Das Obergericht des Kantons Zürich hat in einem Urteil vom 16. November 2016 (NP160017; Swisslex) zum Auskunftsrecht zu Daten geäussert, die eine verstorbene Person betreffen.
Art. 1 Abs. 7 VDSG ist bundesrechtswidrig:
Das OGer ZH hält dabei fest, dass die Persönlichkeit mit dem Tod endet (Art. 31 ZGB) und dass Angaben über eine verstorbene Person demzufolge keine Personendaten sind. Mit anderen Worten betrachtet das OGer ZH eine verstorbene Person nicht mehr als “Person” i.S.v. Art. 3 lit. b DSG. Das OGer begründet dies mit der herrschenden Ansicht:
[…] Art. 1 Abs. 7 der DSV lautet: “Wird Auskunft über Daten von verstorbenen Personen verlangt, so ist sie zu erteilen, wenn der Gesuchsteller ein Interesse an der Auskunft nachweist und keine überwiegenden Interessen von Angehörigen der verstorbenen Person oder von Dritten entgegenstehen. Nahe Verwandtschaft sowie Ehe mit der verstorbenen Person begründen ein Interesse”. James Peter […] weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach schweizerischer Rechtspraxis beim Tod des Betroffenen auch das Persönlichkeitsrecht und der damit verfolgte Schutzzweck dahinfallen, so dass das Auskunftsrecht nicht auf den Rechtsnachfolger übergehe. Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht sei ein aus dem Persönlichkeitsrecht fliessender Anspruch über Daten betreffend die eigene Person […]. Art. 1 Abs. 7 DSV sei deshalb nicht nur am falschen Ort, sondern beschlage eine andere Thematik als das Auskunftsrecht. Ausserdem fehle es an der Grundlage für diese Bestimmung im Datenschutzgesetz ([…] ähnlich: Beat Rudin, in Baeriswyl/Pärli, Stämpflis Handkommentar zum DSG, N. 28 zu Art. 8 […]). Belser/Epiney/Waldmann […] erwähnen im vorliegenden Zusammenhang, dass das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht eigene Daten betreffe, mithin ein subjektives, höchstpersönliches Recht, das unvererblich sei. Und BSK DSG-Niggli/Maeder […] führen in diesem Zusammenhang Folgendes aus: “Auskunft muss über Daten der anfragenden Person («über sie», Art. 8 Abs. 1 DSG) erteilt werden. Diese gesetzliche Formulierung sucht Art. 1 Abs. 7 VDSG zu erweitern, wenn es um Daten über Tote geht (und der Gesuchsteller durch nahe Verwandtschaft oder Ehe mit dem Verstorbenen oder sonst wie ein berechtigtes Interesse an der Information dartut). Diese Bestimmung dürfte gesetzwidrig sein. […]”. Auch die Ausführungen in BSK DSG-Gramigna/Maurer-Lambrou weisen in dieselbe Richtung […]”.
Das OGer ZH weist deshalb eine Klage auf Auskunftserteilung über den verstorbenen Vater des Klägers ab. Vorbehalten bleiben allfällige Ansprüche aus dem eigenen Persönlichkeitsrecht der Angehörigen, die im vorliegenden Verfahren indes keine Rolle spielten. Art. 7 Abs. 1 VDSG sei deshalb bundesrechtswidrig:
Hält man mit Blick auf die überzeugende Ansicht der Mehrheit der vorstehend zitierten Autoren Art. 7 Abs. 1 DSV für bundesrechtswidrig, so muss dem Kläger – auf Grundlage des Persönlichkeitsrechts – die datenschutzrechtliche Auskunft bezüglich seines Vaters versagt werden.
Dispositionsmaxime im Datenschutzrecht
Das OGer ZH prüft im Anschluss weitere Auskunftsansprüche, verneint sie aber. Insbesondere fehlten vertragliche Auskunftsansprüche des Vaters, die an den Kläger hätten vererbt werden können. Im diesem Zusammenhang weist das OGer ZH auf die Frage hin, ob das Gericht an eine vom Kläger ausdrücklich vorgenommene Beschränkung des geltend gemachten Rechtsgrundes gebunden ist. Dazu verweist es auf das Urteil des BGer 4A_307/2011 vom 16.12.2011, in dem das BGer zur Dispositionsmaxime Folgendes festgehalten hat:
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt eine Verletzung des Grundsatzes “ne eat iudex ultra petita partium” nicht vor, wenn ein Gericht den eingeklagten Anspruch in rechtlicher Hinsicht ganz oder teilweise abweichend von den Begründungen der Parteien würdigt, sofern er vom Rechtsbegehren gedeckt ist […]. Das Gericht ist aber an den Gegenstand und Umfang des Begehrens gebunden, insbesondere wenn der Kläger seine Ansprüche im Rechtsbegehren selbst qualifiziert oder beschränkt[…].
Im konkreten Fall folgte daraus, dass der Auskunftsanspruchnur datenschutzrechtlich zu prüfen war, weil das Rechtsbegehren eindeutig auf das Datenschutzrecht Bezug nahm:
1. Die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger Auskunft zu geben über alle den Kläger und den verstorbenen Vater des Klägers […] betreffenden Daten, die in den Datensammlungen der Beklagten vorhanden sind, einschliesslich der verfügbaren Angaben über die Herkunft der Daten, sowie den Zweck und gegebenenfalls die Rechtsgrundlagen des Bearbeitens sowie die Kategorien der bearbeiteten Personendaten und der an der Sammlung Beteiligten und der Datenempfänger.
2. Die Beklagte sei zu verpflichten, die Datenauskunft in Form eines Ausdrucks oder einer Fotokopie zu erteilen gemäss Art. 8 Abs. 5 DSG.
Das OGer ZH sagt dazu:
Jedenfalls wenn der Ansicht des Bundesgerichts gefolgt wird, wofür im datenschutzrechtlichen Sonderfall Gründe angeführt werden können, muss es bei der Prüfung der auf das Datenschutzgesetz bezogenen Anspruchsprüfung bleiben.