Herausgabe der Krankengeschichte.
– Die beantragte Einsicht in die Krankengeschichte kann nicht aus Gründen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes der verstorbenen Person verwehrt werden (Erw. 2).
– Die einschlägigen Datenschutzgesetze sind auch für die Bearbeitung von Personendaten eines verstorbenen Menschen anwendbar (Erw. 3).
– Hinsichtlich des Rechts auf Einsicht in personenbezogene Akten Verstorbener besteht im kantonalen Recht keine allgemeine Regelung; diesbezüglich liegt eine echte Gesetzeslücke vor (Erw. 4a‑c).
– Gesuchen um Einsicht in die Krankengeschichte verstorbener Personen ist zu entsprechen, wenn die Gesuchstellenden ein Interesse an der Auskunft oder Einsicht nachweisen, den Gesuchen keine spezielle Gesetzesvorschrift sowie keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen (Erw. 4d).
– Angesichts der überragenden Bedeutung des strafrechtlichen Schutzes des Arztgeheimnisses ist die vollumfängliche Einsichtnahme in die Originalakten der verstorbenen Person nicht zuzulassen; es erweist sich als verhältnismässig, die Akten lediglich einer vermittelnden ärztlichen Vertrauensperson stellvertretend für die Angehörigen zu deren Orientierung unter Auflage herauszugeben (Erw. 4e).
Interessant sind die Ausführungen zum Arztgeheimnis und der Abwägung gegen die Offenlegungsinteressen der Angehörigen:
In Lehre und Rechtsprechung wird anerkannt, dass nahe Angehörige einer getöteten Person einen selbstständigen Genugtuungsanspruch haben können (Art. 47 des Schweizerischen Obligationenrechts vom 30. März 1911 (OR); Roland Brehm, Berner Kommentar, 2. Auflage, Bern 1998, Art. 47 N 31 f., N 141 ff., je mit Verweisungen). In diesem Sinne ist den Beschwerdeführenden durchaus ein berechtigtes Interesse zuzugestehen, die besonderen Umständen des Todes ihres Angehörigen zu kennen, um die Grundlagen für einen allfälligen haftpflichtrechtlichen Anspruch abklären und durchsetzen zu können. Da nach dem Tod von R.M. die einzige Möglichkeit, Kenntnis von diesen Umständen zu erhalten, in der Entbindung der Ärzte bzw. Ärztinnen des IPD vom Arztgeheimnis durch die Aufsichtsbehörde besteht, ist das Subsidiaritätsprinzip gewahrt. Dem Offenbarungsinteresse der Beschwerdeführenden steht indessen das Geheimhaltungsinteresse betreffend Angaben über den verstorbenen R.M. entgegen. Eine Durchsicht der Krankenunterlagen ergibt, dass darin im besonderem Masse schützenswerte höchstpersönliche Daten von R.M. enthalten sind, welche den Ärzten bzw. Ärztinnen im Rahmen der Behandlung anvertraut wurden oder diese in Ausübung ihres Berufes wahrgenommen haben. Insbesondere haben diese Unterlagen auch vertrauliche Informationen zum Inhalt, die das Verhältnis zwischen dem Verstorbenen und den Angehörigen betreffen. Es ist daher nicht ohne weiteres anzunehmen, dass eine Person, selbst wenn sie mit nahen Verwandten eng verbunden war, einzig aufgrund dieses Umstandes zugelassen hätte, dass ihr ärztliches Dossier diesen voll und ohne Einschränkungen zugänglich sei (Entscheid der II. öff.-rechtl. Abteilung des Bundesgerichts vom 26. April 1995 i.S. X c. Spital von P. u. Staatsrat des Kantons Genf, in: Pra 85 Nr. 94 S. 294). Die Beschwerdeführenden vermögen zwar durchaus ein das Geheimhaltungsinteresse überwiegendes höherwertiges Interesse an der Offenbarung von Daten in den Krankenunterlagen geltend zu machen, soweit diese mit Haftungsgrundlagen in sachlichem Zusammenhang stehen und deren Kenntnis zur Abklärung der Prozesschancen und zur Anspruchsdurchsetzung erforderlich ist. Es ist ihnen durchaus Recht zu geben, dass ihren Interessen in optimalerer Weise Rechnung getragen würde, wenn sie selber im vollem Umfang Einsicht in die Krankenunterlagen nehmen könnten. Angesichts der überragenden Bedeutung des strafrechtlichen Schutzes des Arztgeheimnisses ist indessen die von ihnen beantragte vollumfängliche Einsichtnahme in die Originalakten nicht zuzulassen; dies umso mehr, als dies im vorliegenden Fall nicht zwingend notwendig ist. Denn der angefochtene Entscheid der Vorinstanz, die Akten lediglich einer vermittelnden ärztlichen Vertrauensperson stellvertretend für die Beschwerdeführenden zu deren Orientierung unter Auflage herauszugeben, wird sowohl dem – v.a. der fachgerechten Ausführung der medizinischen Berufe dienenden – Interesse an der Nichtverbreitung höchstpersönlicher Tatsachen, die den Arztpersonen im Rahmen ihrer beruflichen Funktionen anvertraut werden, und demjenigen der Beschwerdeführenden, Kenntnis von den relevanten anspruchsbegründenden Tatsachen zu erhalten, in angemessener Weise gerecht und entspricht daher dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Eine solche Regelung hat sich gerade mit Bezug auf medizinische Angaben bewährt und erlaubt, den vorliegenden Interessenkonflikt ausgewogen zu lösen (Entscheid der II. öff.-rechtl. Abteilung des Bundesgerichts vom 26. April 1995 i.S. X c. Spital von P. u. Staatsrat des Kantons Genf, in: Pra 85 Nr. 94 S. 294; ZBl 91/1990 S. 364). So wird denn auch in Art. 8 Abs. 3 DSG bestimmt, dass der Inhaber oder die Inhaberin einer Datensammlung Daten über die Gesundheit der betroffenen Person durch einen von ihr bezeichneten Arzt oder durch eine Ärztin mitteilen lassen kann.
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