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BGer 1C_321/2021: Schluss­punkt im «Fall Cryp­to» – Ein­sicht zu Recht verweigert

Die Unter­la­gen der Schwei­ze­ri­schen Export­ri­si­ko­ver­si­che­rung (SERV) zum «Fall Cryp­to» blei­ben unter Ver­schluss. Nach dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt erach­tet auch das Bun­des­ge­richt die Geheim­hal­tung aus aussen­po­li­ti­schen Grün­den für gerechtfertigt.

Eine SRF-Jour­na­li­stin ersuch­te vor drei Jah­ren erfolg­los um Ein­sicht in Doku­men­te zum «Fall Cryp­to». Die dage­gen erho­be­ne Beschwer­de wies das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt im April 2021 ab (BVGer A‑4494/2020) – zu Recht, wie das Bun­des­ge­richt nun mit Urteil BGer 1C_321/2021 vom 7. Juni 2023 befand.

Im Streit lagen zwei Listen mit Anga­ben zum Export von Chif­frier­ge­rä­ten. Wie das Bun­des­ge­richt vor­ab fest­stell­te, han­del­te es sich dabei um amt­li­che Doku­men­te im Sin­ne des Öffent­lich­keits­ge­set­zes (E. 3). Genau­er qua­li­fi­zier­te es sie als «vir­tu­el­le Doku­men­te» i.S.v. Art. 5 Abs. 2 BGÖ. Dies, weil die Listen zuvor nicht exi­stiert hat­ten und erst für die Zwecke des Schlich­tungs­ver­fah­rens aus älte­ren Daten zusam­men­ge­stellt wur­den (E. 3.3).

Auf den zeit­li­chen Gel­tungs­be­reich des Öffent­lich­keits­ge­set­zes (Art. 23 BGÖ) hat der Doku­men­ten­be­griff aller­dings kei­nen Ein­fluss: Die Erstel­lung eines zuvor bloss «vir­tu­el­len» Doku­ments drückt die­sem kei­nen neu­en Zeit­stem­pel auf. Mass­geb­lich bleibt der «Erstel­lungs- oder Emp­fangs­zeit­punkt der auf­ge­zeich­ne­ten Infor­ma­ti­on» (E. 4.2). Unter­la­gen, die vor Inkraft­tre­ten des Öffent­lich­keits­ge­set­zes (1. Juli 2006) erstellt oder emp­fan­gen wur­den, blei­ben wei­ter­hin aussen­vor. Dar­an ändert auch die Über­nah­me alt­recht­li­cher Doku­men­te qua Rechts­nach­fol­ge nichts (E. 4.3.2). Infol­ge­des­sen fiel eine der bei­den Listen vor­ne­weg ausser Betracht (E. 4.4).

Die ande­re streit­ge­gen­ständ­li­che Liste unter­stand zwar zeit­lich dem Öffent­lich­keits­ge­setz, ihrer Bekannt­ga­be stan­den jedoch aussen­po­li­ti­sche Grün­de ent­ge­gen (Art. 7 Abs. 1 Bst. d BGÖ). Eine Offen­le­gung von Infor­ma­tio­nen, an denen aus­län­di­sche Staa­ten ein Geheim­hal­tungs­in­ter­es­se haben, ver­bie­te sich aus Rück­sicht auf «die inter­na­tio­na­len Gepflo­gen­hei­ten und die Staa­ten­pra­xis» (E. 5.5.3). Die öffent­li­chen Aus­fuhr­sta­ti­sti­ken des SECO las­sen man­gels Detail­lie­rung kei­nen gegen­tei­li­gen Schluss zu (E. 5.3.2). Das Glei­che gel­te für die unspe­zi­fisch gehal­te­nen Medi­en­be­rich­te, zumal die­se Ent­hül­lun­gen gera­de «nicht auf einen Offen­ba­rungs­akt der offi­zi­el­len Schweiz» zurück­ge­hen (E. 5.2.2). Ent­spre­chend sei auch die Ein­sicht­nah­me in die zwei­te Liste mit Recht ver­wei­gert worden.

In metho­di­scher Hin­sicht bekräf­tig­te das Bun­des­ge­richt sei­ne publi­zier­te Recht­spre­chung zum Umgang mit Ent­schei­den «poli­ti­schen und ins­be­son­de­re aussen­po­li­ti­schen Gehalts» (E. 5.5.2 m.H.). Dem­nach haben sich Gerich­te hin­sicht­lich der poli­ti­schen Oppor­tu­ni­tät eine gewis­se Zurück­hal­tung auf­zu­er­le­gen, nicht aber in Rechts­fra­gen: Juri­stisch blei­ben die Ent­schei­de «unein­ge­schränkt über­prüf­bar, unter Ein­schluss der Fra­ge, ob und wie­weit über­haupt eine poli­ti­sche Kom­po­nen­te besteht und ob der Spiel­raum pflicht­ge­mäss genutzt wur­de» (ebd.). Ange­sichts des­sen bestä­tig­te das Bun­des­ge­richt für den hier ange­ru­fe­nen Aus­nah­me­tat­be­stand, dass die nöti­ge Nach­teils­pro­gno­se not­ge­drun­gen nicht nur auf «har­ten» Fak­ten beru­he. Ob die bila­te­ra­len Bezie­hun­gen im Sin­ne von Art. 7 Abs. 1 Bst. d BGÖ «beein­träch­tigt wer­den kön­nen», erge­be sich nicht zuletzt aus «Annah­men, Ver­mu­tun­gen oder Hypo­the­sen» (E. 5.5.3).

Schliess­lich ver­warf das Bun­des­ge­richt die Mög­lich­keit einer Anony­mi­sie­rung und ver­nein­te zugleich einen Ver­stoss gegen das Ver­hält­nis­mä­ssig­keits­ge­bot: «Selbst wenn die ein­zel­nen […] Infor­ma­tio­nen (Emp­fän­ger­staat, Pro­dukt­typ, Abschluss­da­tum und Auf­trags­wert) für sich allei­ne wenig Aus­sa­ge­kraft haben mögen, ste­hen ihrer Bekannt­ga­be im Kon­text mit dem Expor­teur und dem Emp­fän­ger­staat über­wie­gen­de öffent­li­che Geheim­hal­tungs­in­ter­es­sen ent­ge­gen» (E. 6.3). Im Ergeb­nis wur­de die Beschwer­de voll­um­fäng­lich abge­wie­sen (E. 7).

Dis­clai­mer: Wal­der Wyss hat im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren die SERV vertreten.

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