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Moti­on Gysi (23.4492): Künst­li­che Intel­li­genz am Arbeits­platz. Mit­wir­kungs­rech­te der Arbeit­neh­men­den stärken

Moti­on Gysi (23.4492): Künst­li­che Intel­li­genz am Arbeits­platz. Mit­wir­kungs­rech­te der Arbeit­neh­men­den stärken

Ein­ge­reich­ter Text

Der Bun­des­rat wird beauf­tragt, die Mit­wir­kungs­rech­te der Arbeit­neh­men­den beim Ein­satz von Künst­li­cher Intel­li­genz (KI) und algo­rith­mi­schen Syste­men am Arbeits­platz auf gesetz­li­cher Ebe­ne zu stär­ken, wenn die­se Syste­me für Emp­feh­lun­gen, Pro­gno­sen, Ent­schei­dun­gen usw. benutzt wer­den, die Arbeit­neh­men­de betref­fen oder Arbeit­neh­men­den­da­ten ver­wen­den. Die Anpas­sun­gen sol­len ins­be­son­de­re die kol­lek­ti­ve Mit­spra­che stär­ken. Hier­für sol­len das Mit­spra­che­recht aus­ge­wei­tet, Infor­ma­ti­ons­rech­te gestärkt, kol­lek­ti­ve Kla­ge­rech­te geschaf­fen sowie Sank­ti­ons­mög­lich­kei­ten geprüft wer­den. Ziel ist, Risi­ken, die für Arbeit­neh­men­de ent­ste­hen, zu mini­mie­ren, und sicher­zu­stel­len, dass auch Arbeit­neh­men­de profitieren.

Begrün­dung

Wie neue Unter­su­chun­gen zei­gen, fürch­ten vie­le Arbeit­neh­men­de in der Schweiz um ihre Stel­le. Oft wird die­se Angst von Unge­wiss­heit dar­über beglei­tet, wel­che Tech­no­lo­gien am Arbeits­platz ein­ge­setzt und wofür ihre Daten ver­wen­det wer­den. Intrans­pa­renz und Unsi­cher­heit sind einem guten Arbeits­ver­hält­nis nicht dien­lich und schmä­lern das Ver­trau­en der Arbeit­neh­men­den in ein­ge­setz­te Syste­me. Man­geln­de Mit­spra­che kann Unge­rech­tig­kei­ten mit sich brin­gen, da die Fol­gen auf ver­schie­de­ne Betrof­fe­ne nicht umfas­send berück­sich­tigt wer­den, sowie zu nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen auf die Gesund­heit der Mit­ar­bei­ten­den füh­ren – gera­de bei auto­ma­ti­sier­ter Überwachung.

Ein neu­es Rechts­gut­ach­ten der Uni­ver­si­tät St. Gal­len zeigt Hand­lungs­be­darf auf: Das Mit­wir­kungs­recht hat diver­se Lücken und schützt die Rech­te der Arbeit­neh­men­den nicht aus­rei­chend. Des­halb ist es wich­tig, die Mit­wir­kungs­rech­te zu stär­ken. Das Gesetz muss kla­re Pflich­ten für die Arbeit­ge­ber defi­nie­ren, in wel­cher Form Arbeit­neh­men­de ein­zu­be­zie­hen sind und wie die Infor­ma­ti­ons­rech­te gestärkt wer­den. Mit­ar­bei­ten­de sol­len auf exter­ne Fach­per­so­nen zurück­grei­fen kön­nen. Syste­me mit Gesund­heits­be­zug soll­ten zudem noch stär­ke­ren Mit­wir­kungs­pflich­ten unter­lie­gen. Ein wei­te­res Pro­blem besteht dar­in, dass sowohl ver­wen­de­te Daten als auch Effek­te auf die Mit­ar­bei­ten­den oft kol­lek­tiv sind. Des­halb braucht es kol­lek­ti­ve Mit­spra­che­mög­lich­kei­ten und kol­lek­ti­ve Kla­ge­rech­te. Mit Sank­ti­ons­mög­lich­kei­ten könn­ten Arbeit­ge­ber, die gegen die Mit­wir­kungs­vor­ga­ben ver­sto­ssen, belangt werden.

