- OLG München entschied am 4. Oktober 2021 über DSGVO-Auskunftsansprüche im Rahmen eines zivilrechtlichen Forderungsstreits.
- Kläger verlangte Kopien von persönlichen Daten, einschließlich Telefonnotizen und E‑Mails, während Beklagte nur Auskunft erteilte.
- Urteil betont, dass personenbezogene Daten nach Art. 4 DSGVO umfassend definiert sind und bestimmte Verknüpfungen zur Klägerin erfordern.
- Anspruch auf Kopien steht selbständig neben der Auskunft nach Art. 15 DSGVO, nicht als bloße Aufzählung vorhanden Informationen.
- Kritik an weitgehender Betrachtung von Personendaten, die eine detaillierte Prüfung jedes Dokumententeils erfordert, statt pauschaler Einordnung.
Das OLG München hat in einem am 4. Oktober 2021 ergangenen Urteil (Az. 3 U 2906/20) eine harte Linie vertreten. Es ging um eine Klage auf Auskunft i.S.v. Art. 15 DSGVO – einschliesslich der Überlassung von Kopien – vor dem Hintergrund eines zivilrechtlichen Forderungsstreits. Der Kläger hatte Kopien u.a. von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Protokollen, E‑Mails usw. verlangt. Die Beklagten gab zwar Auskunft, überliess dem Kläger aber keine Kopien. Das LG München I hatte die entsprechende Klage gutgeheissen. Das OLG München weist die Berufung dagegen ab.
Kern des Urteils ist folgende Aussage des OLG München:
[…] Personenbezogene Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. […] Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (BGH NJW 2021, 2726 m.w.Nachw.). Betreffend den bei den Beklagten befindlichen Daten lässt sich jeweils aus dem Betreff bzw. dem Gesprächspartner eine Verbindung zu der Klägerin ziehen. Schreiben und E‑Mails der Klägerin an die Beklagten sind grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten gem. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO anzusehen. […] Telefonnotizen, Aktenvermerke und Protokolle als interne Vermerke bei den Beklagten, die Informationen über die Klägerin enthalten, sind ebenfalls als personenbezogene Daten einzuordnen. Hier wird durch die Beklagten festgehalten, was die Klägerin telefonisch oder in persönlichen Gesprächen geäußert hat (vgl. nur BGH NJW 2021, 2726 Rn. 25).
Nach dieser Einleitung prüft das OLG den Anspruch auf Kopie. Das OLG folgt hier der Ansicht, dass der Anspruch auf Kopien nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO selbständig neben dem Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO steht und einen eigenständigen Herausgabeanspruch verleiht:
4) Der Gegenstand dieses Anspruchs richtet sich nicht lediglich auf eine abstrakte Aufzählung der vorhandenen Informationen, da dieser bereits in dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO enthalten ist. Vielmehr hat der Gläubiger einen Anspruch auf Überlassung der Informationen in der Form, wie sie dem Verantwortlichen vorliegen […]. Ein notwendiger Schutz des Schuldners wird durch die Möglichkeit der Schwärzung nach Art. 15 Abs. 4 DS-GVO gewährleistet.
Anlass zur Kritik bietet sicher die sehr weite Anwendung des Begriffs des Personendatums. Wenn jedes ein Personendaten enthaltende Dokument insgesamt ein Personendaten darstellt, ist auch jedes Telefonbuch insgesamt ein Personendatum für jeden Anschlussinhaber. Das ist natürlich nicht der Fall. Das Gericht hätte vielmehr für jeden Teil der relevanten Dokumente prüfen müssen, ob dieser Teil den Begriff der Personendaten noch erfüllt, und zwar nach den Kriterien, die das OLG selbst erwähnt (Inhalt, Zweck oder Auswirkungen der Information; näher ausgeführt von der damaligen Artikel-29-Datenschutzgruppe in der Stellungnahme 4/2007 zum Begriff “personenbezogene Daten”). In einem Dokument ist daher nur diejenige Information ein Personendaten, die sich direkt auf die betroffene Person bezieht, die den Zweck hat, eine Aussage über die betroffene Person zu machen, oder die sich aufgrund des Informationsgehalts auf die betroffene Person in relevanter Weise auszuwirken geeignet ist. Nur in diesem Umfang stellen sich Fragen der Schwärzungen.
Das ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit: Das Datenschutzrecht bezieht sich auf Personendaten, d.h. auf personenbezogene Informationen in verkörperter Form, und nicht auf Dokumente. Das Auskunftsrecht als Akteneinsichtsrecht zu verstehen ist deshalb ein konzeptioneller Fehler.