Motion Müller-Altermatt (13.3696): Echter Datenschutz statt Schutzschild für Steuerpreller
Abgelehnt (24.09.2015)
Eingereichter Text
Der Bundesrat wird beauftragt, eine Vorlage zu unterbreiten bezüglich des Inkassos von Steuerschulden, mit welcher:
1. dem Fiskus dieselben Möglichkeiten zur Eintreibung seiner Forderungen zur Verfügung stehen wie den Gläubigern von privatrechtlichen Forderungen. Weiterhin ausgeschlossen sein soll die Konkursbetreibung für Steuern, Abgaben, Gebühren usw. (Art. 43 SchKG);
2. ein Verfahren und Kriterien definiert werden, nach welchen Daten von Steuerschuldnern öffentlich zugänglich gemacht werden dürfen.
Begründung
Für Kantone und Gemeinden stellt das Inkasso der Steuergelder eine immer grössere Herausforderung dar. Die abnehmende Zahlungsmoral und der stark ausgebaute Datenschutz führen zu immer grösseren Ausständen bei Steuern und Gebühren.
Bei der Beantwortung des Postulates 13.3482, “Rechtliche Grundlagen für den Steuerpranger”, betont der Bundesrat, dass der Gesetzgeber seit jeh darauf verzichtet hat, “dem Fiskus besondere Mittel zur Eintreibung seiner öffentlich-rechtlichen Forderungen in die Hand zu geben, die den Gläubigern von privatrechtlichen Forderungen nicht zur Verfügung stehen”. Tatsächlich aber hat die öffentliche Hand massiv weniger Möglichkeiten als die privaten Gläubiger. Private Gläubiger können durch öffentliche Bekanntmachung Druck auf den Schuldner ausüben und zur Vermeidung weiterer Ausstände die Leistungen einstellen. Beides kann z. B. eine Gemeinde nicht. Der Datenschutz führt automatisch zu einem Schutzschild für Steuerpreller. Die vorliegende Motion verlangt somit lediglich die Herstellung der vom Bundesrat erwähnten Gleichbehandlung.
Um den Zielkonflikt zwischen Persönlichkeitsschutz und Steuerprellerei aufzulösen, soll ein klares Verfahren definiert werden, gemäss welchem die Daten von Steuerschuldnern öffentlich gemacht werden dürfen (z. B. Pflicht zur Androhung der Veröffentlichung, zur vorgängigen Betreibung, zur Abklärung der persönlichen Verhältnisse usw.). Ebenso soll klar definiert werden, welche Daten veröffentlicht werden, damit keine übermässigen Rückschlüsse auf die Verhältnisse des Schuldners gemacht werden können.
Diese Änderungen würden nicht bewirken, dass Bund, Kantone und Gemeinden Rechte erhalten, welche zu einer Schikane für die ehrlichen Steuerzahler oder die in Not geratenen Schuldner werden. Sie würden aber den ungerechtfertigten Schutzschild von an sich zahlungsfähigen Steuerprellern aufheben.
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h1>Stellungnahme des Bundesrats
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Die Vollstreckung von privat- oder öffentlich-rechtlichen Ansprüchen auf Geldzahlungen haben nach geltendem Recht immer auf dem Wege des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889 (SchKG; SR 281.1) zu erfolgen. Entsprechend verweisen auch die schweizerischen Steuergesetze für die Vollstreckung steuerrechtlicher Forderungen auf das SchKG. Das SchKG stellt dabei den privatrechtlichen wie auch dem Fiskus als öffentlich-rechtlichem Gläubiger grundsätzlich die gleichen Inkassomittel für die Eintreibung ihrer Geldforderungen zur Verfügung. In verschiedenen Kantonen sind überdies gewisse kantonale Steuern, die in unmittelbarem Zusammenhang zu einem Grundstück stehen, gestützt auf den Vorbehalt in Artikel 836 ZGB durch ein gesetzliches, übrigen Pfandrechten vorgehendes Grundpfandrecht gesichert. Dieses Mittel steht privaten Gläubigern nicht zur Verfügung. Einen Unterschied bildet indes der vom Motionär als beizubehalten genannte Artikel 43 SchKG, welcher die Konkursbetreibung für Steuerforderungen ausschliesst. Folglich sind Steuerforderungen auch weiterhin grundsätzlich auf dem Wege der Betreibung auf Pfändung oder der Pfandverwertung zu vollstrecken. Bei der Konkursbetreibung rangieren die Forderungen des Fiskus zudem, wie die meisten privaten Forderungen, in der dritten Kollokationsklasse. Einzig Mehrwertsteuerforderungen werden bis zum Inkrafttreten des neuen Sanierungsrechtes (voraussichtlich am 1. Januar 2014) in der zweiten Klasse kolloziert. Weitere Privilegierungen des Staates im Rahmen der Vollstreckung von Steuerforderungen sind die Beschlagnahme (Art. 44 SchKG), der Steuerarrest sowie der Umstand, dass der Fiskus den Rechtsvorschlag gegen gewisse rechtskräftig verfügte Steuerforderungen selbst beseitigen kann (vgl. Art. 86 MWSTG). Somit stehen dem Fiskus, abgesehen von der in Artikel 43 SchKG vorgesehenen Einschränkung, grundsätzlich die gleichen bzw. teilweise sogar mehr Inkassomittel wie Gläubigern privatrechtlicher Forderungen zur Verfügung. Das erstgenannte Anliegen der Motion ist somit bereits unter geltendem Recht erfüllt.
Der Motionär erwähnt zusätzliche Möglichkeiten von privaten Gläubigern, um Druck auf die Schuldner auszuüben, z. B. die Leistungseinstellung. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Fiskus keine Leistungseinstellungen vornehmen kann. Steuern sind geschuldet, ohne dass die Steuerzahler vom Staat eine ihnen direkt zurechenbare Gegenleistung voraussetzen können. Bei anderen öffentlichen Abgaben, d. h. jenen, die für eine bestimmte staatliche Leistung erhoben werden, ist es indes durchaus üblich, diese vorab zu erheben (z. B. Gerichtsgebühren).
Gemäss der geltenden Steuergesetzgebung sind alle Personen, die mit dem Vollzug der Steuergesetze betraut sind, zur Verschwiegenheit über die dabei gemachten Feststellungen und über die Verhältnisse der Steuerpflichtigen verpflichtet (vgl. Art. 110 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990, DBG; SR 642.11). Dieses in Artikel 110 DBG umschriebene Steuergeheimnis ist Ausfluss eines der wichtigsten Fundamente der Schweiz, nämlich des gegenseitigen Vertrauens zwischen Bürger und Staat. Würde der Staat sich vorbehalten, in bestimmten Fällen Steuerinformationen zu veröffentlichen, obwohl er im Rahmen des Veranlagungsverfahrens von seinen Bürgern die gänzliche Offenlegung der finanziellen Verhältnisse verlangt, würde er dieses Vertrauensverhältnis gefährden. Sofern der Motionär lediglich eine Lockerung dieses Steuergeheimnisses für “an sich zahlungsfähige” Steuerpflichtige beabsichtigt, ist deshalb nach Ansicht des Bundesrates den Mitteln des SchKG der Vorzug zu geben. Bei “an sich zahlungsfähigen” Schuldnern führen diese bei konsequenter Anwendung schliesslich zum Erfolg (d. h. zur Eintreibung der Geldschulden). Letztlich wird zumeist auch erst auf diesem Wege ersichtlich, wer grundsätzlich zahlungsfähig ist und wer nicht.