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EDSA: Richt­li­ni­en zum Anwen­dungs­be­reich des Coo­kie Con­sent, Anmer­kun­gen zu Coo­kies nach schwei­ze­ri­schem Recht

Der Euro­päi­sche Daten­schutz­aus­schuss EDSA hat mit Datum vom 14. Novem­ber 2023 sei­ne Leit­li­ni­en zum sach­li­chen Anwen­dungs­be­reich von Art. 5 Abs. 3 der e‑Pri­va­cy-Richt­li­nie ver­öf­fent­licht (Gui­de­lines 2/2023 on Tech­ni­cal Scope of Art. 5(3) of ePri­va­cy Direc­ti­ve).

Art. 5 Abs. 3 in sei­ner heu­ti­gen Fas­sung wur­de durch die RL 2009/136/EG ein­ge­führt und hat fol­gen­den Wortlaut:

(3) Die Mit­glied­staa­ten stel­len sicher, dass die Spei­che­rung von Infor­ma­tio­nen oder der Zugriff auf Infor­ma­tio­nen, die bereits im End­ge­rät eines Teil­neh­mers oder Nut­zers gespei­chert sind, nur gestat­tet ist, wenn der betref­fen­de Teil­neh­mer oder Nut­zer auf der Grund­la­ge von kla­ren und umfas­sen­den Infor­ma­tio­nen, die er gemäß der Richt­li­nie 95/46/EG u. a. über die Zwecke der Ver­ar­bei­tung erhält, sei­ne Ein­wil­li­gung gege­ben hat. Dies steht einer tech­ni­schen Spei­che­rung oder dem Zugang nicht ent­ge­gen, wenn der allei­ni­ge Zweck die Durch­füh­rung der Über­tra­gung einer Nach­richt über ein elek­tro­ni­sches Kom­mu­ni­ka­ti­ons­netz ist oder wenn dies unbe­dingt erfor­der­lich ist, damit der Anbie­ter eines Dien­stes der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft, der vom Teil­neh­mer oder Nut­zer aus­drück­lich gewünscht wur­de, die­sen Dienst zur Ver­fü­gung stel­len kann.

Dass die­se Bestim­mung nicht nur Coo­kies erfasst, ist unbe­strit­ten; des­halb spre­chen Coo­kie Poli­ci­es mei­stens von „ähn­li­chen Tech­no­lo­gien“, aber der Anwen­dungs­be­reich ist im Ein­zel­nen unklar.

Der EDSA ver­sucht das Dun­kel ent­spre­chen­der Tech­no­lo­gien aus­zu­leuch­ten, mit dem aus­drück­li­chen Anlie­gen, Umge­hun­gen zu ver­hin­dern, also mit einer bewusst wei­ten Auslegung.

Der Tat­be­stand von Art. 5 Abs. 3 hat vier Ele­men­te:

  1. Es wer­den „Infor­ma­tio­nen“ gespei­chert oder ausgelesen;
  2. es geht dabei um ein „End­ge­rät“;
  3. die Vor­gän­ge ste­hen im Zusam­men­hang mit einer fern­mel­de­tech­ni­schen Über­tra­gung in einem öffent­li­chen Netz­werk („pro­vi­si­on of publicly available elec­tro­nic com­mu­ni­ca­ti­ons ser­vices in public com­mu­ni­ca­ti­ons networks“);
  4. es erfolgt eine „Spei­che­rung“ von oder ein „Zugriff“ auf Informationen.

Der EDSA dis­ku­tiert die­se vier Elemente:

Infor­ma­tio­nen“

  • Nicht nur Per­so­nen­da­ten sind erfasst, weil es um die Ver­trau­lich­keit von Infor­ma­tio­nen und den Schutz vor Ein­drin­gen geht, nicht die infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung, d.h. nicht eine bestimm­te Ver­wen­dung von Daten mit Per­sön­lich­keits­be­zug – das ist für die Aus­le­gun­gen des EDSA lei­tend, aller­dings ohne dass er Gren­zen des ent­spre­chend geschütz­ten Raums zu bestim­men versucht;
  • es genügt, wenn Infor­ma­tio­nen nur aus­ge­le­sen – und nicht geän­dert – wer­den, wes­halb auch bspw. eine MAC-Adres­se erfasst ist.

