Eingereichter Text
Der Kanton Basel-Stadt verlangt von den eidgenössischen Räten, die Rahmenbedingungen dahingehend anzupassen, dass das Schweizerische Gesundheitssystem so rasch wie möglich digitalisiert und sich somit zu einem vernetzten Gesundheitsdatenökosystem weiterentwickeln kann. Die Schweiz braucht jetzt
- eine gemeinsame Infrastruktur, mit der Gesundheitsdaten erhoben, verarbeitet, gespeichert, geteilt und auch gelöscht werden können;
- gemeinsame technische, datenschutzkonforme und ethische Standards, die regeln, wie diese Daten erfasst und strukturiert werden sollen;
- Aufklärung, Aufbau von Vertrauen und Akzeptanz eines solchen Fundaments;
- regulatorische Rahmenbedingungen und Anreize;
- Aus- und Weiterbildungen von Fachkräften mit starken digitalen Kompetenzen;
- eine nachhaltige Finanzierung und Investitionen in die Digitalisierung des Gesundheitswesens.
Die Schweiz hat Nachholbedarf in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Dies belegen mehrere Quellen (Bertelsmann Digital-Health Index, OECD-Technical and Operational Readiness Index, Studie zur Digitalisierung in der Gesundheitsforschung von BAK Economics, die WHO führt die Schweiz bei der Nutzung von elektronischen Patientendossiers ganz weit hinten an) und die Corona Pandemie hat uns dies deutlich vor Augen geführt. Das Schweizer Gesundheitswesen hat schlicht keine moderne Infrastruktur, um Daten zu erheben, zu speichern und zu teilen.
In der Schweiz ist man einen hohen Wohlstand gewohnt und man verlässt sich auf einen starken Life Sciences-Standort. Der Anteil der Life Sciences-Exporte beträgt aktuell über 51 Prozent an den gesamtschweizerischen Exporten. In Zukunft können wir dies nur beibehalten, wenn die Schweiz bei der Digitalisierung auch im Gesundheitswesen führend mit dabei ist und sich stets weiterentwickelt. Solche Entwicklungsschritte gelangen in der Region Basel bereits mehrmals: von der Textil- zur Farbenindustrie, von Farbe zu Chemie, von Chemie zu Pharmazeutika und biotechnologischen Produkten. Die datenbasierte Gesundheitswirtschaft ist wieder so ein grosser Wandel. Die Nutzung von gesundheitsbezogenen Daten erlaubt bessere Behandlungstherapien, eine gezieltere Gesundheitsversorgung, aber auch eine effizientere Forschung und Entwicklung. Investitionen in Geschäftsbereiche oder Unternehmen, die im Digital Health-Bereich tätig sind, nehmen weltweit zu. Die Schweiz verliert hier jedoch zunehmend an Bedeutung und es fehlt an Fachkräften. Gesundheitsdaten für Forschung und Entwicklung werden entsprechend den gesetzlichen Anforderungen anonymisiert, verschlüsselt oder mit einer Einwilligung versehen verwendet. Trotz dieser strengen Anforderungen stehen aggregierte Daten noch zu wenig zur Verfügung.
Die Attraktivität der Life Sciences-lndustrie der Region Basel – einem Zugspferd der Schweizer Volkswirtschaft – wird im internationalen Vergleich abnehmen, wenn es nicht gelingt, die Digitalisierung des Gesundheitswesens rasch voranzutreiben. Für die Region Basel erwirtschaftet die Life Sciences-lndustrie über ein Drittel der gesamten regionalen Wertschöpfung. Zudem sind in diesen Branchen in der Region über 32 000 Erwerbstätige beschäftigt. Die Schweiz kann viel verlieren, wenn die Herausforderungen des begonnenen Wandels nicht gemeistert werden. Die Weichen müssen rasch gestellt werden.
Industrie und Akademie sind sich einig und die Politik hat den Handlungsbedarf erkannt. Die Beantwortung der Motion 21.3021 “Mehrwert für Forschung und Gesellschaft durch datenbasierte Ökosysteme im Gesundheitswesen” der Kommission für Wirtschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats zeigt es aber auch deutlich: Die Mühlen drehen zu langsam, es fehlt an einem einheitlichen und umfassenden Masterplan mit Massnahmen.
