NZZ vom 2.3.2016: Eidgenössischer Datenschützer – Die Wahl, die keine ist
In zwei Wochen wählt das Parlament den neuen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten, den Nachfolger von Hanspeter Thür, der sich als unabhängiger Kämpfer um den Datenschutz und das Öffentlichkeitsprinzip verdient machte. Von einer «Wahl» zu sprechen, ist allerdings übertrieben, denn eine echte Auswahl an Kandidaten gibt es nicht. Es handelt sich vielmehr um eine Bestätigung (oder Ablehnung) des Kandidaten, den der Bundesrat vorschlägt: Adrian Lobsiger, Vizedirektor des Bundesamts für Polizei (Fedpol). Im Vorfeld äusserten diverse Parlamentarier Zweifel daran, dass Lobsiger den Rollenwechsel vom «Datensammler» zum Datenschützer schaffe. Kritisiert werden seine Nähe zur Verwaltung sowie mangelnde Erfahrung im Umgang mit neuen Technologien. […]
Die parlamentarische Gerichtskommission hat das Wahlverfahren formell genehmigt und empfiehlt den offiziellen Kandidaten «ohne Gegenstimme» zur Wahl. Dennoch gab es eine stattliche Anzahl Enthaltungen, wie Kommissionspräsident Roland Eberle bestätigt. […]
Tatsächlich ist das Wahlverfahren so im Datenschutzgesetz verankert. Parlamentarier von links bis rechts möchten dies nun ändern. Entsprechende Vorstösse sind in der Pipeline. […]
Grüter versucht im Hintergrund, die Wahl Lobsigers noch zu verhindern. Doch er dürfte auf verlorenem Posten stehen. Zwar unterstützt die SVP-Fraktion den einzigen Kandidaten nur mit einer knappen Mehrheit, doch die Fraktionen der SP und FDP haben sich grossmehrheitlich hinter ihn gestellt. Am Dienstag hat sich auch die CVP ohne Gegenstimme für Lobsiger ausgesprochen. Selbst bei den Grünen hat dieser gemäss Glättli im Hearing «einen überraschend guten Eindruck» hinterlassen. […]
Die wichtigsten Herausforderungen beim Datenschutz
[…]Das sind die grossen Herausforderungen für den künftigen Datenschützer:
- Big Data: Daten werden zum Rohstoff. Sie können in Zukunft nicht mehr nur zweckbestimmt gespeichert, sondern in grossen Mengen aus verschiedenen Quellen verknüpft und ausgewertet werden – zum Beispiel für einen effizienten und sicheren Strassenverkehr. Big Data stellt dabei ein grosses Wirtschaftspotenzial dar, bedroht aber die Privatsphäre, wenn Informationen aus verschiedenen Lebensbereichen systematisch strukturiert, gesammelt und ausgewertet werden.
- Open Data: Die Behörden verfügen über wertvolle Datenbestände, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Persönliche Daten gehören zwar typischerweise nicht dazu, doch wenn Angaben beispielsweise über die Nutzung von ÖV-Angeboten mit anderen Daten verknüpft werden, kann unter Umständen ein Personenbezug hergestellt werden.
- Die Digitalisierung prägt mehr und mehr das Gesundheitswesen. Dabei gilt die Regel: Je besser der Informationsaustausch zwischen Ärzten, Spitälern und Laboratorien funktioniert, desto besser wird die Behandlungsqualität. Doch auch die Versicherungen sind an Gesundheitsdaten interessiert. Wie gläsern sollen Patienten vor diesem Hintergrund werden? In den nächsten Jahren wird das Gesetz über das elektronische Patientendossier umgesetzt. Dem Datenschützer kommen gewisse Aufsichtspflichten zu.
- Globaler Datenverkehr: Google, Facebook oder Amazon transferieren Daten und handeln mit ihnen global. Doch das Verständnis für den Datenschutz differiert von Kontinent zu Kontinent. In den USA ist der Datenschutz gesetzlich fragmentiert, und die digitalen Grundrechte sind weniger ausgeprägt als in Europa. Im vergangenen Herbst erklärte der europäische Gerichtshof das sogenannte «Safe-Harbour-Abkommen», das den Datenaustausch zwischen der EU und den USA regelt, für ungültig. Das Urteil wird Einfluss auch auf die Schweizer Datenschutzgesetzgebung haben.
- Revision des Datenschutzgesetzes: Der Bundesrat hat die Revision im letzten Jahr angekündigt. Bis spätestens im Herbst 2016 soll ein Vorentwurf verabschiedet werden, wobei der Datenschutz gestärkt und insbesondere die Entwicklung auf europäischer Ebene berücksichtigt werden soll.