Motion Schweiger (06.3170): Bekämpfung der Cyberkriminalität zum Schutz der Kinder auf den elektronischen Netzwerken
Abgeschrieben am 17.06.2015 im Zusammenhang mit der Beratung des Geschäfts 13.025
Eingereichter Text
Um Kinder zu schützen und um ein wirksameres Vorgehen gegen die in elektronischen Netzwerken (Internet) begangenen Straftaten zu ermöglichen, wird der Bundesrat aufgefordert, schnellstmöglich die für eine bessere Bekämpfung der kindsbezogenen Kriminalität im Internet notwendigen Massnahmen zu ergreifen. Insbesondere wird der Bundesrat dazu aufgefordert:
1. eine Gesetzesvorlage auszuarbeiten, um Artikel 197 Absatz 3bis StGB abzuändern und den vorsätzlichen Konsum von Vorführungen harter Pornographie unter Strafe zu stellen;
2. eine Gesetzesvorlage auszuarbeiten, um Artikel 15 Absatz 3 BÜPF abzuändern und die Aufbewahrungspflicht von Logbuchdateien von sechs auf zwölf Monate zu erhöhen und die Missachtung dieser Vorschrift mit einer angemessenen Strafe zu versehen;
3. eine Gesetzesvorlage auszuarbeiten, um die Artikel 4 BVE und 3 BÜPF mit dem Ziel abzuändern, eine den beiden Gesetzen gemeinsame Liste von Straftaten zu erstellen und Artikel 197 Absatz 3bis StGB in diese aufzunehmen;
4. einen Aktionsplan zur Sicherung der Inhalte von Internetseiten auszuarbeiten und die Internetanbieter und ‑hoster in die Pflicht zu nehmen. Die Anbieter sollten dazu verpflichtet werden, den Internetnutzern die zur Filterung von Internetinhalten notwendigen Programme sowie alle nötigen Informationen zu deren Einstellung und Nutzung kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Internethoster ihrerseits sollte die Pflicht treffen, ihre Server regelmässig zu scannen, um die Rechtmässigkeit der dort gespeicherten Daten zu gewährleisten.
Begründung
Die oben angeforderten Massnahmen sind nötig, weil sie die Bekämpfung der Cyberkriminalität im Allgemeinen und der Vergehen gegen die Integrität und Würde der Kinder im Besonderen auf drei Ebenen gesetzlich festschreiben.
1. Artikel 197 Absatz 3bis StGB wurde zwar erst am 1. April 2001 in Kraft gesetzt, aber bereits heute stellen sich Fragen über die Auslegung, den Anwendungsbereich sowie über die praktische Handhabung der Norm. So hängt der Begriff des Besitzes im Endeffekt von den individuellen Informatikkenntnissen des Konsumenten ab, denn es macht sich nur derjenige Konsument von Kinderpornographie strafbar, der nicht weiss, wie er den Cache-Speicher seines Internetbrowsers leeren kann. Es kommt also zu einer unterschiedlichen Behandlung von Kinderpornographiekonsumenten mit und solchen ohne entsprechendes Fachwissen. Diese Rechtslage ist unbefriedigend. Schliesslich verhält sich der Konsument von Pädopornographie, welcher Internetseiten mit entsprechendem Inhalt besucht, aber über keine weiteren Informatikkenntnisse verfügt, gegenüber dem Kind ebenso kriminell wie derjenige, der weiss, wie er sich Zugang zu dem Cache-Speicher seines Browsers verschaffen kann. Die vorgeschlagene Änderung hat zunächst den Vorteil, die klare Botschaft zu vermitteln, dass der Konsum von Kinderpornographie in keiner Form toleriert wird. Ausserdem wäre die juristisch schwierige Frage nach einer Definition des “Besitzes” pädopornographischer Dateien gelöst. Personen hingegen, die auf Seiten mit Inhalten sanfter Pornographie surfen und beispielsweise durch ein Pop-up-Fenster mit kinderpornographischen Darstellungen konfrontiert würden, müsste die derart veränderte Rechtslage nicht beunruhigen, wäre doch nur deren vorsätzlicher Konsum strafbar. Das Risiko ungerechtfertigter Massnahmen seitens der Strafverfolgungsbehörden, wie beispielsweise von Hausdurchsuchungen, würde schliesslich keineswegs erhöht.