Stel­lung­nah­me des Bun­des­rats vom 14.2.24

Der Bun­des­rat ist sich bewusst, dass der zuneh­men­de Ein­satz algo­rith­mi­scher Syste­me am Arbeits­platz mit Unsi­cher­hei­ten ver­bun­den ist. Das Mit­wir­kungs­ge­setz (SR 822.14) sieht dies­be­züg­lich ein all­ge­mei­nes Infor­ma­ti­ons­recht vor (Art. 9), das durch beson­de­re Mit­spra­che­rech­te ergänzt wird, nament­lich im Bereich der Gesund­heit am Arbeits­platz (Art. 10 Abs. 1 Bst. a i. V. m. Art. 48 Abs. 1 Bst. a des Arbeits­ge­set­zes [ArG]). Zusätz­lich zum Infor­ma­ti­ons- und dem Mit­spra­che­recht gibt es Vor­schrif­ten zum Gesund­heits­schutz, die den Ein­satz von Über­wa­chungs- oder Kon­troll­sy­ste­men, wel­che das Ver­hal­ten der Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer am Arbeits­platz über­wa­chen sol­len, ver­bie­ten (Art. 26 Abs. 1 der Ver­ord­nung 3 zum Arbeits­ge­setz [ArGV 3]). Das im Gleich­stel­lungs­ge­setz (GlG, SR 151.1) ver­an­ker­te Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot in pri­vat­recht­li­chen und öffent­lich-recht­li­chen Arbeits­ver­hält­nis­sen gilt auch in Fäl­len, in denen der Arbeit­ge­ber künst­li­che Intel­li­genz (KI) ein­setzt. Das Daten­schutz­ge­setz (DSG, SR 235.1) gewähr­lei­stet sei­ner­seits einen umfas­sen­den Schutz der Per­so­nen­da­ten von Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mern. Mit der Revi­si­on des DSG wur­de ins­be­son­de­re bei auto­ma­ti­sier­ten Ein­zel­ent­schei­dun­gen die Infor­ma­ti­ons­pflicht ver­stärkt und die Mög­lich­keit zum Bei­zug einer natür­li­chen Per­son geschaf­fen. Des Wei­te­ren ent­hält Art. 22 DSG neu auch eine Ver­pflich­tung des Ver­ant­wort­li­chen zur Durch­füh­rung einer Daten­schutz-Fol­gen­ab­schät­zung, wenn eine Bear­bei­tung ein hohes Risi­ko für die Per­sön­lich­keit oder die Grund­rech­te der betrof­fe­nen Per­son mit sich brin­gen kann, wel­ches sich unter ande­rem auf­grund der Ver­wen­dung neu­er Tech­no­lo­gien (Art. 22 Abs. 2 DSG) wie künst­li­cher Intel­li­genz ergibt. Die Arti­kel 328 und 328b des Obli­ga­tio­nen­rechts schliess­lich garan­tie­ren den Schutz der Per­sön­lich­keit von Arbeitnehmenden.

Der heu­ti­ge Rechts­rah­men ent­hält auch Instru­men­te zur Gel­tend­ma­chung von Rech­ten. Für die Ein­hal­tung der arbeits­recht­li­chen Vor­schrif­ten sind die kan­to­na­len Arbeits­in­spek­to­ra­te zustän­dig. Ins­be­son­de­re Arti­kel 59 ArG sieht straf­recht­li­che Sank­tio­nen für Wider­hand­lun­gen gegen Bestim­mun­gen über den Gesund­heits­schutz vor. Bei Ver­stö­ssen gegen das Mit­wir­kungs­ge­setz kön­nen die Arbeit­neh­mer­ver­bän­de auf Fest­stel­lung kla­gen (Art. 15 Abs. 2 des Mit­wir­kungs­ge­set­zes), und Arti­kel 7 GlG sieht die Mög­lich­keit für Kla­gen und Beschwer­den von Orga­ni­sa­tio­nen vor, die seit min­de­stens zwei Jah­ren bestehen und die nach ihren Sta­tu­ten die Gleich­stel­lung von Frau und Mann för­dern oder die Inter­es­sen der Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer wah­ren. Im Übri­gen hat der Bun­des­rat in sei­ner Bot­schaft vom 10. Dezem­ber 2021 zur Ände­rung der Schwei­ze­ri­schen Zivil­pro­zess­ord­nung (Ver­bands­kla­ge und kol­lek­ti­ver Ver­gleich) vor­ge­schla­gen, die kol­lek­ti­ve Rechts­durch­set­zung sub­stan­zi­ell zu stär­ken. Die­se Vor­la­ge befin­det sich der­zeit in der par­la­men­ta­ri­schen Bera­tung. Auf der Grund­la­ge von Arti­kel 49 Absatz 1 DSG kann der Eid­ge­nös­si­sche Daten­schutz- und Öffent­lich­keits­be­auf­trag­te (EDÖB) von Amtes wegen oder auf Anzei­ge hin eine Unter­su­chung eröff­nen, wenn genü­gend Anzei­chen bestehen, dass eine Daten­be­ar­bei­tung gegen die Daten­schutz­vor­schrif­ten ver­sto­ssen könn­te. Gege­be­nen­falls kann er ver­fü­gen, dass die Bear­bei­tung der Daten ganz oder teil­wei­se ange­passt, unter­bro­chen oder abge­bro­chen wird und die Per­so­nen­da­ten ganz oder teil­wei­se gelöscht oder ver­nich­tet wer­den (Art. 51 DSG). Des Wei­te­ren sieht das DSG Straf­be­stim­mun­gen für Ver­let­zun­gen der Sorg­falts- oder der Schwei­ge­pflicht und für das Miss­ach­ten von Ver­fü­gun­gen des EDÖB vor. Die Ver­fol­gung und die Beur­tei­lung straf­ba­rer Hand­lun­gen oblie­gen den Kan­to­nen (Art. 60 ff. DSG).

KI ent­wickelt sich somit nicht in einem rechts­frei­en Raum. Die Fra­ge, ob das Schwei­zer Recht den Her­aus­for­de­run­gen im Zusam­men­hang mit KI gewach­sen ist, wird der­zeit geprüft. Der Bun­des­rat hat am 22. Novem­ber 2023 das UVEK und das EDA beauf­tragt, eine Aus­le­ge­ord­nung mög­li­cher Regu­lie­rungs­an­sät­ze für den Ein­satz von künst­li­cher Intel­li­genz zu erstel­len. Gegen­stand der Ana­ly­se, die bis Ende 2024 vor­lie­gen soll, ist auch die Iden­ti­fi­ka­ti­on von sek­tor­spe­zi­fi­schem Regu­lie­rungs­be­darf im Zusam­men­hang mit künst­li­cher Intel­li­genz. Gestützt auf die­se Arbei­ten wird der Bun­des­rat ent­schei­den, ob allen­falls gesetz­ge­be­ri­scher Hand­lungs­be­darf besteht und wie die­sem Rech­nung getra­gen wer­den soll. Den Ergeb­nis­sen die­ser Arbei­ten soll nicht vor­ge­grif­fen werden.

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