Stan­des­in­itia­ti­ve Basel-Stadt (22.313): Digi­ta­li­sie­rung des Schwei­zer Gesund­heits­we­sens vor­an­trei­ben. Daten­ba­sier­tes Öko­sy­stem für For­schung und Gesell­schaft ent­wickeln (14. Juni 2022)

Ein­ge­reich­ter Text

Der Kan­ton Basel-Stadt ver­langt von den eid­ge­nös­si­schen Räten, die Rah­men­be­din­gun­gen dahin­ge­hend anzu­pas­sen, dass das Schwei­ze­ri­sche Gesund­heits­sy­stem so rasch wie mög­lich digi­ta­li­siert und sich somit zu einem ver­netz­ten Gesund­heits­da­ten­öko­sy­stem wei­ter­ent­wickeln kann. Die Schweiz braucht jetzt

  • eine gemein­sa­me Infra­struk­tur, mit der Gesund­heits­da­ten erho­ben, ver­ar­bei­tet, gespei­chert, geteilt und auch gelöscht wer­den können;
  • gemein­sa­me tech­ni­sche, daten­schutz­kon­for­me und ethi­sche Stan­dards, die regeln, wie die­se Daten erfasst und struk­tu­riert wer­den sollen;
  • Auf­klä­rung, Auf­bau von Ver­trau­en und Akzep­tanz eines sol­chen Fundaments;
  • regu­la­to­ri­sche Rah­men­be­din­gun­gen und Anreize;
  • Aus- und Wei­ter­bil­dun­gen von Fach­kräf­ten mit star­ken digi­ta­len Kompetenzen;
  • eine nach­hal­ti­ge Finan­zie­rung und Inve­sti­tio­nen in die Digi­ta­li­sie­rung des Gesundheitswesens.

Die Schweiz hat Nach­hol­be­darf in der Digi­ta­li­sie­rung des Gesund­heits­we­sens. Dies bele­gen meh­re­re Quel­len (Ber­tels­mann Digi­tal-Health Index, OECD-Tech­ni­cal and Ope­ra­tio­nal Rea­di­ness Index, Stu­die zur Digi­ta­li­sie­rung in der Gesund­heits­for­schung von BAK Eco­no­mics, die WHO führt die Schweiz bei der Nut­zung von elek­tro­ni­schen Pati­en­ten­dos­siers ganz weit hin­ten an) und die Coro­na Pan­de­mie hat uns dies deut­lich vor Augen geführt. Das Schwei­zer Gesund­heits­we­sen hat schlicht kei­ne moder­ne Infra­struk­tur, um Daten zu erhe­ben, zu spei­chern und zu teilen.

In der Schweiz ist man einen hohen Wohl­stand gewohnt und man ver­lässt sich auf einen star­ken Life Sci­en­ces-Stand­ort. Der Anteil der Life Sci­en­ces-Expor­te beträgt aktu­ell über 51 Pro­zent an den gesamt­schwei­ze­ri­schen Expor­ten. In Zukunft kön­nen wir dies nur bei­be­hal­ten, wenn die Schweiz bei der Digi­ta­li­sie­rung auch im Gesund­heits­we­sen füh­rend mit dabei ist und sich stets wei­ter­ent­wickelt. Sol­che Ent­wick­lungs­schrit­te gelan­gen in der Regi­on Basel bereits mehr­mals: von der Tex­til- zur Far­ben­in­du­strie, von Far­be zu Che­mie, von Che­mie zu Phar­ma­zeu­ti­ka und bio­tech­no­lo­gi­schen Pro­duk­ten. Die daten­ba­sier­te Gesund­heits­wirt­schaft ist wie­der so ein gro­sser Wan­del. Die Nut­zung von gesund­heits­be­zo­ge­nen Daten erlaubt bes­se­re Behand­lungs­the­ra­pien, eine geziel­te­re Gesund­heits­ver­sor­gung, aber auch eine effi­zi­en­te­re For­schung und Ent­wick­lung. Inve­sti­tio­nen in Geschäfts­be­rei­che oder Unter­neh­men, die im Digi­tal Health-Bereich tätig sind, neh­men welt­weit zu. Die Schweiz ver­liert hier jedoch zuneh­mend an Bedeu­tung und es fehlt an Fach­kräf­ten. Gesund­heits­da­ten für For­schung und Ent­wick­lung wer­den ent­spre­chend den gesetz­li­chen Anfor­de­run­gen anony­mi­siert, ver­schlüs­selt oder mit einer Ein­wil­li­gung ver­se­hen ver­wen­det. Trotz die­ser stren­gen Anfor­de­run­gen ste­hen agg­re­gier­te Daten noch zu wenig zur Verfügung.