2. Die praktische Erfahrung hat gezeigt, dass die Aufbewahrungspflicht für Logbuchdateien seitens der Internetanbieter zeitlich zu knapp bemessen ist und den Strafverfolgungsbehörden für ihre Nachforschungen oft schlicht die Zeit fehlt. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung soll diese Frist dementsprechend auf zwölf Monate erhöht und den Behörden somit der Zugang zu Daten gesichert werden, welche für im Internet durchzuführende Untersuchungen unerlässlich sind. Ausserdem ist es unbedingt notwendig, die Verletzung dieser Pflicht mit einer angemessenen Strafe zu versehen.
3. Das BVE sowie auch das BÜPF gehören beide zu einer Reihe von Massnahmen, die zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens getroffen wurden. Die beiden Gesetze haben aber verschiedene Anwendungsbereiche und kommen daher nicht immer zusammen zur Anwendung. Es ist daher notwendig, eine ihnen gemeinsame Liste von Straftaten zu erstellen und den nach der Botschaft des Bundesrates über das BÜPF und das BVE (BBI 2000 2943) in Kraft getretenen Artikel 197 Absatz 3bis StGB in diese aufzunehmen. Diese Massnahme hat zum Ziel, die praktische Handhabung des BVE und des BÜPF, zweier Gesetze, die der Aufklärung besonders schwerer Straftaten dienen, zu koordinieren.
4. Allzuoft stehen Eltern den Gefahren, die das Internet für ihre Kinder birgt, tatenlos gegenüber. Allzuoft wissen Eltern auch nicht, dass es Filterprogramme gibt, mit denen sich der Zugang zu Seiten, welche die gesunde Entwicklung der Kinder gefährden, einschränken lässt. Es ist daher notwendig, die Internetanbieter dazu zu verpflichten, ihren Kunden derartige Programme und alle diesbezüglichen Informationen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Internethoster ihrerseits sollte die Pflicht treffen, die sich auf ihren Servern befindlichen Inhalte regelmässig zu überprüfen um die Veröffentlichung von Seiten, welche die Kindeswürde verletzen, zu verhindern. Diese Massnahme hat zum Ziel, den internetnutzenden Kindern einen besseren Schutz zu gewähren.
Stellungnahme des Bundesrats
Ziff. 1
Der Bundesrat beantragt, Ziffer 1 der Motion anzunehmen.
Ziff. 2 erster Teil (Verlängerung der Aufbewahrungsfrist)
Die Frage, ob die Aufbewahrungsfrist von Randdaten nach Artikel 15 Absatz 3 BÜPF auf ein Jahr verlängert werden sollte, wird auch im Rahmen der Behandlung des Postulates SPK-SR 05.3006 vom 21. Februar 2005, “Effizientere Bekämpfung von Terrorismus und organisiertem Verbrechen”, in einem grösseren Kontext – also nicht nur in Bezug auf die Kinderpornographie – geprüft. Der entsprechende Bericht ist vom Bundesrat noch nicht verabschiedet worden. Der Bundesrat will dieser Diskussion im jetzigen Zeitpunkt inhaltlich nicht vorgreifen. Er hat bereits in der Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechtes festgehalten, dass die Frage der Aufbewahrungsdauer erst dann definitiv entschieden werden kann, wenn die Ergebnisse des erwähnten Berichtes vorliegen (vgl. BBl 2006 1251). Aus diesen Gründen beantragt der Bundesrat, die Verlängerung der Aufbewahrungsfrist gemäss Ziffer 2 des Motionsbegehrens abzulehnen.
Ziff. 2 zweiter Teil (Strafnorm gegen die Missachtung der Aufbewahrungspflicht)
Der Bundesrat beantragt, die Schaffung einer Spezialstrafnorm zur Sanktionierung von Verstössen gegen die Aufbewahrungspflicht gemäss Ziffer 2 des Motionsbegehrens anzunehmen.