Eine Standesinitiative des Kantons Basel-Stadt, der von einer ungenügenden Digitalisierung des Gesundheitswesens ganz besonders betroffen ist, verleiht den speziellen Bedürfnissen der Life Sciences-Region besonderen Nachdruck.
Begründung
Die Erhebung und Struktur von (klinischen) Daten im Gesundheitswesen der Schweiz ist wenig reguliert. Vor allem im ambulanten und teilweise auch im Langzeitpflegebereich ist zudem die digitale Datenverarbeitung noch nicht flächendeckend. Das Finanzierungssystem des Gesundheitswesens schafft nur bedingt Anreize zur Zusammenarbeit der einzelnen Leistungserbringer. Das führt dazu, dass die vorhandenen Gesundheitsdaten in einzelnen, grundsätzlich nicht miteinander verknüpften Systemen abgelegt sowie deren Struktur, Semantik und Metadaten nicht einheitlich geregelt sind. Interoperabilität ist nicht flächendeckend gegeben.
Die Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens ist im internationalen Vergleich eher wenig fortgeschritten, wie auch der Bund in der “Gesundheitspolitischen Strategie des Bundesrats 2020 – 2030” festhält. Er betont in seiner Strategie die Bedeutung von Gesundheitsdaten sowohl für die medizinische Forschung als auch für die Gesundheitsversorgung sowie für den Erhalt und die Stärkung der öffentlichen Gesundheit und fordert die Koordination der Digitalisierung im Gesundheitssystem unter den Partnern, was die Mehrfachnutzung von Daten und Infrastrukturen ermöglicht. In diesem Zusammenhang begrüsst der Kanton Basel-Stadt den Entscheid des Bundesrates vom 4. Mai 2022, der darauf abzielt, die Voraussetzungen für den Aufbau eines Datensystems für die Forschung im Gesundheitsbereich zu schaffen.
Auch das “Swiss Personalized Health Network” (SPHN) begrüsst die Stossrichtung der Standesinitiative. Gesundheitsdaten seien aktuell meist nur in uneinheitlichen Formaten und Standards sowie oft an unzugänglichen Orten abgelegt, was dazu führt, dass selbst dort, wo Daten geteilt werden können, diese in der Regel ungenügend beschrieben, nicht standardisiert und deshalb für die Weiterverwendung kaum nutzbar sind. Das SPNH unterstützt deshalb die Entwicklung einer übergeordneten Strategie für die Wiederverwendung von Daten im Rahmen einer entsprechenden Bundesgesetzgebung. Weil auch Daten von ausserhalb des Gesundheitssystems für Gesundheitsfragen relevant sind, betont es zudem, dass die Koordination über die Departemente hinweg beachtet werden muss.
Auch international wird die Koordination von Gesundheitsdaten als wichtig erachtet. Beispielsweise hat Finnland mit “Findata” im Jahr 2019 eine Regierungsstelle geschaffen, welche Daten aus den Bereichen Gesundheit und Soziales sammelt und digital zur Verfügung stellt. Ziel dabei ist, Datenschutz und Datensicherheit von Gesundheits- sowie Sozialdaten sicherzustellen und für eine effiziente überwachte Nutzung zur Verfügung zu stellen. Ein Datennutzungsgesetz legt mögliche Verwendungszwecke fest. Die Individualdaten sind über eine persönliche Kennung auch über verschiedene Register hinweg verknüpfbar. Die finnische Bevölkerung kann mittels einer Opt-Out-Möglichkeit über die Zurverfügungstellung der eigenen Daten entscheiden.
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt ist überzeugt, dass die Schaffung eines nationalen Gesundheitsdatenökosystems die medizinische Forschung und die Gesundheitsversorgung nachhaltig zu fördern vermag und damit einen wertvollen Beitrag zu Erhalt und Stärkung der öffentlichen Gesundheit leistet sowie die Innovationskraft der ansässigen Life Science Branche befördert.