Die Attrak­ti­vi­tät der Life Sci­en­ces-lndu­strie der Regi­on Basel – einem Zugs­pferd der Schwei­zer Volks­wirt­schaft – wird im inter­na­tio­na­len Ver­gleich abneh­men, wenn es nicht gelingt, die Digi­ta­li­sie­rung des Gesund­heits­we­sens rasch vor­an­zu­trei­ben. Für die Regi­on Basel erwirt­schaf­tet die Life Sci­en­ces-lndu­strie über ein Drit­tel der gesam­ten regio­na­len Wert­schöp­fung. Zudem sind in die­sen Bran­chen in der Regi­on über 32 000 Erwerbs­tä­ti­ge beschäf­tigt. Die Schweiz kann viel ver­lie­ren, wenn die Her­aus­for­de­run­gen des begon­ne­nen Wan­dels nicht gemei­stert wer­den. Die Wei­chen müs­sen rasch gestellt werden.

Indu­strie und Aka­de­mie sind sich einig und die Poli­tik hat den Hand­lungs­be­darf erkannt. Die Beant­wor­tung der Moti­on 21.3021 “Mehr­wert für For­schung und Gesell­schaft durch daten­ba­sier­te Öko­sy­ste­me im Gesund­heits­we­sen” der Kom­mis­si­on für Wirt­schaft, Bil­dung und Kul­tur des Natio­nal­rats zeigt es aber auch deut­lich: Die Müh­len dre­hen zu lang­sam, es fehlt an einem ein­heit­li­chen und umfas­sen­den Master­plan mit Massnahmen.

Eine Stan­des­in­itia­ti­ve des Kan­tons Basel-Stadt, der von einer unge­nü­gen­den Digi­ta­li­sie­rung des Gesund­heits­we­sens ganz beson­ders betrof­fen ist, ver­leiht den spe­zi­el­len Bedürf­nis­sen der Life Sci­en­ces-Regi­on beson­de­ren Nach­druck.

Begrün­dung

Die Erhe­bung und Struk­tur von (kli­ni­schen) Daten im Gesund­heits­we­sen der Schweiz ist wenig regu­liert. Vor allem im ambu­lan­ten und teil­wei­se auch im Lang­zeit­pfle­ge­be­reich ist zudem die digi­ta­le Daten­ver­ar­bei­tung noch nicht flä­chen­deckend. Das Finan­zie­rungs­sy­stem des Gesund­heits­we­sens schafft nur bedingt Anrei­ze zur Zusam­men­ar­beit der ein­zel­nen Lei­stungs­er­brin­ger. Das führt dazu, dass die vor­han­de­nen Gesund­heits­da­ten in ein­zel­nen, grund­sätz­lich nicht mit­ein­an­der ver­knüpf­ten Syste­men abge­legt sowie deren Struk­tur, Seman­tik und Meta­da­ten nicht ein­heit­lich gere­gelt sind. Inter­ope­ra­bi­li­tät ist nicht flä­chen­deckend gegeben.

