Eingereichter Text
14.305, “Fertig mit dem anonymen Aufruf zu Demonstrationen und Grossanlässen ohne Übernahme von Verantwortung”, allenfalls umgesetzt werden könnte.
Stellungnahme des Bundesrats
Die Standesinitiative Bern fordert, präventiv, d. h. vor erfolgter Straftat, IT-Adressen auf gerichtliche Anordnung hin den Polizeibehörden bekanntzugeben. Der Polizei soll damit ermöglicht werden, die im Internet anonym Aufrufenden zu ermitteln, damit sie als faktische Organisatoren in die Pflicht genommen und im Schadensfall zur Verantwortung gezogen werden können.
Auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens sowie des Straf- und Strafprozessrechts bestehen Bundeskompetenzen (Art. 92 Abs. 1 und Art. 123 Abs. 1 der Bundesverfassung); von diesen Verfassungsnormen kann eine Rechtsetzungskompetenz des Bundes für eine allfällige Umsetzung der vorliegenden Forderung abgeleitet werden.
Schon heute kann unter Einhaltung der Bedingungen gemäss der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO; SR 312) und gestützt auf das Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf; SR 780.1) eine Teilnehmeridentifikation angeordnet werden, wenn eine Straftat über Internet begangen wird (z. B. Aufforderung zu Straftaten, insbesondere Gewalttätigkeiten gemäss Art. 259 des Strafgesetzbuches; SR 311.0). Zudem erlaubt das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (Art. 13 Abs. 1bis; SR 120) dem Nachrichtendienst des Bundes, Adressierungselemente zu eruieren und diese Teilnehmer zu identifizieren, wenn die Aufrufe aus einem gewaltextremistischen oder terroristischen Milieu stammen.
Allerdings erachtet der Bundesrat den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht für gewahrt, wenn die Identität der anonymen Personen bekanntgegeben wird und deren Aufruf zu Demonstrationen oder anderen Grossanlässen keine Aufforderung zu Verbrechen oder Gewalttätigkeiten enthält: Der Aufruf zu einer unbewilligten Demonstration oder Versammlung allein ist keine Straftat gemäss Strafgesetzbuch und stellt nicht per se eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit dar. Kommt es an einem Anlass spontan zu Störungen des öffentlichen Lebens und zu einer Bedrohung oder Verletzung von Teilnehmenden und Passanten, darf eine straf- und zivilrechtliche Mitverantwortung der Initianten des Anlasses nicht ohne Weiteres angenommen werden. Somit dürfte das erklärte Ziel der Massnahme, die auf diese Weise identifizierten Initianten eines ausser Kontrolle geratenen Anlasses rechtlich belangen zu können, kaum realisierbar sein. Auch setzt die Teilnehmeridentifikation gemäss Büpf (bzw. StPO) den Verdacht der Strafverfolgungsbehörden voraus, dass eine Straftat begangen worden ist; die Bekanntgabe dieser Informationen an die Polizei für rein präventive Zwecke ist danach nicht zulässig. Für den Bundesrat ist keine Situation erkennbar, bei der die Teilnehmeridentifikation zum Zweck einer präventiven Ansprache gegenüber Initianten von Versammlungen ein taugliches Instrument darstellen würde, um spontane Exzesse künftiger Teilnehmender zu verhindern. Auch kommen bei Providern mit Sitz im Ausland zusätzliche Schwierigkeiten bei der Durchsetzbarkeit einer solchen Regelung zur Teilnehmeridentifikation hinzu. Schliesslich würde von der ins Auge gefassten Regelung auch eine prohibitive Wirkung ausgehen, was einen erheblichen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Versammlungsfreiheit darstellen würde.
Aus den genannten Gründen beantragt der Bundesrat die Ablehnung des Postulates.
Sollte dieses trotzdem angenommen werden, ist zu berücksichtigen, dass vorliegend die Kantone mit einbezogen werden müssen. Die Verabschiedung eines Berichtes wäre daher frühestens im Herbst 2015 möglich.