Motion Riklin (13.3215): Rechtliche Verantwortlichkeit von Internetprovidern regeln
Abgeschrieben (20.03.2015).
Eingereichter Text
Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament eine Gesetzesvorlage zu unterbreiten, welche die juristische Verantwortlichkeit von Internetprovidern (Content, Hosting und Access) regelt und die zivil- und strafrechtliche Verfolgung von Rechtsverletzungen, die mithilfe des Internets begangen werden, erleichtert.
Begründung
Es hat sich als fatal erwiesen, dass der Bundesrat 2008 davon absah, die Verantwortlichkeit der Internet Service Provider (ISP) bei widerrechtlichem Gebrauch ihrer Infrastrukturen gesetzlich zu regeln. Von klaren Rechtsregeln profitieren Provider, Kunden, Behörden, aber auch die Justiz. Die EU und andere Industriestaaten haben das längst getan. In der Schweiz herrschen immer noch Unsicherheit und Orientierungslosigkeit. Das Bundesgericht hat den Gesetzgeber mehrfach aufgefordert (Geschäftsbericht Bundesgericht 2010, Urteil 5A_792/2011 vom 14. Januar 2013), tätig zu werden.
Geklärt ist hierzulande einzig, dass die Urheber rechtswidriger Inhalte (Content Provider) juristisch verantwortlich sind; sie sind aber sehr schwierig zu identifizieren und können deshalb gerichtlich kaum je zur Rechenschaft gezogen werden. Unklar ist, wie weit die Verantwortlichkeit der weiteren Beteiligten in der Kommunikationskette reicht.
In der EU gilt seit über zwölf Jahren die E‑Commerce-Richtlinie, die Host-Provider jedenfalls insofern aus der Verantwortlichkeit nimmt, als sie vom rechtswidrigen Inhalt keine Kenntnis haben bzw. unverzüglich tätig werden, nachdem klare Hinweise bei ihnen eingegangen sind. Weiter hat die EU die Haftung der ISP im Bereich des Urheberrechtes geregelt und den Rechteinhabern Ansprüche gegeben gegen Vermittler (ISP), deren Dienste von Dritten zu Urheberrechtsverletzungen genutzt werden (Art. 8.3 der Urheberrechtsrichtlinie), sowie einen zivilen Auskunftsanspruch (Art. 8 der Durchsetzungsrichtlinie).
Nach geltendem Recht können ISP nur wegen Gehilfenschaft zu einer Haupttat strafrechtlich zur Verantwortung gezogen und dadurch zu Massnahmen gegen individuelle Rechtsverletzungen veranlasst werden, was der eigentlichen Problemstellung nicht gerecht wird. Vielmehr geht es häufig darum, dass die Rechtsverletzer sich der Verantwortung entziehen, entweder durch die Wahl eines exotischen Standorts oder indem sie sich technisch verstecken. Die Konstruktion der “Gehilfenhaftung” ist untauglich, da sie Vorsatz seitens der ISP erfordert, was in der Regel nicht der Fall sein wird.
Stellungnahme des Bundesrats
Es ist unbestritten, dass Provider, Kunden, Behörden, aber auch die Justiz von klaren Rechtsregeln profitieren. Jede denkbare Gesetzesvorlage zur Verantwortlichkeit von Internetprovidern (Access, Hosting und Content) sowie zur Verfolgung von Rechtsverletzungen im Internet steht jedoch vor der Herausforderung, angesichts der Vielzahl von Akteuren und deren unterschiedlichen Bedürfnissen und Problemen eine Lösung zu finden, die möglichst allen Ansprüchen gerecht wird. Dabei besteht nicht nur die Gefahr einer Überregulierung, sondern auch die Gefahr der Unterregulierung. Ob beispielsweise die von der Motionärin erwähnten EU-Richtlinien tatsächlich die erwünschte Rechtssicherheit geschaffen haben – gerade im Vergleich zur Rechtslage in der Schweiz -, muss erst noch untersucht werden.
Der Bundesrat hat wiederholt festgehalten, dass das geltende Straf- und Zivilrecht ausreicht, um die Verantwortlichkeit von Providern zu erfassen (vgl. Motion Riklin Kathy 09.4222, “Rechtliche Verantwortlichkeit von Internetprovidern”, parlamentarische Initiative Hochreutener 08.418, “Mehr Rechtssicherheit bei Netzwerkkriminalität”, und zuletzt Interpellation Stöckli 12.4202, “Swisscom. Umgang mit urheberrechtlich geschützten Inhalten”). Wie aber das Urteil des Bundesgerichtes vom 14. Januar 2013 (5A_792/2011) zeigt, kann sich in zivilrechtlicher Hinsicht durchaus ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergeben. Der Bundesrat hat im Nachgang zu diesem Urteil auf diese Möglichkeit hingewiesen (vgl. Frage Glättli 13.5059, “Haftbarkeit von Hosting-Providern, Blog- und Forenbetreibern”). Zurzeit sind bereits verschiedene Arbeiten zu den entsprechenden Fragen im Gang, deren Ergebnisse nicht vorweggenommen werden sollten: Zum einen ist die Arbeitsgruppe zur Optimierung der kollektiven Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (“Agur 12”; https://www.ige.ch/urheberrecht/agur12.html) zu nennen. Zum andern ist ein Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates Amherd 11.3912, “Rechtliche Basis für Social Media”, in Arbeit, in welchem die Rechtslage in Bezug auf Social Media dargestellt und analysiert wird. Es ist geplant, dass der Bundesrat diesen Bericht noch in diesem Jahr dem Parlament vorlegen wird.
Der Bundesrat wird auf der Grundlage dieser Arbeiten und der laufenden Entwicklungen im In- und Ausland prüfen, ob im Zivilrecht tatsächlich ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Die Motion hingegen würde den Ergebnissen der laufenden Arbeiten vorgreifen.
Mit Blick auf das Strafrecht ist dagegen festzuhalten, dass sich in diesem Bereich weder die tatsächliche noch die rechtliche Situation geändert haben. Die Ausführungen des Bundesrates vom Februar 2013 zur obenerwähnten Interpellation Stöckli haben somit nach wie vor Gültigkeit: Das geltende strafrechtliche Instrumentarium erweist sich als ausreichend.