Motio­nen 20.3168 (SPK-SR) und 20.3144 (SPK-NR): Gesetz­li­che Grund­la­gen zur Ein­füh­rung der Coro­na-Warn-App (Coro­na Pro­xi­mi­ty Tracing-App)

Ein­ge­reich­ter Text

Der Bun­des­rat ist auf­ge­for­dert, die not­wen­di­ge gesetz­li­che Grund­la­ge zur Ein­füh­rung von Coro­na-Warn Apps (“Coro­na Pro­xi­mi­ty Tracing”-App) dem Par­la­ment vor­zu­le­gen.

Es sol­len nur tech­ni­sche Lösun­gen ver­wen­det wer­den, wel­che kei­ne per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten zen­tral spei­chern. Die Anwen­dung der App hat frei­wil­lig zu sein.

Begrün­dung

Eine brei­te Anwen­dung des Pro­xi­mi­ty Tra­cing durch die Rück­ver­fol­gung von Ansteckungs­ket­ten kann mög­li­cher­wei­se einen Bei­trag lei­sten zur Bewäl­ti­gung der Kri­se. Gleich­zei­tig ist der poten­zi­el­le Ein­griff in die Grund­rech­te beim Pro­xi­mi­ty Tra­cing je nach Aus­ge­stal­tung mas­siv. Auf­grund der mög­li­chen schwe­ren Grund­rechts­ein­grif­fe ist aller­dings auf jeden Fall dem Par­la­ment Antrag zu stel­len auf eine par­la­men­ta­risch abge­stütz­te gesetz­li­che Grund­la­ge, und kei­ne Not­ver­ord­nung des Bun­des­rats zu verabschieden.

Mate­ri­ell soll der Bun­des­rat eine dezen­tra­le Lösung umset­zen. Eine sol­che dezen­tra­le Lösung wird (im Gegen­satz zu gewis­sen Pro­jek­ten in Län­dern der EU) in der Schweiz momen­tan u.a. von der ETH/EPFL vor­an­ge­bracht. Die Instal­la­ti­on einer sol­chen App soll zudem frei­wil­lig sein.

Stel­lung­nah­me des Bun­des­rats vom 1.5.2020

Digi­ta­le Appli­ka­tio­nen kön­nen als Hilfs­mit­tel die Mass­nah­men zur Ein­däm­mung der Virus­aus­brei­tung durch die zustän­di­gen kan­to­na­len Behör­den unter­stüt­zen. Dies gilt ins­be­son­de­re für Smart­phone-Apps, die unter Ver­wen­dung der Blue­tooth-Funk­tech­nik “Begeg­nun­gen” zwi­schen zwei mit der ent­spre­chen­den App aus­ge­rü­ste­ten Smart­phones, die län­ger als 15 min und in einem Abstand unter zwei Metern statt­fin­den, dezen­tral und anonym auf­zeich­nen (soge­nann­tes Pro­xi­mi­ty Tra­cing [PT]). Soll­te ein Benut­zer oder eine Benut­ze­rin der PT-App nach­weis­lich posi­tiv auf SARS-CoV‑2 gete­stet wer­den, kann er oder sie anonym den Benach­rich­ti­gungs­dienst akti­vie­ren. Abhän­gig vom Datum der ersten Sym­pto­me der posi­tiv gete­ste­ten Per­son wer­den jene PT-App Benut­ze­rin­nen und -Benut­zer benach­rich­tigt, wel­che in der infek­tiö­sen Zeit­span­ne ein Kon­takt-Ereig­nis mit der posi­tiv gete­ste­ten Per­son hat­ten. Dies ermög­licht den benach­rich­tig­ten Benut­zern, sich frei­wil­lig in Selbst­qua­ran­tä­ne zu bege­ben und frei­wil­lig die zen­tra­le Hot­line des Bun­des zu kon­tak­tie­ren für all­fäl­li­ge wei­te­re Abklärungen.

Das gesam­te PT-App System wird mit inno­va­ti­ven kryp­to­gra­fi­schen Metho­den und einer stark dezen­tra­li­sier­ten Daten­be­ar­bei­tung dar­auf aus­ge­rich­tet, dass mög­lichst kei­ne Anga­ben zu bestimm­ten oder bestimm­ba­ren Per­so­nen (Per­so­nen­da­ten) vor­han­den sind. Orts­an­ga­ben wer­den über­haupt nicht erfasst, son­dern ledig­lich gut vor Miss­brauch geschütz­te, ver­schlüs­sel­te Daten betref­fend die Kon­takt-Ereig­nis­se. Wie bis­her und auch wei­ter­hin ken­nen ein­zig der behan­deln­de Arzt oder die behan­deln­de Ärz­tin sowie das bereits bestehen­de kan­to­na­le Cont­act Tra­cing-Zen­trum die Iden­ti­tät der infi­zier­ten Per­son. Nur die­se kön­nen eine infi­zier­te Per­son zudem mit­tels Über­mitt­lung eines anony­men Auto­ri­sie­rungs­codes ermäch­ti­gen, dem System in anony­mer Form die Infi­zie­rung bekannt zu geben. Dass eine benach­rich­tig­te Per­son unter Umstän­den auf­grund ihrer Erin­ne­rung an die Sozi­al­kon­tak­te der letz­ten Tage dar­auf schlie­ssen kann, von wem die Benach­rich­ti­gung aus­ging, ist bei der tra­di­tio­nel­len Nach­ver­fol­gung von Kon­tak­ten nicht anders.

