Eingereichter Text
Die Wirtschaft befindet sich mitten in der Digitalisierung, deren Chancen und Vorteile verschiedene Akteure zu nutzen wissen. Mit fortschreitender Digitalisierung gewinnen Onlineplattformen wie beispielsweise Amazon (Umsatz 2017 in CH: CHF 600 Mio.), Zalando (Umsatz 2017 in CH: CHF 624 Mio.) oder Airbnb immer mehr an Bedeutung. Da diese oft ihren Firmensitz (physische Präsenz) nicht in der Schweiz haben, unterliegen sie nicht der direkten Bundessteuer oder Gewinnsteuern. Hierfür fehle eine gesetzliche Grundlage, wie der Bundesrat in seiner Antwort auf die Interpellation 16.3585 ausführte. Diese Steuereinnahmen fehlen damit in der Schweiz. Die OECD hat in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, den Begriff der physischen Präsenz durch den Status “virtuelle ständige Niederlassung” zu ergänzen. Als OECD-Mitglied setzt sich die Schweiz laut dem Digitalisierungsbericht des Bundesrats vom 11. Januar 2017 für die Formulierung von Regeln ein, die gleiche Wettbewerbsbedingungen für in- und ausländische Dienstleister schaffen sollen.
Die EU-Kommission hat am 21. März 2018 ein Paket zur fairen Besteuerung der digitalen Wirtschaft vorgelegt. Dies verfolgt den Grundsatz, Steuern auf Einkünfte von Onlineplattformen auch im Land zu erheben, in dem sich die Nutzer der Plattform befinden sowie Onlineplattformen auch ohne physischen Geschäftssitz im Land und nur aufgrund der virtuellen Präsenz zu besteuern.
In diesem Zusammenhang bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen:
1. In der Antwort auf die Interpellation 16.3585 weist der Bundesrat auf die fehlende gesetzliche Grundlage hin, um in der Schweiz operierende Onlineplattformen auch besteuern zu können. Welchen Handlungsbedarf sieht er hier? Welche Umsetzungsmöglichkeiten zieht er in Betracht?
2. Wie beurteilt er den Vorschlag der EU-Kommission, eine Steuer von 3 Prozent für Onlineplattformen mit einem bestimmten Umsatz in Abhängigkeit von der Zahl der Nutzer pro Land zu erheben?
3. Wie beurteilt er eine Steuer für eine virtuelle Präsenz einer Onlineplattform in der Schweiz, wenn der hiesige Umsatz einen bestimmten Betrag, beispielsweise 7 Millionen Franken Umsatz, überschreitet?
4. Wie weit ist die Schweiz damit, gleiche Wettbewerbsbedingungen gemäss der OECD für in- und ausländische Dienstleister bezüglich der Besteuerung zu schaffen? Welche Massnahmen sind noch geplant?
Stellungnahme des Bundesrats vom 29.8.18
1. Die geltenden Regeln zur Unternehmensbesteuerung erfordern eine physische Präsenz, damit ein Unternehmen in einem Staat eine Steuerpflicht begründet. Heute kann jedoch ein Unternehmen eine bedeutende Geschäftstätigkeit in einem Staat durch eine digitale Präsenz (d.h. ohne physische Präsenz) erzielen. Deshalb erarbeitet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD Vorschläge, wie die internationalen Regeln zur Unternehmensbesteuerung an die neuen Entwicklungen angepasst werden könnten. Im März 2018 hat sie einen Interimsbericht über die steuerlichen Herausforderungen durch die Digitalisierung (Interimsbericht 2018 der OECD, vgl. http://www.oecd.org/ctp/tax-challenges-arising-from-digitalisation-interim-report-9789264293083-en.htm) veröffentlicht. Der Bericht ist eine Auslegeordnung, der die unterschiedlichen Auffassungen der einzelnen Mitgliedstaaten wieder- und keine Empfehlung abgibt. Er beschreibt Eckwerte für eine kurzfristig implementierbare Interimslösung, wie z.B. die später von der EU-Kommission vorgeschlagene Digitalsteuer, und geht vertieft auf deren Nachteile ein. Bezüglich der langfristigen Massnahmen sind weitere Arbeiten zum Anknüpfungspunkt für die direkten Steuern sowie zur Wertschöpfung und Gewinnzuteilung erforderlich. Ein Bericht ist für 2020 geplant.
Die Schweiz beteiligt sich aktiv an den Arbeiten der OECD und setzt sich für multilaterale Ansätze ein, welche die Gewinne in dem Staat besteuern, in dem die Wertschöpfung erbracht wird, und die weder Doppel- noch Überbesteuerungen verursachen. Solange eine umfassende international breit abgestützte und ein ebenes Spielfeld schaffende Beurteilung nicht vorliegt, ist nach Auffassung des Bundesrats kein Handlungsbedarf gegeben. Der entsprechende Bericht der OECD soll 2020 vorliegen. Dann wird das weitere Vorgehen zu überdenken sein.
Weitgehend wirkungslos wären unilaterale Massnahmen der Schweiz, welche die Besteuerung an eine virtuelle Präsenz anknüpften. Eine solche könnte z.B. angenommen werden, wenn die ausgeübte Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise aus der Bereitstellung digitaler Dienstleistungen über eine digitale Schnittstelle bestünde und gewisse Kriterien erfüllt wären, wie z.B. Erreichen einer jährlichen Umsatzgrenze, eine gewisse Anzahl Nutzer oder abgeschlossene Geschäftsverträge über digitale Dienstleistungen. Solche Massnahmen wären nur gegenüber jener Minderzahl von Staaten wirksam, mit denen die Schweiz kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen oder ein bestehendes DBA nicht entsprechend angepasst hat.
2. und 3: Die EU-Kommission hat in Anlehnung an den Interimsbericht 2018 der OECD als Interimslösung eine 3% Abgabe auf bestimmten digitalen Umsätzen vorgeschlagen (Digitalsteuer). Eine solche Abgabe liegt ausserhalb des Anwendungsbereichs von DBA. Sie führt zu Doppel- und Überbesteuerung und verletzt damit das Prinzip der Besteuerung aufgrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (vgl. Art. 127 BV). Weiter trägt sie nicht dem Ort der Wertschöpfung, sondern der Grösse des Absatzmarktes Rechnung. Eine Beschränkung der Steuer auf grosse Unternehmen würde Fragen der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV) tangieren.
4. Wie in Ziffer 1 dargelegt, führt die OECD ihre Arbeiten zum Anknüpfungspunkt für die direkten Steuern sowie zur Wertschöpfung und Gewinnzuteilung bis 2020 fort. Der Bundesrat wird seine Position 2020 nach Vorliegen des Berichts der OECD evaluieren.
Bei der MWST wurden die aus- den inländischen Unternehmen mit der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Teilrevision MWSTG bereits weitgehend gleichgestellt. Ab 1. Januar 2019 werden auch umsatzstarke Versandhändler für ihre Sendungen an die Schweizer Kundschaft mehrwertsteuerpflichtig.