End­ge­rät“

  • End­ge­rät ist jede Ein­rich­tung, die Infor­ma­tio­nen nicht nur durch­lei­tet. Ob ein End­ge­rät einem Nut­zer gehört, gemie­tet oder nur benutzt wird, spielt kei­ne Rolle.
  • Eben­falls spielt kei­ne Rol­le, ob der Nut­zer die Bear­bei­tung von Infor­ma­tio­nen über das End­ge­rät will oder davon Kennt­nis hat.
  • Bei­spie­le sind Smart­phones, Lap­tops, Con­nec­ted Cars, Smart TVs und Smart Glasses.

Fern­mel­de­tech­ni­sche Übertragung

  • Die­ses Erfor­der­nis ist kaum ein­schrän­kend. Es sind aber nur öffent­li­che Netz­wer­ke erfasst. Eine gewis­se Beschrän­kung des Nut­zer­krei­ses bspw. auf Abon­nen­ten führt aber noch nicht aus dem Anwendungsbereich.

Zugriff“ auf Informationen

  • Auch Infor­ma­tio­nen einer juri­sti­schen Per­son sind vor Zugriff geschützt.
  • Zugriff ist auch erfasst, wenn eine Spei­che­rung gar nicht oder durch eine ande­re Stel­le erfolgt. Auch die Her­kunft aus­ge­le­se­ner Daten spielt kei­ne Rol­le. Art. 5 Abs. 3 gilt daher, wann immer aktiv auf Infor­ma­tio­nen zuge­grif­fen wird.
  • Anwen­dungs­fäl­le sind Instruk­tio­nen des Ser­vers an das End­ge­rät mit einer Rück­mel­dung von Infor­ma­tio­nen wie etwa beim Aus­le­sen von Coo­kies. Eben­falls erfasst wäre bspw. ein Zugriff auf Infor­ma­tio­nen über eine API in einer Soft­ware auf dem End­ge­rät, oder ein Java Script, über das ein Brow­ser Infor­ma­tio­nen lie­fert, weil die Beschaf­fung von Infor­ma­tio­nen auch hier aktiv ver­an­lasst wird.
  • Das gilt auch, wenn eine Stel­le die Über­mitt­lung von Infor­ma­tio­nen an eine ande­re Stel­le veranlasst.

Spei­che­rung“ von Informationen

  • Das bedeu­tet, dass Infor­ma­tio­nen auf einen phy­si­schen Daten­trä­ger gespei­chert wer­den, der funk­tio­nal zum End­ge­rät gehört, auch bspw. im RAM oder einem Cache, oder auch auf einem exter­nen, aber ver­bun­de­nen Spei­cher. Das geschieht i.d.R. nicht direkt, son­dern über Soft­ware auf dem End­ge­rät, die Infor­ma­ti­on erzeugt, aber sie kann auch vom Nut­zer selbst oder einer ande­ren Stel­le vor­ge­nom­men wer­den, solan­ge die Spei­che­rung nur aktiv ver­an­lasst wird.
  • Wie gross die Infor­ma­ti­on ist und wie lan­ge sie gespei­chert wird, spielt kei­ne Rolle.

Anwen­dungs­fäl­le

Als „Use Cases“ dis­ku­tiert der EDSA u.a. folgendes:

  • Das Aus­le­sen von MAC- oder IP-Adressen;
  • Fin­ger­prin­ting auf Basis von Infor­ma­tio­nen wie etwa HTTP-Header-Informationen;
  • Pixel Track­ing oder ein Track­ing durch Links, d.h. in bei­den Fäl­len der Auf­ruf einer kodier­ten URL durch den Mail Cli­ent oder Brow­ser mit einer ent­spre­chen­den Infor­ma­ti­ons­über­mitt­lung auf einen Ser­ver. Durch die Über­mitt­lung des Pixels oder kodier­ten Links erfol­ge ein akti­ves Aus­le­sen von Informationen:

    Under the con­di­ti­on that said pixel or tracked URL have been dis­tri­bu­ted over a public com­mu­ni­ca­ti­on net­work, it is clear that it con­sti­tu­tes sto­rage on the com­mu­ni­ca­ti­on net­work user’s ter­mi­nal equip­ment, at the very least through the caching mecha­nism of the cli­ent-side soft­ware. As such, Artic­le 5(3) ePD is applicable;

