Postulat WAK-SR (23.4322): Handhabung der weiteren Verwendung illegal erworbener Daten
Eingereichter Text
Der Bundesrat wird aufgefordert in einem Bericht aufzeigen, wie der gesetzliche Schutz sensibler persönlicher Daten vor Veröffentlichungen dieser Daten durch soziale und private Medien verbessert werden kann und gleichzeitig einem legitimen öffentlichen Interesse der Aufklärung von systematischen Gesetzesverletzungen Rechnung getragen werden kann. Dabei ist zu prüfen, ob die Veröffentlichung rechtswidrig erhobener Daten unter Strafe gestellt werden soll (ähnlich einem Verbot der Daten-Hehlerei).
Zu prüfen ist dabei insbesondere, ob die Strafbarkeit der Veröffentlichung von einst rechtswidrig erhaltener oder erworbener Personen- oder anderer sensibler Daten eingeführt werden soll und welches die Vor- und Nachteile einer solchen Regelung wären. Eine solche Regelung soll die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden weiterhin ermöglichen, sie soll aber auch die zu schützenden Personen vor Vorverurteilungen der Öffentlichkeit und generell in ihren Persönlichkeitsrechten schützen.
Es soll auch geprüft werden, in welchen Fällen überhaupt illegal erlangte Informationen aller Art veröffentlicht werden dürfen, respektive in welchen Sachverhalten das öffentliche Interesse gegenüber dem privaten Interesse, dass die illegal erlangten Daten nicht veröffentlicht werden dürfen, überwiegt und in welchen Fällen auf eine Strafbarkeit verzichtet werden könnte.
Begründung
Persönliche Daten sollen im Grundsatz generell geschützt bleiben, auch wenn sie in einer Vorstufe illegal erworben worden sind und der Veröffentlichung ein Verstoss gegen das Gesetz vorgeht. Das kann bei einem physischen Diebstahl oder durch Cyberangriffe der Fall sein, welche der Veröffentlichung in einem sozialen oder privaten Medium vorgehen.
Sollte ein Unternehmen systematisch gegen Recht verstossen (z.B. Verstoss gegen das Korruptionsverbot oder ein systematischer Verstoss gegen die Geldwäschereigesetzgebung), dann besteht ein öffentliches Interesse, davon generell Kenntnis zu haben, jedoch nicht ein öffentliches Interesse an den illegal erworbenen persönlichen Daten. Diese Daten können den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden, um ein rechtsstaatlich korrektes Verfahren einzuleiten.
Immer öfters kommen heikle Informationen und Personendaten in den Besitz von Dritten durch vorgelagerte illegale Handlungen (Diebstahl durch Mitarbeiter oder durch Cyberangriffe usw.). In diesen Fällen soll weiterhin sichergestellt sein, dass ein rechtsstaatliches Verfahren gegen die Gesetzesverstösse stattfindet, jedoch eine öffentliche Vorverurteilung zukünftig verhindert werden kann.
Stellungnahme des Bundesrats vom 29.11.2023
Die Einführung der Strafbarkeit der weiteren Verwendung rechtswidrig erhaltener oder erworbener Daten war bereits Gegenstand der am 8.12.2022 eingereichten Motion 22.4325 Hurni, «Es ist wichtig, die Hehlerei mit digitalen Daten zu bestrafen». Der Bundesrat hielt in seiner diesbezüglichen Stellungnahme vom 15.2.2023 fest, dass die geltende materielle Rechtslage grundsätzlich ausreichend ist, um eine weitere Verwendung illegal erworbener Daten zu erfassen. Er ist auch heute der Überzeugung, dass sich das Konzept der Hehlerei gemäss Artikel 160 des Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0) auf Sachen bezieht und den Anspruch auf Wiederherstellung der rechtmässigen Besitzlage schützt. Dieses sachenrechtlich geprägte Konzept ist nicht unbesehen auf die Logik einer allfälligen Weiterverwendung von Daten übertragbar. Es existieren divergierende Schutzbedürfnisse bei Sachen auf der einen Seite sowie bei Daten und Informationen auf der anderen Seite. Die Frage, ob die Veröffentlichung rechtswidrig erhobener Daten spezifisch unter Strafe gestellt werden soll (ähnlich einem Verbot der Daten-Hehlerei), hat der Bundesrat daher bereits verneint.
Das StGB sowie das Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG, SR 235.1) erfassen zudem bereits Konstellationen, in denen die Veröffentlichung bestimmter Daten (durch soziale oder private Medien, aber auch generell) verboten sind. Spezifische wichtige Datenkategorien sind daher bereits gesetzlich geschützt. So wird jegliches Bearbeiten und damit auch das Übermitteln oder Zugänglichmachen von Personendaten (Art. 2 DSG) gesetzlich geregelt. Darüber hinaus wird das unbefugte Beschaffen von Personendaten in Artikel 179novies StGB auch durch das Kernstrafrecht erfasst. Unter diesen Schutz fallen alle besonders schützenswerten Personendaten, wozu grundsätzlich auch sensible persönliche Daten wie beispielsweise Gesundheitsdaten zu zählen sind (Art. 5 lit. c Ziff. 2 DSG). Im Zuge der Revision des DSG wurde auf den 1.9.2023 zudem ein neuer Straftatbestand gegen Identitätsmissbrauch und Diebstahl einer entsprechenden Identität (Art. 179decies StGB) eingeführt, der die deliktische Weiterverwendung von Daten erfasst. Eine Strafbarkeit im Hinblick auf die Veröffentlichung und Verwendung von Daten ist folglich bereits heute möglich und richtet sich primär danach, welche Daten und welche Schutzinteressen in einem konkreten Fall betroffen sind.Die Frage, in welchen Fällen illegal erlangte Informationen aller Art veröffentlicht werden dürfen, respektive in welchen Sachverhalten das öffentliche Interesse das private Interesse, dass die illegal erlangten Daten nicht veröffentlicht werden dürfen, überwiegt, ist im Übrigen nicht pauschal und abstrakt zu beantworten. Das geltende Recht erlaubt es im Rahmen eines spezifischen Verfahrens bereits jetzt, Interessenabwägungen zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Veröffentlichung und einem schützenswerten privaten Interesse der betroffenen Person an einer Geheimhaltung vorzunehmen. Die rechtliche Würdigung der betreffenden Interessen hängt dabei jeweils massgeblich von der Einzelfallbetrachtung ab. Zudem können für eine Interessenabwägung bestehende spezial- oder kantonalgesetzliche Bestimmungen relevant sein, oder aber beispielsweise gesetzliche Schweige- oder Geheimhaltungspflichten wie Berufsgeheimnisse (Art. 321 StGB, Art. 321bis StGB), das Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 321ter StGB), das Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnis (Art. 162 StGB) oder das Bankgeheimnis (Art. 47 Bankengesetz, SR 952.0). Insgesamt ist die Frage der Zulässigkeit einer Veröffentlichung daher jeweils vor dem Hintergrund der spezifischen Umstände und durch die zuständigen Behörden zu beantworten.
Der Bundesrat erkennt angesichts der dargestellten, bestehenden Rechtslage in einer Berichterstattung zu den Fragen der Kriminalisierung der Verwendung von illegal erlangten Daten sowie der Zulässigkeit einer Veröffentlichung aus übergeordneten Interessen keinen erheblichen Mehrwert. Er verfolgt die internationalen Entwicklungen in diesem Bereich weiterhin aufmerksam; dies insbesondere im Rahmen der unter Mitwirkung der Schweiz laufenden Verhandlungen bezüglich einer UNO-Konvention im Bereich Cyberkriminalität.