Ziff. 3
Die Kataloge der Straftaten, zu deren Verfolgung der Post- oder Fernmeldeverkehr überwacht oder eine verdeckte Ermittlung angeordnet werden können, sind nicht deckungsgleich. Dies führt dazu, dass verdeckte Ermittler nicht bei allen ihren Einsätzen mit einer Fernmeldeüberwachung “begleitet” werden können. Im Entwurf zur Schweizerischen Strafprozessordnung werden die Deliktskataloge für die Fernmeldeüberwachung und den Einsatz verdeckter Ermittler daher einander angeglichen (vgl. Art. 268 und 285 E‑StPO und BBl 2006 1256). Es ist aber nicht sachgerecht, eine vollständige Übereinstimmung der beiden Deliktskataloge herbeizuführen: Nicht für jede Straftat, zu deren Aufklärung eine Fernmeldeüberwachung geeignet erscheint, ist auch eine verdeckte Ermittlung eine geeignete Massnahme. Sodann würde die Statuierung eines einheitlichen Deliktskatalogs dem Willen des Gesetzgebers nicht gerecht, die verdeckte Ermittlung wegen ihrer besonderen rechtsstaatlichen Problematik nur eingeschränkt zuzulassen. Dies drückt sich auch darin aus, dass die Fernmeldeüberwachung nur dann zulässig ist, wenn die “Schwere der strafbaren Handlung” dies rechtfertigt (Art. 3 Abs. 1 Bst. b BÜPF), während die verdeckte Ermittlung den Verdacht auf “besonders schwere Straftaten” erfordert (Art. 4 Abs. 1 Bst. a BVE).
Gegen die Aufnahme von Artikel 197 Absatz 3bis StGB in die Deliktskataloge von BÜPF und BVE spricht, dass die Bestimmung dem Täter bloss Gefängnis bis zu einem Jahr oder Busse androht und die erfassten Taten daher hinsichtlich ihrer Schwere nicht mit den in diesen Katalogen aufgelisteten Delikten vergleichbar sind.
Aus diesen Gründen beantragt der Bundesrat, Ziffer 3 der Motion abzulehnen.
Ziff. 4
Die vorgeschlagene Verpflichtung der Internetanbieter zur Abgabe von Pornofilter-Software an die Kunden würde den Schutz der Kinder kaum verbessern. Sie könnte sich in der Praxis als kontraproduktiv erweisen, weil zu befürchten ist, dass sie dem Kunden eine falsche Sicherheit vorgaukelt und dass die Access-Provider zu billigen Produkten greifen, deren Schutzfunktion nur sehr beschränkt ist. Viel wichtiger ist es, dass die Nutzer durch eine stetige Verbesserung der Aufklärung über die bestehenden Risiken und Gefahren informiert werden.
Der weitere Vorschlag, Hosting-Provider zu periodischen Scans der bei Ihnen gelagerten Inhalte anzuhalten, ist technisch gesehen kaum praktikabel. Grössere Hosting-Provider verfügen über enorme Datenmengen (Tausende von Gigabytes), die ständigen Veränderungen durch die Content-Provider (Autoren) unterworfen sind. Abgesehen von den fehlenden technischen Möglichkeiten, derart grosse Datenbestände in brauchbarer Zeit nach illegalen Inhalten zu durchforsten, läge ein weiteres Problem im Umfang einer solchen Verpflichtung. Je nach Anspruch auf Vollständigkeit und Gründlichkeit solcher Nachforschungen werden Scans eine grössere oder kleinere Menge an Fehlermeldungen produzieren, die zeitintensiv von Hand nachgeprüft werden müssten und entsprechend Ressourcen benötigen. Ein solcher Aufwand liesse sich auch vor dem Hintergrund des Internets als Echtzeitmedium kaum rechtfertigen. Die Expertenkommission “Netzwerkkriminalität” hat in ihrem im Juni 2003 veröffentlichten Bericht klar festgehalten, dass eine präventive Kontrolle durch die Provider keine sinnvolle Massnahme darstellt (S. 39).
Aus diesen Gründen beantragt der Bundesrat, Ziffer 4 der Motion abzulehnen.