  • ein Abfra­gen von Infor­ma­tio­nen über eine API, sofern anschlie­ssend Infor­ma­tio­nen über ein Netz­werk über­mit­telt werden;
  • ein Track­ing allei­ne über eine IP-Adres­se, sofern die­se Infor­ma­ti­on vom End­ge­rät – etwa von einem Rou­ter – aus­ge­le­sen wird, auch bei einer dyna­mi­schen IP-Adres­se, die bspw. über DHCP auch ser­ver­sei­tig gene­riert wird;
  • das Aus­le­sen von Infor­ma­tio­nen aus einem ver­bun­de­nen IoT-Gerät, falls es Infor­ma­tio­nen über ein öffent­li­ches Netz­werk über­mit­telt (z.B. via WiFi oder eine SIM-Kar­te), aber nicht, wenn Infor­ma­tio­nen eine nicht-öffent­li­che Ver­bin­dung (Point-to-Point-Ver­bin­dung) über­mit­telt werden;
  • das Aus­le­sen eines Uni­que Iden­ti­fiers, z.B. eines Hash­wert auf Basis von Nut­zer­da­ten oder eines Logins.

Nicht erfasst ist dage­gen bspw. der Zugriff auf Infor­ma­tio­nen aus­schliess­lich im End­ge­rät selbst, etwa einer Appli­ka­ti­on im Mobil­te­le­fon auf die Kame­ra oder im Brow­ser auf Coo­kies oder ande­re lokal gespei­cher­te Daten.

Ein Blick in die Schweiz

Die Schweiz kennt eine ver­wand­te Bestim­mung in Art. 45c FMG („Bear­bei­ten auf frem­den Geräten“):

Das Bear­bei­ten von Daten auf frem­den Gerä­ten durch fern­mel­de­tech­ni­sche Über­tra­gung ist nur erlaubt: […] 

b. wenn die Benut­ze­rin­nen und Benut­zer über die Bear­bei­tung und ihren Zweck infor­miert und dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den, dass sie die Bear­bei­tung ableh­nen können.

Die­se Bestim­mung ver­langt grund­sätz­lich eine Infor­ma­ti­on über das Bear­bei­ten und des­sen Zweck und das Wider­spruchs­recht, und dies dann, wenn Daten „auf frem­den Gerä­ten“ bear­bei­tet wer­den. Ihr Anwen­dungs­be­reich ist aber weit­ge­hend unge­klärt. Der Wort­laut bspw. spricht nur vom Bear­bei­ten auf dem frem­den Gerät. Der Bot­schaft zufol­ge soll aber auch das Aus­le­sen von Infor­ma­tio­nen erfasst sein („Das Bear­bei­ten von Daten im Sin­ne von Arti­kel 45c umfasst die Spei­che­rung, den Zugriff und jede son­sti­ge Bearbeitung“).

Die Leh­re ver­tritt sodann, dass Art. 45c FMG nur die Bear­bei­tung von Per­so­nen­da­ten erfas­se. Die Bot­schaft zu Art. 45c FMG legt an und für sich aber eine wei­te­re Aus­le­gung nahe, zumal sie als Schutz­zweck nicht nur die Pri­vat­sphä­re nennt (und selbst hier: Art. 13 BV betrifft auch die Bear­bei­tung nicht per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten), son­dern auch den Schutz vor Zugrif­fen auf Gerä­te, und aus­drück­lich eine Anleh­nung an Art. 5 Abs. 3 beab­sich­tigt (aber in der Ursprungs­fas­sung der RL, die ein Wider­spruchs­recht, nicht aber ein Ein­wil­li­gungs­er­for­der­nis vor­ge­se­hen hatte).

Sobald Per­so­nen­da­ten bear­bei­tet wer­den, ist jeden­falls aber das Daten­schutz­recht anwend­bar. Dazu fol­gen­de Hinweise:

