Eingereichter Text
Der Bundesrat wird beauftragt, eine Änderung des Bundesgesetzes über den Datenschutz, des Fernmeldegesetzes oder eines anderen geeigneten Gesetzes mit folgendem Anspruch auszuarbeiten: Soziale Netzwerke, die sich mit ihren Dienstleistungen an Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten richten und dabei Personendaten bearbeiten, sollen in der Schweiz über eine Vertretung verfügen, die den schweizerischen Strafverfolgungsbehörden die für das Verfahren erforderlichen Daten direkt übermitteln kann, ohne dass die betreffende Behörde internationale Rechtshilfe in Strafsachen beantragen muss.
Begründung
In seinem Bericht in Beantwortung des Postulates 11.3912 äusserte sich der Bundesrat zu den sozialen Netzen wie folgt: “Aufgrund bisheriger Erfahrungen springen im geltenden schweizerischen Recht keine grösseren Regelungslücken ins Auge.” Leider zeigt die Rechtsprechung in jüngster Zeit, dass sich die Situation geändert hat. Im Bundesgerichtsentscheid 1B_185/2016, 1B_186/2016 und 1B_188/2016 vom 16. November 2016 gab das Bundesgericht Facebook Schweiz zuungunsten der Waadtländer Staatsanwaltschaft Recht, welche die Herausgabe von Personendaten von Userinnen und Usern im Rahmen eines Strafverfahrens verlangt hatte. Facebook Schweiz ist in der Tat nur für Marketingfragen zuständig, verfügt über keine Daten und hat auch keinen Zugang dazu. Die Staatsanwaltschaft muss sich darum mittels eines internationalen Rechtshilfeersuchens an Facebook Irland wenden (Facebook Irland verfügt über die Daten der Schweizer Userinnen und User). Dies ist ein langwieriges und mühsames Verfahren mit ungewissem Ausgang.
Diese Situation ist unbefriedigend. Soziale Netzwerke wie Facebook, die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten ihre Dienstleistungen anbieten, sind in der Schweiz aktiv, ohne hier über eine Zweigstelle zu verfügen. Sie müssen darum zur Verantwortung gezogen werden können bzw. mit der Justiz zusammenarbeiten wie jede andere natürliche oder juristische Person auch.
Das Verfahren, das Belgien gegen Yahoo Inc. führte und gewann (vgl. Urteil des belgischen Kassationsgerichtes vom 1. Dezember 2015), zeigt, dass es durchaus möglich ist, Anbieter von Internetdienstleistungen dazu zu verpflichten, mit der nationalen Justiz zusammenzuarbeiten, auch in Staaten, in denen sie keine Vertretung haben, oder – wie im Fall Facebook Schweiz gegen die Waadtländer Staatsanwaltschaft – auch wenn die Vertretung nicht Zugang zu den Daten der Userinnen und User hat.
Stellungnahme des Bundesrats vom 15.2.2018
Die Motion verlangt, dass international tätige Social-Media-Unternehmen über eine Vertretung in der Schweiz verfügen müssen, wenn sie Dienstleistungen für Schweizer Konsumenten anbieten und deren Personendaten bearbeiten. Diese Vertretung soll den schweizerischen Behörden in Strafverfahren Daten liefern können, ohne dass ein Rechtshilfeersuchen an einen anderen Staat notwendig wäre.
Für ein Modell, wie es die Motion vorschlägt, fehlen soweit ersichtlich Vorbilder in anderen Ländern. Der in der Motion erwähnte belgische Fall ist nicht auf das Anliegen des Vorstosses übertragbar: Das Ersuchen wurde nämlich von den belgischen Strafverfolgungsbehörden direkt an Yahoo! Inc. (USA) geschickt, da das Unternehmen in Belgien keine Vertretung hatte. In einem anderen Fall konnte Microsoft Corporation (USA) von den amerikanischen Behörden wegen der Territorialität der Gesetze nicht dazu verpflichtet werden, in Irland gespeicherte E‑Mails herauszugeben. Allerdings wird im selben Gerichtsentscheid angemerkt, diese Situation sei unbefriedigend.
Der Bundesrat hält die aktuelle Situation auch für unbefriedigend und sucht nach praktikablen und justiziablen Lösungen. Den von der Motion vorgeschlagenen Weg hält er allerdings für nicht erfolgversprechend: Die Verpflichtung, dass ein Unternehmen, dessen Social-Media-Angebot auch von der Schweiz aus genutzt werden kann, eine Vertretung in unserem Lande etablieren müsste, könnte kaum durchgesetzt werden. Hinzu kommt, dass zwar ein Social-Media-Unternehmen mit einer Vertretung in der Schweiz verpflichtet werden könnte, Daten gegebenenfalls herauszugeben. Sollten die Daten aber im Ausland gespeichert sein, liesse sich eine solche Verpflichtung hoheitlich nicht direkt durchsetzen. Auch in diesem Fall müssten die Daten mittels Rechtshilfe eingefordert werden.
Entsprechend der grenzüberschreitenden Ausrichtung von Social Media müssen Lösungen in erster Linie im Rahmen internationaler Kooperation gesucht werden. Es geht nicht darum, die Rechtshilfe einseitig zu umgehen, sondern anzustreben, die Kooperation zu verbessern und zu beschleunigen. Auf internationaler Ebene sind entsprechende Bestrebungen im Gange. Das Cybercrime-Komitee des Europarates, welchem auch Länder wie die USA, Japan, Kanada oder Australien angehören, arbeitet an Vorschlägen, damit Strafverfolgungsbehörden innert nützlicher Frist an elektronische Rand- oder Verkehrsdaten im Ausland gelangen können. Die Schweiz wirkt zusammen mit anderen Vertragsstaaten mit Nachdruck darauf hin, im Rahmen der Cybercrime-Konvention eine praxisgerechte Lösung zu erreichen.
Der Bundesrat ist somit bereits daran, Massnahmen für eine schnellere Datenherausgabe ergebnisoffen zu prüfen und dabei die Grundsätze der staatlichen Souveränität und Territorialität sowie der Rechtshilfe in Strafsachen und des Datenschutzes sorgfältig zu berücksichtigen.