Die Digi­ta­li­sie­rung des Schwei­zer Gesund­heits­we­sens ist im inter­na­tio­na­len Ver­gleich eher wenig fort­ge­schrit­ten, wie auch der Bund in der “Gesund­heits­po­li­ti­schen Stra­te­gie des Bun­des­rats 2020 – 2030” fest­hält. Er betont in sei­ner Stra­te­gie die Bedeu­tung von Gesund­heits­da­ten sowohl für die medi­zi­ni­sche For­schung als auch für die Gesund­heits­ver­sor­gung sowie für den Erhalt und die Stär­kung der öffent­li­chen Gesund­heit und for­dert die Koor­di­na­ti­on der Digi­ta­li­sie­rung im Gesund­heits­sy­stem unter den Part­nern, was die Mehr­fach­nut­zung von Daten und Infra­struk­tu­ren ermög­licht. In die­sem Zusam­men­hang begrüsst der Kan­ton Basel-Stadt den Ent­scheid des Bun­des­ra­tes vom 4. Mai 2022, der dar­auf abzielt, die Vor­aus­set­zun­gen für den Auf­bau eines Daten­sy­stems für die For­schung im Gesund­heits­be­reich zu schaffen.

Auch das “Swiss Per­so­na­li­zed Health Net­work” (SPHN) begrüsst die Stoss­rich­tung der Stan­des­in­itia­ti­ve. Gesund­heits­da­ten sei­en aktu­ell meist nur in unein­heit­li­chen For­ma­ten und Stan­dards sowie oft an unzu­gäng­li­chen Orten abge­legt, was dazu führt, dass selbst dort, wo Daten geteilt wer­den kön­nen, die­se in der Regel unge­nü­gend beschrie­ben, nicht stan­dar­di­siert und des­halb für die Wei­ter­ver­wen­dung kaum nutz­bar sind. Das SPNH unter­stützt des­halb die Ent­wick­lung einer über­ge­ord­ne­ten Stra­te­gie für die Wie­der­ver­wen­dung von Daten im Rah­men einer ent­spre­chen­den Bun­des­ge­setz­ge­bung. Weil auch Daten von ausser­halb des Gesund­heits­sy­stems für Gesund­heits­fra­gen rele­vant sind, betont es zudem, dass die Koor­di­na­ti­on über die Depar­te­men­te hin­weg beach­tet wer­den muss.

Auch inter­na­tio­nal wird die Koor­di­na­ti­on von Gesund­heits­da­ten als wich­tig erach­tet. Bei­spiels­wei­se hat Finn­land mit “Fin­da­ta” im Jahr 2019 eine Regie­rungs­stel­le geschaf­fen, wel­che Daten aus den Berei­chen Gesund­heit und Sozia­les sam­melt und digi­tal zur Ver­fü­gung stellt. Ziel dabei ist, Daten­schutz und Daten­si­cher­heit von Gesund­heits- sowie Sozi­al­da­ten sicher­zu­stel­len und für eine effi­zi­en­te über­wach­te Nut­zung zur Ver­fü­gung zu stel­len. Ein Daten­nut­zungs­ge­setz legt mög­li­che Ver­wen­dungs­zwecke fest. Die Indi­vi­du­al­da­ten sind über eine per­sön­li­che Ken­nung auch über ver­schie­de­ne Regi­ster hin­weg ver­knüpf­bar. Die fin­ni­sche Bevöl­ke­rung kann mit­tels einer Opt-Out-Mög­lich­keit über die Zur­ver­fü­gung­stel­lung der eige­nen Daten entscheiden.

Der Regie­rungs­rat des Kan­tons Basel-Stadt ist über­zeugt, dass die Schaf­fung eines natio­na­len Gesund­heits­da­ten­öko­sy­stems die medi­zi­ni­sche For­schung und die Gesund­heits­ver­sor­gung nach­hal­tig zu för­dern ver­mag und damit einen wert­vol­len Bei­trag zu Erhalt und Stär­kung der öffent­li­chen Gesund­heit lei­stet sowie die Inno­va­ti­ons­kraft der ansäs­si­gen Life Sci­ence Bran­che befördert.