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OGer ZH, 8.2.2016: Eine Bank darf kei­ne Per­so­nen­da­ten einer Mit­ar­bei­te­rin an die USA herausgeben

Das OGer ZH hat mit Urteil LB150052 v. 8.2.2016 zunächst ent­schie­den, dass bei Kla­gen von Bank­an­ge­stell­ten gegen die Lie­fe­rung von Daten an das DOJ sowohl das Bezirks­ge­richt als auch das Arbeits­ge­richt zustän­dig sind:

Im vor­lie­gen­den Fall stützt sich die Klä­ge­rin in erster Linie auf Art. 15 DSG. Gemäss dem Geset­zes­wort­laut bezwecken der­ar­ti­ge Kla­gen den Schutz der Per­sön­lich­keit und rich­ten sich nach den Art. 28, 28a und 28I ZGB. Damit ist klar, dass eine sol­che Kla­ge weit über das blo­sse Arbeits­ver­hält­nis zwi­schen den Par­tei­en hin­aus­reicht und die gan­ze Per­sön­lich­keit der Klä­ge­rin betrifft, wes­halb die sach­li­che Zustän­dig­keit des Bezirks­ge­richts ohne wei­te­res gege­ben ist. Die Vor­in­stanz hat die Kla­ge indes­sen nicht nur unter dem Gesichts­punkt des Art. 15 DSG, son­dern auch unter arbeits­ver­trag­li­chen Gesichts­punk­ten, näm­lich unter Art. 328 und Art. 328b OR, geprüft (Urk. 38 S. 23 – 25). Das ist kla­rer­wei­se zuläs­sig, denn die Vor­in­stanz hat­te im Sin­ne von Art. 57 ZPO die Kla­ge unter allen mass­geb­li­chen Gesichts­punk­ten zu prü­fen. Umge­kehrt wäre es auch denk­bar gewe­sen, die glei­che Kla­ge beim Arbeits­ver­trag anzu­knüp­fen, was dazu geführt hät­te, dass das Arbeits­ge­richt für die Beur­tei­lung der Kla­ge zustän­dig wäre und dabei von die­sem in glei­cher Wei­se unter allen Gesichts­punk­ten zu prü­fen gewe­sen wäre. Das führt dazu, dass für Kla­gen der vor­lie­gen­den Art sowohl das Bezirks­ge­richt als auch das Arbeits­ge­richt zustän­dig ist.

In der Sache sieht das OGer ZH sodann kein über­wie­gen­des öffent­li­ches Inter­es­se i.S.v. DSG 6 II, solan­ge kei­ne system­re­le­van­te Bank betrof­fen ist:

Fra­ge, ob die Gefähr­dung einer Bank im Sin­ne des Gesag­ten dem schwei­ze­ri­schen öffent­li­chen Inter­es­se zuwi­der­läuft, recht­fer­tigt es sich, dar­auf abzu­stel­len, ob das betref­fen­de Insti­tut als system­re­le­vant zu gel­ten hat oder nicht. Auch das Bun­des­ge­richt hat in sei­nem am 15. Juli 2011 ergan­ge­nen Leit­ent­scheid BGE 137 II 431 über die Lie­fe­rung von Bank­kun­den­da­ten an die US-Behör­den an die System­re­le­vanz der betref­fen­den Bank ange­knüpft (vgl. BGE 137 II 431 E. 4.1, 4.2, 4.4). Dass im inter­es­sie­ren­den Zusam­men­hang die System­re­le­vanz das unter dem Gesichts­punkt des öffent­li­chen Inter­es­ses ent­schei­den­de Kri­te­ri­um ist, ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem BankG: Per 1. März 2012 wur­den dem BankG die Art. 7 bis 10a als “Fünf­ter Abschnitt: System rele­van­te Ban­ken” ein­ge­fügt, wo vom Gesetz­ge­ber die ent­schei­den­den Wer­tun­gen vor­ge­nom­men wur­den. Gemäss Art. 7 Abs. 1 BankG gel­ten sol­che Ban­ken als system­re­le­vant, “deren Aus­fall die Schwei­zer Volks­wrt­schaft und das schwei­ze­ri­sche Finanz­sy­stem erheb­lich schä- digen wür­de”. Ban­ken, wel­che die­se Vor­aus­set­zun­gen nicht erfül­len, gel­ten nicht als system­re­le­vant; es kann daher auch nicht ange­nom­men wer­den, dass ihr Aus- fall “die Schwei­zer Volks­wirt­schaft und das schwei­ze­ri­sche Finanz­sy­stem erheb­lich schä­di­gen wür­de”. Oder mit andern Wor­ten: Fällt eine nicht system­re­le­van­te Bank aus, ist das schwei­ze­ri­sche öffent­li­che Inter­es­se nicht tangiert.

Auch ande­re Recht­fer­ti­gungs­grün­de für die Daten­lie­fe­rung sieht das OGer ZH nicht, nament­lich nicht die Durch­set­zung von Rechts­an­sprü­chen vor Gericht i.S.v. DSG 6 II lit. d:

Die Beklag­te ver­mag zwar auch Autoren zu nen­nen, die ihre The­se stüt­zen. Das trifft auf Liv­s­chitz (in: Daten­schutz­recht, Basel 2015, Rz 18.79) zu, der meint, dass “das, was für das Gerichts­ver­fah­ren gel­te, auch für das vor­ge­schal­te­te Unter­su­chungs­ver­fah­ren der Behör­den gel­ten” müs­se. Die­se Argu­men­ta­ti­on, die nicht wei­ter begrün­det wird, zielt indes­sen am Geset­zes­wort­laut vor­bei, der die “Durch­set­zung von Rechts­an­sprü­chen vor Gericht’ erwähnt. Ein ande­rer von der Beklag­ten zitier­ter Autor (Wyss, in: Daten­schutz­recht, Basel 2015, Rz 11.92) hebt die Unter­schie­de zwi­schen dem kon­ti­nen­tal-euro­päi­schen und dem US- ame­ri­ka­ni­schen Justiz­sy­stems her­vor, indem bei letz­te­rem dem Gericht ledig­lich eine “koor­di­nie­ren­de Ober­lei­tungs­funk­ti­on” zukom­me und das Pro­zess­ma­te­ri­al bereits vor dem for­mel­len Gerichts­ver­fah­ren in der Form von Pre-Dis­co­very-Ver­fah­ren erho­ben wer­de. Das mag durch­aus sein. Wenn das Gesetz aber in Art. 6 Abs. 2 lit. d DSG von “Gericht” spricht, geht es von einem kon­ti­nen­tal-euro­päi­schen Ver­ständ­nis die­ses Begrif­fes aus und nicht von einem Ver­fah­ren, in dem zu irgend­wel­chen Zwecken Daten von schutz­wür­di­gen Per­so­nen erho­ben wer­den. Kein euro­päi­sches Gericht wird Daten zu ver­fah­rens­frem­den Zwecken erhe­ben, wie das das DoJ zu tun beabsichtigt.

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