Aus Sicht der vom Bun­des­rat ein­be­ru­fe­nen Natio­na­len COVID-19 Sci­ence Taskforce sind für einen effek­ti­ven Mehr­wert der PT-App für die Ein­däm­mung der Virus­aus­brei­tung eine sehr hohe Akzep­tanz und Ver­brei­tung in der Bevöl­ke­rung not­wen­dig. Aus Sicht des Eid­ge­nös­si­schen Daten­schutz- und Öffent­lich­keits­be­auf­trag­ten (EDÖB), der natio­na­len Ethik­kom­mis­si­on NEK und des Bun­des­am­tes für Justiz (BJ) müs­sen beim Ein­satz der PT-App fol­gen­de Grund­prin­zi­pi­en garan­tiert sein: Frei­wil­lig­keit auf allen Ebe­nen, wei­test­ge­hen­der Ver­zicht auf die Bear­bei­tung von per­so­nen­iden­ti­fi­zie­ren­den Daten, guter Miss­brauchs­schutz durch tech­ni­sche und orga­ni­sa­to­ri­sche Mass­nah­men, zeit­li­che Beschrän­kung des Ein­sat­zes auf die Dau­er der Kri­se sowie zeit­li­che Beschrän­kung der Daten­spei­che­rung auf das jeweils not­wen­di­ge Mass (Kon­takt­da­ten ledig­lich so lan­ge, wie die betrof­fe­ne Per­son nach epi­de­mio­lo­gi­schen Erkennt­nis­sen von einer Ansteckung betrof­fen sein könn­te; die wei­te­ren Daten höch­stens für die Dau­er der Krise).

Ent­spre­chend basie­ren die Arbei­ten für eine Schwei­zer PT-App (Bun­des­ver­wal­tung in Zusam­men­ar­beit mit der EPFL und der ETH) seit jeher auf dem Grund­pfei­ler der Frei­wil­lig­keit auf allen Ebe­nen (insb. Her­un­ter­la­den und Instal­la­ti­on der Appli­ka­ti­on; Ein­schal­ten des Blue­tooth-Funk­tech­nik; Ver­wen­den der wei­te­ren Funk­tio­nen wie Ein­ga­be des Nach­wei­ses eines posi­ti­ven Tests und Benach­rich­ti­gung übri­ger Benut­zen­den). Spie­gel­bild­lich war und ist die Frei­wil­lig­keit auf allen Ebe­nen auch zen­tra­le Vor­ga­be aller bis­her erar­bei­te­ten Rechtsgrundlagen.

Die von der Moti­on gefor­der­ten Anfor­de­run­gen an die “Dezen­tra­li­tät” und “Anony­mi­tät” sind system­in­hä­rent in der Archi­tek­tur der Schwei­zer PT-App ver­an­kert, die im Inter­net frei ersicht­lich ist (open source). Da es sich bei der PT-App um ein frei­wil­li­ges digi­ta­les Hilfs­mit­tel für im Epi­de­mien­ge­setz (SR 818.101) abge­stütz­te Mass­nah­men der Krank­heits­be­kämp­fung han­delt, wel­ches die wei­te­ren oben genann­ten Anfor­de­run­gen erfüllt, bestehen die erfor­der­li­chen gesetz­li­chen Grund­la­gen für die Bear­bei­tung von Gesund­heits­da­ten bereits. Der Bun­des­rat kann vor die­sem Hin­ter­grund und in Über­ein­stim­mung mit den Anlie­gen der Moti­on im Rah­men sei­ner epi­de­mien­recht­li­chen Befug­nis­se tätig wer­den. Eine Not­ver­ord­nung ist weder not­wen­dig noch vor­ge­se­hen. Der Bun­des­rat gedenkt, sei­ne Ver­ord­nung auf einen rela­tiv kur­zen Zeit­raum zu befri­sten, und wird selbst­ver­ständ­lich die Rege­lung und das System anpas­sen, soll­te der Gesetz­ge­ber in der Zwi­schen­zeit ent­spre­chen­de Vor­ga­ben machen.

Alle Arbei­ten sind bereits weit vor­an­ge­schrit­ten. Eine sol­che App soll für die Bevöl­ke­rung ab Mai 2020 in der gesam­ten Schweiz nutz­bar sein. Detail­lier­te Infor­ma­tio­nen zur Schwei­zer PT-App, die für deren Ein­satz not­wen­di­gen Anpas­sun­gen der recht­li­chen Grund­la­gen sowie Über­le­gun­gen zu all­fäl­li­gen flan­kie­ren­den Mass­nah­men (z.B. im Bereich Kom­mu­ni­ka­ti­on) wer­den dem Bun­des­rat am 8. Mai 2020 unter­brei­tet werden.

Es ist drin­gend und wich­tig, der Gesell­schaft die PT-App so bald als mög­lich zur Ver­fü­gung zu stel­len, um die schritt­wei­se Locke­rung des Lock­downs zu unter­stüt­zen. Vor dem Hin­ter­grund, dass alle Anlie­gen der Moti­on letzt­lich erfüllt wer­den, bean­tragt der Bun­des­rat die Ableh­nung der Motion.

Der Bun­des­rat bean­tragt die Ableh­nung der Motion.

AI-generierte Takeaways können falsch sein.