Die Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher (“EU-Verbandsklagerichtlinie”, “Collective Redress Directive”) hat an Fahrt aufgenommen. Am 22. Juni 2020 haben sich das Parlament und der Rat auf einen revidierten Entwurf geeinigt, der nun von den Regierungen der Mitgliedstaaten zu prüfen ist. Der Entwurf ist hier abrufbar (PDF).
Das Ziel der Richtlinie besteht darin, die kollektiven Interessen der Verbraucher bei einer Verletzung bestimmter Rechte sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten müssen daher zumindest eine Verbandsklage sicherstellen, die sowohl einstweiligen Rechtsschutz als auch die Durchsetzung reparatorischer Ansprüche sicherstellt. Einzelheiten sind den Mitgliedstaaten überlassen. Nicht geregelt werden in der Richtlinie Fragen der Zuständigkeit, der Vollstreckung und des anwendbaren Rechts.
Betroffen sind die Gebiete gemäss Annex I der Richtlinie – unter anderem die DSGVO (Erwägungsgründe 6 und 6b und Annex I Ziff. 53). Nichts spricht daher dagegen, dass auch Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter ausserhalb des EWR bei einer Verletzung der DSGVO vor einem Gericht des EWR mit einer Massenklage konfrontiert werden können, was bei Risikoeinschätzungen u.U. zu berücksichtigen sein wird.
Hintergrund der Richtlinie ist einerseits “Dieselgate” und andererseits der Umstand, dass die Kommission der EU den Mitgliedstaaten schon 2013 empfohlen hat, Instrumente zur kollektiven Rechtsdurchsetzung vorzusehen, dies aber nur unzureichend umgesetzt sieht:
- Ein grosser Teil der Mitgliedstaaten verfügen zwar über solche Instrumente, oft aber begrenzt auf bestimmte Rechtsgebiete, z.B. den Verbraucherschutz, das Wettbewerbsrecht, das Arbeitsrecht, Finanzdienstleistungen oder das Umweltschutzrecht.
- Kollektive Schadenersatzklagen in allen Bereichen sehen dagegen nur Belgien, Dänemark, Litauen, die Niederlande, Portugal und UK vor.
- In der Praxis hat die kollektive Rechtsdurchsetzung v.a. bei Fahr- und Fluggastrechten, bei Finanzdienstleistungen und bei Wettbewerbsverletzungen (besonders bei Ersatzansprüchen, wenn eine Verletzung erstellt ist) Bedeutung erlangt.