der Digitalisierung (Zeitgewinn, Einsparung von Personal) den Menschen zugute kommen, die wohl oder übel bei dieser Digitalisierung mitmachen müssen?
- Intelligenzquotient. Was kann man gegen eine übermässige Nutzung des Smartphones machen? Laufen die Jugendlichen, die zu viel Zeit mit den Apps auf ihren Smartphones zubringen, nicht Gefahr, dass ihr IQ sich weniger entwickelt als bei andern?
- Emotionale Intelligenz. Kann man reale zwischenmenschliche Kontakte durch virtuelle in den sozialen Netzwerken ersetzen, ohne Gefahr zu laufen, das persönliche Gleichgewicht zu verlieren?
- Offliner. Wie soll die Gesellschaft angemessen umgehen mit denjenigen, die es nicht schaffen, den Schritt in die Digitalisierung zu tun, oder die diesen Schritt verweigern?
Diese Herausforderungen dürfen uns nicht dazu bringen, dem Fortschritt zu entsagen. Doch darf die Digitalisierung nicht auf Kosten unserer Kultur gehen. Wir brauchen eine korrekte Einschätzung dessen, was die Digitalisierung uns bringt, welche negativen Effekte sie haben kann und was es braucht, um ihr den ihr gebührenden Platz in unserer Gesellschaft zuzuweisen.
Stellungnahme des Bundesrats vom 22.11.2017
Der Bundesrat teilt die Einschätzung des Motionärs, dass die Digitalisierung Wirtschaft und Arbeitswelt rasant verändert und dass sich diesbezüglich grundlegend neue Fragen zum Umgang mit den damit verbundenen Technologien und den gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung stellen.
Im Rahmen seiner Strategie “Digitale Schweiz” hat der Bundesrat am 5. Juli 2017 den Bericht des WBF (SBFI) “Herausforderungen der Digitalisierung für Bildung und Forschung in der Schweiz” zur Kenntnis genommen. Darin enthalten ist ein Aktionsplan, mit welchem sowohl die Forschung als auch die individuellen Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien auf allen Bildungsstufen und im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeiten von Bund und Kantonen gefördert werden sollen. Ziel des Aktionsplans ist die gezielte Stärkung der Akteure des BFI-Bereichs im Hinblick auf die Bewältigung der Herausforderungen der Digitalisierung über alle Politik- und Anwendungsbereiche hinweg.
Im Kontext der Digitalisierung kommt der Erforschung von damit einhergehenden gesellschaftlichen, rechtlichen und politischen Fragestellungen eine zentrale Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat mit der Kenntnisnahme des Berichts das WBF (SBFI) damit beauftragt, eine interdisziplinär ausgerichtete Serie Nationaler Forschungsprogramme (NFP) “Digitaler Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft” zu prüfen. In diesem Rahmen sollen auch übergeordnete gesellschaftliche Fragestellungen zur Bewältigung der Digitalisierung im Kontext interdisziplinärer Forschungsvorhaben thematisiert werden. Das oberste hochschulpolitische Organ der Schweiz, die Schweizerische Hochschulkonferenz (SHK), hat mit Beschluss vom 19. Mai 2017 dieses Aktionsfeld ausdrücklich unterstützt und die wichtige Rolle der Hochschulen bei der Bewältigung der digitalen Herausforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft unterstrichen.
Die Prüfung der NFP-Serie zum Thema “Digitaler Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft” erfolgt nach etabliertem Verfahren zur Lancierung von Nationalen Forschungsprogrammen.
Auf Antrag des WBF wird der Bundesrat voraussichtlich Ende 2018 über die Lancierung eines oder mehrerer NFP im Themenbereich Digitalisierung entscheiden.
Die Anliegen der Motion sind vor diesem Hintergrund bereits erfüllt.