  • Der Begriff des Per­so­nen­da­tums ent­spricht nach wie vor dem Logi­step-Ent­scheid. Ein Datum ist nur per­so­nen­be­zo­gen, wenn es mit ver­nünf­ti­gem Auf­wand einer natür­li­chen Per­son zuge­ord­net wer­den kann. Eine Coo­kie ID, eine Mac-Adres­se usw. stellt für den Betrei­ber i.d.R. kein Per­so­nen­da­tum dar. Anders wäre es, wenn er die­se Anga­ben in einer Art und Wei­se ver­wen­det, die eine Iden­ti­fi­ka­ti­on ermög­licht, bspw. in einem Straf­ver­fah­ren unter Ein­be­zug des ISP oder im Zusam­men­hang mit einem Nutzer-Login.
  • Eine Ein­wil­li­gung ist grund­sätz­lich nicht erfor­der­lich. Art. 45c FMG sieht nur ein Wider­spruchs­recht vor, und das Daten­schutz­recht ver­langt bekannt­lich kei­ne Ein­wil­li­gung, solan­ge die Bear­bei­tungs­grund­sät­ze ein­ge­hal­ten werden.
  • Die Grund­sät­ze des Daten­schutz­rechts ver­lan­gen Trans­pa­renz. Dazu kommt die Infor­ma­ti­ons­pflicht nach Art. 19 DSG.
  • Weder Art. 45c FMG noch das Daten­schutz­recht ver­lan­gen ein Coo­kie Ban­ner. Es reicht, in einer Daten­schutz­er­klä­rung oder einer Coo­kie Noti­ce zu informieren.
  • Falls ein Coo­kie Ban­ner ein­ge­setzt wird, muss es nicht in einer bestimm­ten Wei­se gestal­tet sein, solan­ge es nicht irre­füh­rend ist. Zuläs­sig ist grund­sätz­lich ein „OK“-Button, ein „Einverstanden“-Button, ein „Konfigurieren“-Button oder eine Kom­bi­na­ti­on. Wer einen „Ein­ver­stan­den“- und einen „Kon­fi­gu­rie­ren“-, aber kei­nen „Ablehnen“-Button ver­wen­det, ver­hält sich nicht beson­ders nut­zer­freund­lich, ver­letzt aber nicht schwei­ze­ri­sches Recht. Eine sol­che Gestal­tung dürf­te auch den Grund­satz von Treu und Glau­ben nicht ver­let­zen, sofern er über­haupt zur Anwen­dung kommt (was eine Bear­bei­tung von Per­so­nen­da­ten vor­aus­setzt). Nut­zer­un­freund­li­ches Ver­hal­ten ist nicht treu­wid­rig; so nied­rig ist die Schwel­le des Ein­griffs nicht, und es besteht auch kei­ne beson­de­re Bezie­hung zum Nut­zer einer Web­site, die einen höhe­ren Mas­stab ver­lan­gen könnte.
  • Wer sich ent­schliesst, mit einer Ein­wil­li­gung zu arbei­ten, darf das. Es gibt in der Schweiz dabei kein Erfor­der­nis, den Wider­ruf der Ein­wil­li­gung tech­nisch zu erleich­tern (und auch nicht den Wider­spruch nach Art. 45c FMG). Ent­spre­chend gibt es kei­ne Pflicht, lau­fend ein Opt-Out-Menu o.dgl. anzu­bie­ten. Wer mit Ein­wil­li­gun­gen arbei­tet, muss aber den Pri­va­cy by Default-Grund­satz beach­ten. Je nach Gestal­tung der Ein­stel­lungs­mög­lich­kei­ten kann sich dar­aus das Erfor­der­nis erge­ben, die von einer Ein­wil­li­gung betrof­fe­nen Coo­kies by default auszuschalten.
  • Der Zweck ist Richt­grö­sse für die Beur­tei­lung der Ver­hält­nis­mä­ssig­keit. Der Ver­ant­wort­li­che setzt den Zweck gemäss dem Grund­satz der Pri­vat­au­to­no­mie im Rah­men des zwin­gen­den Rechts frei. Es gibt im Pri­vat­be­reich kei­nen gesetz­li­chen Zweck, ausser­halb zwin­gen­der Bear­bei­tun­gen, also kein „iustum pre­ti­um“ der Daten­be­ar­bei­tung. Das Daten­schutz­recht ver­langt nur, dass der Ver­ant­wort­li­che den Rah­men des selbst­ge­setz­ten Zwecks nicht ver­lässt. Ent­spre­chend kann nicht gesagt wer­den, der Betrieb einer Web­site oder App erfor­de­re objek­tiv kei­ne Coo­kies, wes­halb ihr Ein­satz unver­hält­nis­mä­ssig wäre, denn „Betrieb der Web­site“ beschreibt einen Zweck, des­sen Bestim­mung aber dem Ver­ant­wort­li­che obliegt und nicht dem Gesetz­ge­ber, einer Behör­de oder einem „rea­sonable man“.

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