Der Bundesrat hat am 22.11.2017 Entwurf und Botschaft für eine Revision des URG vorgelegt; vgl. dazu näher bei swissblawg. Besonders interessant sind folgende Punkte:
Lex Logistep
Bemerkenswert ist zunächst die beschränkte Freistellung der Datenbearbeitung für Strafverfolgungszwecke (Art. 77i E‑URG):
1 Die Rechtsinhaber und ‑inhaberinnen, die in ihren Urheberrechten oder in ihren verwandten Schutzrechten verletzt werden, dürfen Personendaten bearbeiten, soweit dies zum Zweck der Strafantragsstellung oder der Strafanzeigeerstattung notwendig ist und sie rechtmässig darauf zugreifen können. Sie dürfen diese Daten auch für die adhäsionsweise Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen oder für deren Geltendmachung nach abgeschlossenem Strafverfahren verwenden.
2 Sie haben den Zweck der Datenbearbeitung, die Art der bearbeiteten Daten und den Umfang der Datenbearbeitung offenzulegen.
3 Sie dürfen die Personendaten nach Absatz 1 nicht mit Daten verknüpfen, die zu anderen Zwecken gesammelt wurden.
Diese Lex Logistep erlaubt die Verwendung von Personendaten, sofern und soweit dies für Strafanträge oder ‑anzeigen erforderlich ist:
Im Sinne von Absatz 1 erster Satz dürfen Rechtsinhaberinnen und Rechtsinhaber z. B. IP-Adressen aus Peer-to-Peer-Netzwerken sammeln, um die begangenen Urheberrechtsverletzungen zu dokumentieren und diese Daten anschliessend den Strafverfolgungsbehörden übermitteln.
Der Logistep-Entscheid des BGer hatte dieses Vorgehen untersagt. – Zulässig ist die Datenbearbeitung nur für Strafverfahren und die adhäsionsweise Durchsetzung von Zivilforderungen, nicht aber für eigenständige Zivilverfahren. Strafverfahren, die ausschliesslich zur Durchsetzung von Zivilforderungen angestossen werden, sind dabei als Umgehung zu betrachten:
Den Strafverfahren kommt eigenständige Bedeutung zu und sie dürfen nicht lediglich für die zivilrechtliche Rechtsdurchsetzung der begangenen Urheberrechtsverletzung instrumentalisiert werden.
In diesem Fall wäre die Datenbearbeitung also wohl unerlaubt. Offen bleibt, inwieweit die allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätze durch Art. 77i E‑URG verdrängt werden; es liegt aber nahe, von einer lex specialis auszugehen.
Sodann muss die Datenbearbeitung transparent (erkennbar) sein. Hier hält der Bundesrat fest – analog zur Botschaft zur Revision des DSG und entsprechend der heutigen Praxis des EDÖB -, dass die Offenlegung auch auf der Website der Datenbearbeiterin erfolgen kann. Der Bundesrat bekräftigt damit, dass die datenschutzrechtlich erforderliche Transparenz generell über eine Website geschaffen werden kann, sofern diese allgemein zugänglich ist, und zwar auch dann, wenn nicht in AGB oder einer Datenschutzerklärung auf diese Website hingewiesen wird.
Stay-Down-Pflicht
Neu wird eine Stay-Down-Pflicht für Hostingprovider eingeführt (Art. 39d E‑URG), die laut BR eine Konkretisierung des heutigen Unterlassungsanspruchs darstellt:
1 Der Betreiber eines Internet-Hosting-Dienstes, der von Benützern und Benützerinnen eingegebene Informationen speichert, ist verpflichtet zu verhindern, dass ein Werk oder ein anderes Schutzobjekt Dritten mithilfe seines Dienstes erneut widerrechtlich zugänglich gemacht wird, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
a. Das Werk oder das andere Schutzobjekt wurde bereits über denselben Internet-Hosting-Dienst Dritten widerrechtlich zugänglich gemacht.
b. Der Betreiber wurde auf die Rechtsverletzung hingewiesen.
c. Der Internet-Hosting-Dienst hat eine besondere Gefahr solcher Rechtsverletzungen geschaffen, namentlich durch eine technische Funktionsweise oder durch eine wirtschaftliche Ausrichtung, die Rechtsverletzungen begünstigen.
