Motion Romano (13.3199): Rahmenvertrag mit den Telefongesellschaften zur Senkung der Überwachungskosten
20.03.2015: Abgeschrieben, weil seit mehr als zwei Jahren hängig.
Eingereichter Text
Der Bundesrat wird beauftragt, mit den drei grössten Telefongesellschaften (Swisscom, Sunrise, Orange) Verhandlungen aufzunehmen im Hinblick auf den Abschluss eines Rahmenvertrags, der die Abrechnung der Leistungen bei der Überwachung des E‑Mail- und des Fernmeldeverkehrs für sämtliche Strafverfolgungsbehörden regelt. Anzustreben sind standardisierte Ansätze, die die laufenden Kosten decken und politisch festgelegt sind.
Begründung
Die Überwachung von Telefongesprächen und von Datenübertragungen im Internet stellt für die Strafverfolgungsbehörden auf kantonaler Ebene wie auf Bundesebene ein zentrales Instrument dar. Der Datenverkehr nimmt zu, und wer kriminelle Geschäfte betreibt, muss sich nicht mehr physisch von Ort zu Ort bewegen, sondern kann die verfügbaren Technologien nutzen. Daher müssen die Strafverfolgungsbehörden diese Technologien kontrollieren können, insbesondere wenn andere Untersuchungsmassnahmen erfolglos waren oder nicht möglich sind (Art. 269ff. der Strafprozessordnung). Die Auskunftsersuchen an Swisscom, Sunrise und Orange zu solchen Datenflüssen haben stark zugenommen. Die Gesellschaften rechnen dabei pro Fall und zu Marktpreisen ab. Entsprechend sind die Kosten sehr hoch, was oft zur Folge hat, dass die Behörden ihre Ermittlungen aus finanziellen Gründen einstellen. Ausserdem ist zu befürchten, dass in gewissen Fällen aufgrund des ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses ein Strafverfahren gar nicht erst eingeleitet wird. Die Feststellung einer dynamischen IP-Adresse beispielsweise kostet 250 Franken. Muss für eine Untersuchung der Datenfluss über sämtliche Kanäle (Festnetz, Natel und Internet) überwacht werden, kostet das ungefähr 20 000 Franken. Insgesamt wurden 2012 in der ganzen Schweiz über 100 Millionen Franken ausgegeben. Es liegt im Interesse des Staates, die Strafverfolgungsbehörden mit sämtlichen Instrumenten auszustatten, die es ihnen ermöglichen, effizient und rasch zu handeln. Es darf nicht sein, dass verbrecherische Handlungen ungestraft bleiben, nur weil die Ermittlungskosten zu hoch sind. Da die Anzahl Auskunftsersuchen, die die Behörden an die Telefongesellschaften richten, heute sehr hoch ist, scheint es sinnvoll und nötig, einen Rahmenvertrag abzuschliessen, der die Ansätze und die Kosten auf akzeptable und angemessene Weise regelt. Der Abschluss eines Vertrags zwischen dem Bund und den Telefongesellschaften, der Pauschalen, Globalbudgets und kostendeckende, die effektiven Kosten berücksichtigende Ansätze enthält, hilft dem Staat bei der Bekämpfung der Kriminalität.
Stellungnahme des Bundesrats
Nach geltendem Recht müssen die Fernmeldedienstanbieter (FDA) Überwachungsaufträge ausführen, erhalten dafür aber eine “angemessene Entschädigung für die Kosten der einzelnen Überwachung” (Art. 16 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, Büpf; SR 780.1). Die Höhe der Entschädigungen hat der Bundesrat nach der Art der einzelnen Leistungen in der Verordnung über die Gebühren und Entschädigungen für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (SR 780.115.1) festgelegt. Das Gesetz gibt bloss Anspruch auf eine angemessene, nicht aber auf eine volle, kostendeckende Entschädigung. Marktpreise, von denen die Motion ausgeht, spielen daher keine Rolle. Zu tragen sind die Entschädigungen zunächst von der Behörde, welche die Fernmeldeüberwachung angeordnet hat, also zumeist von einer Staatsanwaltschaft, wobei durchschnittlich jährlich 96 Prozent der Überwachungen von kantonalen Staatsanwaltschaften angeordnet werden, 4 Prozent von der Bundesanwaltschaft. Als Verfahrenskosten werden die bezahlten Entschädigungen im Falle einer Verurteilung der beschuldigten Person auferlegt (vgl. Art. 422f. und 426 der Strafprozessordnung; SR 312.0).
Nach Auffassung des Bundesrates hat sich diese Regelung bewährt:
- Sie stellt sicher, dass die FDA auch einen Beitrag zur Aufklärung von Straftaten leisten, indem ihnen bloss eine angemessene, nicht aber eine volle Entschädigung zusteht. Einen zusätzlichen Beitrag leisten die FDA, indem sie die für die Überwachung notwendigen Einrichtungen auf eigene Kosten bereitstellen müssen.
- Sie stellt sicher, dass die Überwachungskosten grösstenteils denjenigen auferlegt werden, die sie verursacht haben (der anordnenden Behörde oder der verurteilten Person).
- Sie führt zu einer rechtsgleichen Behandlung aller FDA, ungeachtet ihrer Grösse.
Deshalb will der Bundesrat diese Regelung in der Sache beibehalten und sieht im Rahmen der Totalrevision des Büpf keine Änderung vor (vgl. Botschaft zum Büpf vom 27. Februar 2013; BBl 2013 2683). Das bedeutet jedoch nicht, dass die Gebühren und Entschädigungen gleich hoch bleiben werden: Vielmehr sollen diese auf das Inkrafttreten des geänderten Gesetzes einzeln überprüft und allenfalls angepasst werden aufgrund der Ergebnisse der Kostenerhebung und unter Berücksichtigung des internationalen Rechtsvergleichs.
Die Motion verlangt, dass der Bundesrat mit den drei grössten FDA eine Pauschalentschädigung vereinbaren soll. Ein solches Vorgehen ist weder nach geltendem Recht möglich noch nach der vom Bundesrat vorgeschlagenen Regelung im Entwurf zur Totalrevision des Büpf. Zwar liesse sich die nötige gesetzliche Grundlage schaffen. Allerdings dürften sich mindestens folgende Schwierigkeiten ergeben:
- Der Bund müsste die Verhandlungen mit den FDA führen; weil letztlich aber grösstenteils die Kantone die Leistungen bezahlen müssen, müssten diese auch in die Verhandlungen eingebunden werden;
- es dürfte schwierig sein, die angemessene Höhe der Pauschalentschädigung festzulegen, weil Volumen und Art der Überwachungen bei den einzelnen FDA stark ändern können, was ein Abstellen auf Vorjahreszahlen ausschliesst;
- für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen mit den drei grossen FDA sowie für den Fall der Nichteinigung über die Aufteilung unter den Kantonen bräuchte es neue gesetzliche Regelungen.