2 Der Betreiber muss diejenigen Massnahmen ergreifen, die ihm unter Berücksichtigung der Gefahr solcher Rechtsverletzungen technisch und wirtschaftlich zuzumuten sind.
Diese Pflicht zielt laut Botschaft auf Provider, die Piraterieplattformen beherbergen, denn dort werden urheberrechtsverletzende Inhalte nach Entfernung oft rasch wieder aufgeschaltet. In diese Richtung geht das Erfordernis der “besonderen Gefahr von Rechtsverletzungen” nach Abs. 1 lit. c, die durch eine Gesamtwürdigung der technischen und wirtschaftlichen Umstände zu beurteilen ist. Die Botschaft nennt hier folgende Indizien:
- Die Möglichkeit, verletzende Inhalte einfach wieder hochzuladen (das ist ein Indiz, genügt für sich genommen aber nicht);
- ungewöhnlich hohe Zahl berechtigter Anzeigen
- Häufung der Verlinkung auf Linksammlungen zu urheberrechtsverletzenden Inhalten
- Möglichkeit zur Nutzung des Dienstes, ohne dass die Benützerinnen und Benützer ihre Identität genügend nachzuweisen
- Anreize dafür, dass die Nutzer fremde Inhalte öffentlich zugänglich machen (z.B. Vergütungen, Bonusgutschriften etc. aufgrund von Zugriffs- oder Downloadzahlen); hier kann man die Botschaft so lesen, dass ein solches System per se gefährdend ist.
- u.U. sollen aber bereits private Server zum Austausch von Fotos in der Familie erfasst sein, was schlecht zu den anderen Indizien passt.
Hat ein solcher Hostingprovider bereits früher Werke oder andere Schutzobjekte zugänglich gemacht, durch eine Kopie oder auch einen Link, und wird er ausreichend konkret darüber informiert, hat er zumutbare Massnahmen zu treffen, um eine erneute Rechtsverletzung zu verhindern. Die Zumutbarkeit misst sich dabei u.a. an den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Anbieters, so dass von Kleinanbietern weniger verlangt wird als grossen Playern. Unterlässt ein erfasster Anbieter zumutbare Massnahmen, kann er gerichtlich dazu gezwungen werden.
Lichtbildschutz
Bemerkenswert ist sodann der erweiterte Schutz der Fotografie. Nach Art. 3 Abs. 2bis E‑URG gilt:
Fotografische Wiedergaben und mit einem der Fotografie ähnlichen Verfahren hergestellte Wiedergaben dreidimensionaler Objekte gelten als Werke, auch wenn sie keinen individuellen Charakter haben.
Damit soll im schweizerischen Recht ein aus dem deutschen Recht bekannter “Lichtbildschutz” eingeführt werden. Wie heute schon bei Software wird das Erfordernis der Individualität also punktuell durchbrochen. Wie der Bundesrat präzisiert, gilt der erweiterte Urheberrechtsschutz für Fotografien unabhängig von der Qualifikation des Fotografen (Profi oder Amateur), dem Gegenstand des Bilds (Wachmann Meili, Produktfoto, Knipsbild vom Strand) und dem ästhetischen Wert des Fotos; entscheidend ist nur, dass das Foto ein physisch vorhandenes dreidimensionales Objekt abbildet (das Foto eines Fotos, das ein dreidimensionales Objekt abbildet, ist damit nicht geschützt).
Da der Gegenstand des Fotos keine Rolle spielt, fragt sich, ob über den Lichtbildschutz nicht auch nicht schutzfähige dreidimensionale Gegenstände (z.B. nicht individuelle Möbel) indirekt geschützt werden können, indem sie fotografiert werden, denn die Kopie dieses Gegenstands könnte dann eine Werkverwendung des Fotos darstellen.
Übergangsrechtlich wird nicht an die Aufnahme des Fotos, sondern seine Verwendung angeknüpft; die erneute Verwendung des Wachmann-Meili-Fotos nach Inkrafttreten der Revision wäre daher urheberrechtsrelevant.